Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
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Montag, 19. Dezember 2016
Wutbürger's Paradise
In was für Zeiten wir so leben, erschließt sich manchmal schon an Kleinigkeiten. So hat Esther Kogelbloom im Tagesspiegel einen so genannten 'Rant' verfasst, in dem sie dafür plädiert, Kinder zu Weihnachten nicht mit Geschenken zuzuschütten, denn das führe auf Dauer nicht zu mehr Freude sondern bloß zu Abstumpfung. Kann man mit konform gehen oder nicht. Ein Blick auf die Kommentarspalte: Unerhört! Will die Tante uns vorschreiben, wie wir Weihnachten zu feiern haben. Wir! Feiern! Wie! Wir! WollenE!nS!1 Es gibt Tage, da ist man urlaubsreif, da ist man auf, da kann man nicht immer alles ignorieren, da möchte man solche Wutbürgerdämlacke am Schlafittchen packen und ihnen sagen: Nein, das will sie nicht, du Vollhonk! Das kann sie auch gar nicht. Das weiß sie im Gegensatz zu dir wahrscheinlich auch. Sie macht lediglich einen Vorschlag, mit dem du einverstanden sein kannst oder nicht. Kein Grund, hier sofort den Breiten zu machen.
Man könnte das harmlos finden. Sollte man aber vielleicht nicht. Das Dumme ist nämlich, dass maßgeblich von solchen Leuten nun mit Donald Trump einer zum amerikanischen Präsidenten gewählt wurde, der ganz ähnlich tickt wie sie. Zu den bei weitem beunruhigendsten Charakterzügen des baldigen Präsi zählt, dass der Mann über keinen Funken Selbstironie und Gelassenheit zu verfügen scheint. Sogar über George W. Bush, der als größte Fehlbesetzung der letzten Jahrzehnte gelten muss, war nach seiner zweiten Amtszeit zu hören, dass er sich sehr wohl bewusst war, als Präsident nicht die hellste Kerze auf der Torte zu sein und auch in der Lage war, im kleinen Kreise darüber zu scherzen. Man mag mich eine Memme nennen, aber es vermittelt mir halt ein gewisses Gefühl von Sicherheit, wenn ich weiß, dass der Mensch mit dem Finger am Abzug des größten Atomwaffenarsenals der Welt auch mal Fünfe gerade sein lassen kann und sich nicht so rasend wichtig nimmt wie es zuweilen wirkt.
Bei Donald Trump ist das offenbar nicht der Fall. Nicht nur verkraftet er es nicht, parodiert zu werden, er kann wohl auch sonst überhaupt nicht mit Kritik umgehen. Als die Restauranttesterin der Zeitschrift Vanity Fair es wagte, den 'Trump Grille' wegen des ungenießbaren Essens zu verreißen, bat Trump nicht etwa die Küchenchefin zum Gespräch, sondern keilte via Twitter zurück. Ey, machst du mein Resto an oder was? Abgesehen davon, dass man sich schon fragen kann, ob der Mann, der drauf und dran ist, das mächtigste politische Amt der Welt anzutreten, momentan nichts wichtigeres zu tun hat als Wirbel um solche Lappalien zu machen, ist die Nachricht, dass Trump offenbar nicht dran denkt, politisches Amt und private Geschäfte sauber zu trennen, noch eine der harmloseren. Es braucht schon gefühlige, von Argumentation weitgehend freie, teils schlicht unwahre verbale Verrenkungen wie die des emigrierten Cowgirls Louise Jacobs, um der Sache Positives abzugewinnen.
Man sollte sich nichts vormachen. Es ist besser, mit dem schlimmsten zu rechnen, denn die Vorzeichen verheißen nichts gutes. Nicht, weil Trump politische Überzeugungen verträte, die nicht meine sind und ich Meinungsdiversität nicht aushielte. Nein, weil er sich für absolut nichts interessiert außer für sich und seinen Vorteil. Und weil die jüngsten Anekdötchen bloß ein weiterer Beleg sind dafür, dass er ein unsouveränes kleines Licht ist, ein unbeherrschter, dünnhäutiger Stinkstiefel, ein charakterlich in jeder Hinsicht ungeeigneter, cholerischer, unreifer Kotzbrocken, der glaubt, es immer und überall allen ganz dolle beweisen zu müssen. Gewählt wurde er unter anderem, weil er Leute an die Urnen bekommen hat, die Fakten lästig finden, die meinen, sie wischten dem Establishment eins aus, indem sie jemanden wählen, der ihnen das Gefühl gibt, mindestens genau so doof, primitiv und ungehobelt zu sein wie sie, weil sie alles andere für arrogantes, elitäres Gehabe halten und sich unterdrückt vorkommen. Es mag ja sein, dass der Regierungsapparat auch ohne Mittun des Präsidenten funktioniert, weil der mehr Aushängeschild ist. Aber in der Diplomatie?
Und bitte keine falschen Hoffnungen auf einen überraschenden Sinneswandel im Amt. Es gibt absolut keinen Grund, von einem, der bislang keine Gelegenheit ausgelassen hat, sich als dummes, aufgeblasenes Arschloch zu präsentieren und der damit maximalen Erfolg hatte, zu erwarten, er würde durch das hehre Amt sauluspaulusbumm zum weisen, gütigen Staatsmann mutieren. Wer jetzt ernsthaft glaubt, Trump würde schon zur Besinnung kommen, glaubt vermutlich auch, man könne den Wohlstand der Massen mehren, indem man an die Fairness des Kapitals appelliert und höflich um 'faire Löhne' bittet. Oder eine privatwirtschaftliche Gelddruckmaschine wie Facebook, der man aus Ignoranz und Naivität gestattet hat, soziales Netzwerken fast vollständig zu monopolisieren, pikiert an ihre Verantwortung zu erinnern.
Warum das alles hier? Egoismus, ganz einfach. Und Eitelkeit. Damals, als besagter George W. Bush gewählt wurde, hatte ich mir noch so viel jugendliche Blauäugigkeit bewahrt, dass ich zu denen gehörte, die sagten: Nun seht doch nicht so schwarz, so schlimm wird es schon nicht kommen, vielleicht lernt er ja noch. Sicher, ein Hirndimpfel, aber er hat schließlich Berater. Einen Afghanistan- und Irakkrieg sowie unzählige ausgehöhlte, geschleifte Bürgerrechte später und beim Blick auf die politisch weitgehend kenntnisfreie Plutokratenriege, die Trump da als Regierung aufgestellt hat, möchte ich dereinst, wenn die Welt so richtig am Arsche ist, sagen können: Es ist mir nicht noch einmal passiert. Ha!
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