Montag, 13. Juni 2016

Drama im Schwimmbad - wieder mal


Irgendwie scheint die Anzahl derer, die glauben, ihr höchstpersönlicher Empfindungshorizont hätte gefälligst maßgeblich zu sein für alle, eher zu- als abzunehmen. Erkennbar dünkt mir das daran, dass offenbar der nötigenfalls mit Verboten durchzusetzende Anspruch, der öffentliche Raum habe eine Art Hochsicherheitszone zu sein, in der niemals auch nur eine Empfindlichkeit verletzt wird, immer mehr um sich greift. Ein Konzept wie das, dass man, wenn einen ein bestimmter Anblick stört, halt nicht hinsehen und seiner Wege gehen soll, erscheint inzwischen rührend antiquiert.

Die Grünen versuchen sich ja schon seit längerem, seit sie das mit dem Pazifismus drangegeben haben, als parlamentarischer Arm all jener zu etablieren, die wegen allem, was ihnen in ihrem näheren Umfeld nicht passt, nach staatlichen Zwangsmaßnahmen schreien. Dumm nur, wenn das kollidiert mit gewissen emanzipatorischen Traditionsresten und am Ende so gar nichts mehr übrig bleibt von einer politischen Linie. So war es ursprünglich ja einmal eine Errungenschaft, dass Frauen beim Baden und Schwimmen nach Belieben Haut zeigen dürfen. Ein langer Kampf gegen die Moralapostel, gegen die Mucker und Spießer dieser Welt, der aber keineswegs zu Ende scheint. Seit einiger Zeit ist nämlich aber ein Rollback im Gange, und das von mindestens zwei Seiten.

Im Schwimmbad des oberpfälzischen Neutraubling beschwerten sich letztens weibliche Badegäste, es war übrigens Frauenschwimmtag, über eine Besucherin, die in einem so genannten Burkini baden ging, einem den ganzen Körper bedeckenden, vor allem bei strenggläubigen Muslimas beliebten Badeanzug. Begründung: Es wurde um die Hygiene gefürchtet. Die Stadtverwaltung erließ daraufhin ein Burkini-Verbot und verfügte, dass nur konventionelle ein- oder zweiteilige Badeanzüge erlaubt seien. Das wiederum brachte die örtlichen Grünen auf die Palme. Das Burkini-Verbot sei eine klare Beschneidung der Religionsfreiheit, somit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und insofern wieder aufzuheben.

Bis hierhin kann ich folgen. Wenn allerdings die grüne Münchner Stadträtin Lydia Dietrich fast zeitgleich fordert, ein am Marienplatz angebrachtes Großplakat, das das brasilianische Model Adriana Lima im Bikini zeigt, müsse abgehängt werden, weil es sich um sexistische Kackscheiße handele, die Frauen auf ihr Äußeres bzw. ihren BMI reduziere, dann komme ich intellektuell nicht mehr ganz mit. Ja watt denn nu? Muss eine politische Vereinigung, die für die Akzeptanz von Burkinis eintritt, nicht auch Bikinis aushalten? "Dann guck doch einfach nicht hin, du verklemmte, piefige Waldohreule, oder geh nach Teheran!", möchte man der Tante als ersten Reflex am liebsten zurufen.

(Apropos Teheran: Ist es nicht ein bisschen auch ein Stück weit ironisch, dass es in Ländern, in denen jegliche weibliche Unbedecktheit in der Öffentlichkeit auf das Allerstrengste untersagt ist, um die Gleichstellung der Frauen noch ein wenig schlechter bestellt zu sein scheint als bei uns? Nur so ein Gedanke.)

Was geht in Leuten vor bzw. was für ein unreifes Körpergefühl steckt dahinter, wenn man sich durch den Anblick einer ganzkörperbedeckten Badenden gestört fühlt? (Oder könnte - pure Hypothese jetzt! - nicht auch die Absicht dahinter gesteckt haben, einer Muslima mal zu zeigen, was westliche Werte sind? Erscheint mir auch nicht völlig abwegig.) Und wenn es andererseits Typen gibt, die in der Kindheit dergestalt deformiert wurden, dass sie es als dringende Aufforderung zum sofortigen Geschlechtsverkehr auffassen, wenn eine Frau einen Bikini trägt, dann ist weniger der Bikini das Problem, sondern dass da welche ganz dringend mal erwachsen werden müssen.

Was bleibt, sind Fragen. Was ist mit den Wurstpellen, in die Triathleten sich immer zwängen? Die bedecken, einem Burkini darin nicht unähnlich, ebenfalls fast den gesamten Körper. Würde es der Hygiene nicht viel eher Vorschub leisten, wenn man endlich einmal konsequent durchsetzte, dass alle nur noch geduscht ins Wasser gingen?

Ich sag's ja: Schwimmbäder, Sammelbecken für Drama Queens!


3 Kommentare:

  1. Apropos sexistische Kackscheiße: So einfach ist das alles nicht. Unter der Tarnung eines Burkini könnte sich ein (perverser!?) Mann am Frauenschwimmtag ins Bad schleichen. Das darf nicht sein, also muss das Burkiniverbot bestehen bleiben und möglichst auf die gesamte EU ausgedehnt werden!

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    1. Hihi. Die ganze Stimmung erinnert mich zuweilen an eine Karikatur aus der Kaiserzeit, die ich mal irgendwo gesehen habe. Ein Schutzmann mit Pickelhaube zum anderen: "Hm, höchst verdächtig da drüben. Entweder es geschieht ein Raubmord oder gar eine Unsittlichkeit."

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  2. Die Grünen - sind zu dem geworden was sie angeblich einmal bekämpfen wollten, das Establishment. Nutzlose Politiker, die in anderen Parteien sich nicht hätten durchsetzen können, weil die Pfründe schon längst besetzt waren.

    "Verbieten" ist das was diese "in die Jahre gekommenen" Ex-Öko-Revoluzzer noch gerade so hinkriegen. Weil ihnen nichts anderes einfällt, sie nichts anderes können.

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