Samstag, 8. Oktober 2016

Über hiesige Satire


"Während [Satire] in der Rezeption und Kritik andernorts längst als eine etablierte Kunstform unter anderen gilt, muß es hierzulande stets ans Eingemachte gehen: Hinter jedem miefigen »Was darf Satire?« ist schon der Wunsch eines Verbots erkennbar, es tönt nach Begrenzung und Maßregelung, jeder Witz muß sich dem Kollektiv, der Nation, wahlweise dem Unternehmen Aufklärung oder dem, was sich dafür hält, als dienlich erweisen. Noch die kleinste Ambivalenz, die kleinste Uneindeutigkeit - Elemente, ohne die Humor schlicht nicht denkbar ist - müssen mittels Projektion oder moralischer Vereinnahmung getilgt werden." (TITANIC 10/2016)

Ich begrüße es durchaus, dass es Sendungen gibt wie die 'Anstalt' im ZDF. Gibt einem das wohlige Gefühl, dass von der Mediensteuer, lies: Haushaltsabgabe, die sanktionsbewehrt zu entrichten ist, auch noch anderes bezahlt wird als absurd teure Profisportveranstaltungen, unverschämte Moderatoren-Grinsenasen, debiles Helenefischer-Geschunkel und überbezahlte Tatort-Kommissare. Und ja, auch die 'Anstalt' hat zuweilen für Wirbel gesorgt. Vor zweieinhalb Jahren etwa, als man die diversen Verstrickungen deutscher Großjournalisten offenlegte. Das ist zwar nicht immer lustig, sondern nur so, wie "es politisches Lehrtheater zuläßt, und nicht jeder Gast ist ein Gewinn; aber wie tröstlich, mit der herrschenden Meinung nicht allein zu bleiben." Wir wollen hier also nicht unnötig meckern.

Zwar befallen mich auch im Falle der 'Anstalt' manchmal Gedanken wie die eingangs zitierten, doch steht das immer noch meilenweit über dem Geknuffel eines Dieter Nuhr auf dem anderen Kanal. Die, also der Nuhr und der Kanal, geben vor, Satire zu machen, erklären aber meist bloß dem braven, verunsicherten Bürgersmann, der findet, dass die AfD nicht immer unrecht habe, die Regierungspolitik und stecken ihm mit Teddybärenblick und Nacktmullgrinsen, es sei schon ganz okay, wenn er weiterhin Minderheiten trete, weil die eh selbst schuld seien.

Und damit seien aus aktuellem Anlass ein paar Worte zu Jan Böhmermann gestattet. Dass ich mich in der Sache mit dem Schmähgedicht seinerzeit gegen die Mehrheit stellte, lag zum Teil daran, dass ich grundsätzlich einen Anti-Reflex bekomme, wenn irgendwo jemand, ob durch eigenes Zutun oder nicht, zum Heilsbringer und Erlöser stilisiert wird. Wiewohl ich kein Fan bin, muss ich sagen, dass er in besseren Momenten, hierin dem Harald Schmidt der Neunziger tatsächlich nicht unähnlich, im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen wirklich in der Lage ist, mit o.g. Ambivalenzen und Mehrdeutigkeiten zu arbeiten. Als er es tat, wie im Falle des Erdogan-Schmähgedichts, geschah exakt das, was eingangs so treffend beschrieben ist: Man gierte nach Eindeutigkeit, es demaskierten sich auch die ärgsten Kritiker des herrschenden Systems ohne es zu merken als dessen glühendste Apologeten, indem sie von der Bundesregierung forderten, ihren Hofnarren, dem, genau genommen, nichts wirklich schlimmes drohte, gefälligst zu schützen. 

Und dass er einer ist, ein Hofnarr nämlich, das hat er in letzter Zeit zu Beispiel in einem Interview gezeigt, in dem er sich als echter Deutschlandfan erwies und wirklich enttäuscht war, dass seine Bundesregierung, an deren Beine zu pinkeln eigentlich sein Job wäre, wenn er Satiriker wäre und in die er größte Hoffnungen gesetzt hätte, ihn so schnöde im Stich gelassen habe, dass die Polizei dringend aufgestockt gehöre, dass dieses Land im Wesentlichen propersupergut sei etzetera. Ist okay, kann man alles tun, nur tut man dann auch gut daran, den Mann nicht als Satiriker zu bezeichnen, sondern als das, was er ist: ein Komiker. Das ZDF hat seinen Vertrag gerade verlängert. Auf dem Lerchenberg werden sie sehr genau wissen, warum.



2 Kommentare:

  1. Treffend. Böhmermann ist einer von denen , die dort zu finden sind , wo es scheinbar kontrovers zugeht, in Wahrheit ist es nicht besonders mutig,Erdogan anzugehen, der selbst von den meisten Medien in die Pfanne gehauen wird.

    Vor kurzem hat er eine Parodie auf die Musik a la Rammstein gemacht, ziemlich gut sogar.Man kann aber sicher sein, daß er sich nicht an Leute wie frei.wild rantraut.

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  2. Danke für die Verweise auf die Humorkritik – Texte, die ich generell unbedingt ernstnehme. Wie überhaupt die Titanic seriöser ist als – beispielsweise – die FAZ.

    Zu Böhmermann. Richte deinen Blick nicht auf den Autor. Sondern richte ihn auf das Werk.

    Böhmermann ist ein ganz schmales Hemd mit einer Reihe von Genieblitzen. Erwarte nicht, dass er vollkommen ist. Stattdessen betrachte das Werk, scheide Schlechtes von Gutem, und sodann lobe (das Gute).

    (Meine Fresse bin ich weise.)

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