Mittwoch, 17. Juli 2013

Deutschland, uneinig Egoland


Seit ihrer Gründung arbeitet die Bertelsmann Stiftung unermüdlich daran, dieses Land ein bisschen weniger solidarisch zu machen. So wenig Staat wie möglich lautete das schlichte Credo des erzkonservativen Gütersloher Bücherpaten Reinhard Mohn, der eine kleine Verlagsklitsche  zu einem der größten Medienhäuser Europas und später der Welt aufbaute. Mohn mag seinem Anspruch daran, wie ein Firmenchef zu sein hat, durchaus gerecht geworden sein. Für seine Mitarbeiter wird er tatsächlich so etwas gewesen sein, wie ein Patriarch – streng zwar, aber auch väterlich, großzügig, vor allem aber loyal. Unter seiner Ägide (und den Bedingungen des Wirtschaftswunders) musste vielleicht niemand Angst haben, entlassen zu werden.

Zwei bis drei Denkfehler aber muss man Mohn postum attestieren. Erstens: Ostwestfalen ist nicht die Welt. Zweitens: Unternehmer wie er und Unternehmen wie seins sind die Ausnahme, nicht die Regel. Drittens: Ein erfolgreicher Unternehmer ist zunächst einmal nicht mehr und nicht weniger als ein erfolgreicher Unternehmer und deswegen noch lange kein universell begnadeter Visionär, der in allen Fragen und allen Bereichen des menschlichen Daseins kompetent ist. Noch zu Lebzeiten, meinte er, Eigentum verpflichte. Unter anderem dazu, der Gesellschaft etwas zurück zu geben. Dieses an sich edel und altruistisch sich ausnehmende Motiv ist in Wahrheit nicht selten ein egoistisches: Es geht darum, die Gesellschaft im eigenen Sinne zu verändern.

Zu den Zielen der 1977 als Denkfabrik gegründeten Bertelsmann Stiftung gehört es, die ganze Gesellschaft nach unternehmerischen Gesichtspunkten umzubauen. In der Praxis heißt das  unter anderem, für alles und jedes Rankings zu erstellen, alles auf Effizienz im betriebswirtschaftlichen Sinne zu trimmen und Blaupausen zu entwickeln, wie sich staatliche Institutionen, wie zum Beispiel das Bildungswesen, nach privatwirtschaftlichen Prinzipien organisieren lassen. Natürlich gehört auch PR zu ihren Aufgaben: Zu Zeiten der Regierung Schröder lieferte die Bertelsmann Stiftung den medialen Soundtrack für die Einführung der Agenda 2010. Viele jener regelmäßigen Talkshowgäste, die seit gut fünfzehn Jahren regelmäßig immer mehr Lohnabbau, Steuersenkungen und Sozialabbau fordern, hohe Lohnnebenkosten und soziale Überversorgung geißeln, waren bzw. sind mit den Bertelsmännern zumindest assoziiert. Der Erfolg ist schwer zu übersehen.

Nun hat exakt diese neoliberale Krake eine Studie über den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Deutschen im internationalen Vergleich in Auftrag gegeben. Das für aufmerksame Beobachter nur wenig überraschende Ergebnis: Deutschland ist ein Land der Egoisten. Der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland bröckelt, sei international nur Mittelmaß, Hilfsbereitschaft und Solidarität hätten an Bedeutung verloren und auch die Bereitschaft, Vielfalt zu akzeptieren sei nur gering. Länder wie Norwegen, Dänemark und Schweden (die sich einen vergleichsweise großzügigen Sozialstaat leisten) hätten da deutlichen Vorsprung. Zudem ließe auch die Identifikation der Deutschen mit ihrem Gemeinwesen, vulgo: ihr Nationalstolz, im internationalen Vergleich zu wünschen übrig.

Ja Sapperlot, wie kommt das denn jetzt? Liegt das vielleicht daran, dass man mit der Federführung der Studie die gern als notorisch linksradikal und als akademische Minderleisterin gescholtene Universität Bremen betraut hat? Oder sind die Befunde nicht vielleicht doch, aller medial gespielten Überraschung zum Trotze, ganz im Sinne der Auftraggeber? Man weiß es natürlich nicht, aber eigentlich müssten angesichts dieser Ergebnisse in Gütersloh doch die Champagnerkorken geknallt haben. Entsolidarisierung und jeder gegen jeden, das sind schließlich Grundvoraussetzungen für eine komplett ökonomisierte Gesellschaft. Plöp, Mission accomplished!


4 Kommentare:

  1. Als ich das gelesen hatte, dachte ich zunächst auch, ob das ein Scherz sein soll? Das ist ja in etwa so, als würde Thilo Sarrazin die steigende Ausländerfeindlichkeit in Deutschland beklagen.

    Gerade die Bertelsmann Stiftung mit ihrer unsäglichen Besetzung des Begriffes "Eigenverantwortung" will selbige überhaupt nicht erkennen. Sie geben nur "neutrale" Studien heraus und sind für nichts verantwortlich.

    Vielleicht geht es auch nur darum, das Thema zu besetzen und zu begrenzen. Frei nach dem Motto: besser eine Bertelsmann-Studie als ein Christoph Butterwegge, der über das Thema spricht. Denn das Auseinanderfallen der Solidargemeinschaft in Deutschland dürfte nun nichts neues mehr sein.

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  2. Mission accomplished.
    Mein liebster Link zum Thema. Man beachte Start und Endedatum.

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    1. Neeeiiin, das Datum hat nichts zu sagen - alles nur billige Verschwörungstheorien! die BS macht ausschließlich wertneutrale Studien im Dienste der Aufklärung und des Erkenntnisgewinns...

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    2. Was denn Verschwörungstheorie? Gesunde und vollkommen normale Marktwirtschaft und Positionierung, würde ich sagen. Nur eben mit dem Staat und der ganzen Gesellschaft als Kunden. Man forciert ein Thema an welches man selber sogar glaubt so lange, bis keiner mehr dran vorbeikommt, dann baut man ein Konzept darauf auf, wie man sich selber darüber mit Aufträgen und Forschung versorgen kann, und bietet sich als Langzeit-Berater mit klasse Agenda an. Und der Kunde ist hyperglücklich, dass ihm geholfen wird :-)

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