Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
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Mittwoch, 6. Februar 2013
El Candidate lassen bloggen
Bislang habe ich mich aus Diskussionen über SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück weitgehend heraus gehalten. Das hat unter anderem damit zu tun, dass ich immer noch keine sonderlich differenzierte Meinung zu dem Mann habe und mir das auch nicht zu einfach machen will. Als gegeben wird man voraussetzen müssen, dass eine von ihm geführte rot-grüne Koalition im Gegensatz zur momentan am Ruder befindlichen und sich im Regieren übenden keinen wirklichen Politikwechsel mit sich brächte, somit keine echte Alternative wäre, sondern gerade mal ein kleineres Übel. Der mit viel Wohlwollen ungeschickt zu nennende Beginn seiner Kampagne tat ein Übriges, dass von dem großen Hoffnungsträger ordentlich Lack abgeblättert ist.
Nach sieben Jahren Schröder/Fischer ist das Misstrauen vieler potenzieller SPD-naher Wähler auch wohlbegründet: Kann ein Mann vom rechten Flügel der Partei, der damals maßgeblich die sozial verheerende Agenda-Politik mitgetragen hat und sie nach wie vor als Erfolgsgeschichte anpreist, wirklich der richtige Kandidat sein? Sind und, wenn ja, inwieweit sind seine glühenden Bekenntnisse zu klassisch sozialdemokratischen Werten reine Mimikry zwecks Stimmenfang? Der Kandidat mithin nichts als ein Wendehals? In solche Verlegenheit immerhin kann Angela Merkel nicht kommen: Sie vertritt – zumindest öffentlich – erst gar keine Werte, sodass sie im Zweifelsfall auch nicht von welchen abrücken muss.
Zurück zu Steinbrück. Seit einigen Tagen ist peerblog online, ein Blog, mit dem von nun an die Kandidatur Steinbrücks publizistisch begleitet werden soll. Eine der treibenden Kräfte ist der ehemalige Focus-Fuzzi Karl-Heinz Steinkühler, jetzt Inhaber einer PR-Agentur in Düsseldorf. Und genau so sieht das Resultat auch aus: Schmierigstes PR-Geweihräucher, Jubel- und Akklamationsrhetorik, wo man hinsieht. Steinbrück wird als deutsche Ausgabe Barack Obamas abgefeiert, die Macher selbst gerieren sich gar als Revolutionäre: Ein Blog wie dieser sei etwas bahnbrechend Neues in der deutschen Politik, etwas, das das Netz angeblich schon jetzt, nach ein paar Tagen, durch seine bloße Existenz gar in Aufregung versetze. Klar, welcher routinierte Blogger/Facebooker/Twitterer wird da nicht gleich ganz wuschig werden? Grundgütiger!
Finanziert wird das Ganze von so genannten herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten, die aber nicht namentlich genannt werden, kotaut es. Dass aus dem Umfeld des Kandidaten zu hören ist, der Blog sei mit dessen Wissen bzw. Zustimmung eingerichtet worden und die Initiatoren und Finanziers des Blogs seien ihm teilweise bekannt, macht solche Heimlichtuerei, die möglicherweise sogar gegen das Parteienfinanzierungsgesetz verstoßen könnte, nicht besser. Hatte Steinbrück, als er dem Projekt angeblich seinen Segen erteilte, immer noch nicht begriffen, dass Sponsoring zwar okay, es aber auch gute Sitte ist, seine Sponsoren zu nennen?
Wenn Affären wie die um Wulff, Mappus et. al. eine sichere Erkenntnis gebracht haben, dann die, dass in der Politik die Zeit der kleinen Sonnenkönige, die finanziell nach Gutdünken schalten und walten können, fürs Erste vorbei sein dürfte und dass alle Mauschelei fürher oder später ans Licht kommt. Eine Bevölkerung, dessen größerer Teil zunehmend sehen muss, wie er über die Runden kommt, reagiert eben zunehmend unnachsichtig, wenn ein Politiker in Verdacht gerät, in nicht- bzw. halböffentliche Geschäfte verwickelt zu sein.
Überhaupt: Warum wollen jene generösen Geldgeber, die sich so bescheiden als herausragende Unternehmerpersönlichkeiten vollschleimen lassen, plötzlich nicht mehr so doll herausragen und unbedingt anonym bleiben? Wovor haben die Angst? Davor, dass sie in ihren Kreisen ins Gerede kommen, wenn sie einen Kandidaten aus den Reihen der SPD unterstützen? Überhaupt: Seit wann ist für das Aufdiebeinestellen eines derart schlicht gemachten Weblogs neuerdings eine sechsstellige Summe vonnöten, wie es andernorts heißt? Es gibt weit anspruchsvoller designte Blogs, die, wenn schon nicht gratis, dann zumindest für ein paar Euro im Monat realisiert werden.
Alles in allem wirft dem Peer sein Blog daher weitaus mehr neue Fragen auf, als dass er welche ausräumte: Ist Steinbrück schon so schmerzfrei, dass er sich nicht zu schade dafür ist, wenn ihm derart unkritisch gehuldigt wird? Warum lässt er sich als nicht Internetaffiner – was ihn einer Minderheit angehören lässt, mit Sicherheit aber nicht unmöglich macht – so schlecht beraten? Und vor allem: Warum muss er in Sachen finanzieller Transparenz schon wieder zum Jagen getragen werden? Oder: Ist die ganze Sache vielleicht sogar eine Undercover-Aktion schwarzgelber Kreise, um einen Kanzler Steinbrück zu verhindern?
Das jedenfalls war mein erster Gedanke, als ich mir diesen in jeder Hinsicht nur unter Schmerzen als professionell gemacht zu bezeichnenden Blog zum ersten Mal angesehen habe.
1 Kommentar:
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Der arme Mann wurde jetzt natürlich "weg-gehackt". Das böse Internet, unglaublich. Nun ist Peer fein raus: keine Erklärung über die Finanziers, keine kritischen Blog-Kommentare mehr und keine peinliche PR-Lachnummer.
AntwortenLöschenUnd wer jetzt behauptet, die Hacker-Geschichte ist eine PR-Inszenierung, der ist ein Verschwörungstheoretiker übelster Sorte.