Freitag, 27. Januar 2017

Trump - eine Bilanz


So denn, seit genau einer Woche ist Donald Trump nun POTUS und somit Der Mächtigste Politiker Der WeltTM. Was ist seither passiert? Nun, da wäre einmal, wie seine Beraterin Kellyanne Conway die dreisten Lügen von Regierungssprecher Spicer kurzerhand zu 'alternativen Fakten' erklärte. Und das ist natürlich geradezu genial. Da ergeben sich auch im Alltag bislang ungeahnte, ungezählte Möglichkeiten, die Breitenwirkung ist noch gar nicht abzusehen. Ja, man vermeint jetzt erst zu ahnen, wie das wirklich gemeint gewesen ist mit dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. America the beautiful! Die Beispiele wären mannigfach:

"Hey, du Arsch, hast du meiner Freundin gerade Bier über die Bluse geschüttet?"
-- "Moooment mal, das sind alternative Fakten, ja?"

"Sie bewerben sich also als Busfahrer, haben aber keinen Führerschein und beginnen nächste Woche zum dritten Mal in fünf Jahren einen Alkoholentzug..."
-- "Ich verfüge eben über alternative Qualifikationen."

"Du hast eine glatte Sechs in der Mathearbeit. Wenn du dich nicht langsam auf die Hinterbeine setzt, sehe ich schwarz für deine Versetzung!“
-- "Pfff, das ist alternative Mathematik, sie Honk!"

"Nun, Ihren Werten zufolge winselt Ihre Leber um Gnade und Ihre Bauchspeicheldrüse dürfte auch bald die Arbeit einstellen. Sie sollten definitiv kürzer treten."
-- "Alternative Medizin, Quacksalber!"

Und so weiter. You get the picture. Und erst politische Diskussionen! Wann immer in Zukunft so ein nerviger Akademiker mit seinem Wi-Wa-Wichtig-Wissen von seiner schwulen Uniservität angeschissen kommt und einem das schöne, mühsam in Facebook-Seminar und Youtube-Akamie gestrickte Weltbild kaputt machen will, braucht man in Zukunft nicht mehr hysterisch „Lüge“ zu keifen oder weinerlich über Arroganz zu jallern, nein. Einfach Zunge in die Backentasche, Hüfte locker und: "Alternative Fakten!" - bäm! Diskussion beendet. Groß. Wird bleiben, definitiv.

Im Ernst. Politiker, so viel Pauschalisierung sei erlaubt, haben im Zweifel von jeher ein kreatives Verhältnis zur Wahrheit gepflegt, das ist weitgehend unstrittig. Aber es umwehte entsprechende Auftritte immer ein Ruch des Falschen und Verbotenen, so dreist die Lügen im Einzelnen auch gewesen sein mochten. Wie aber jetzt das ganze Prinzip von Lüge und Wahrheit in geradezu Orwellscher Manier für ungültig erklärt wird, das ist schon eine neue Dimension. Übrigens auch auf dem Felde der sich diesbezüglich ja gern als unanfechtbar begreifenden Naturwissenschaften. Typisch für Diktaturen eben. Hat ein Nicolae Ceaușescu auch nicht anders gemacht. Trump und die Deutschen aber, das ist noch einmal ein Kapitel für sich.

"History does not repeat itself but it rhymes." (Mark Twain)

Faszinierend, wie auch dieses Mal der Weg in den Faschismus gepflastert ist mit den Sätzen: "Nun lass' ihn doch erst mal machen, vielleicht wird es gar nicht so schlimm." und: "Ich bin kein [beliebige Minderheit] und habe auch nichts zu verbergen, ich habe also nichts zu befürchten." Doch, natürlich habt ihr, ihr braven Bürgersleut', die ihr euch qua Anpassen und Kuschen einmal mehr irgendwelche Vorteile erhofft! Ihr seht nur den Hammer mal wieder nicht auf euch zufliegen. Glaubt ihr, ein Staatsoberhaupt, das sich offen für Folter ausspricht, belässt es im Zweifel bei Moslems und Mexikanern? Weil ihr immer so brav alles mitgemacht habt? Glaubt ihr ernsthaft, eure Daten, die ihr seit Jahren so treuherzigdoof an Googlefacebookamazon hergebt, werden niemals gegen euch verwendet werden? Träumt weiter.

Wie war denn das in den vergangenen Jahrzehnten, als Globalisierung und Neoliberalismus immer nur die anderen betrafen? Die Ungelernten, die Arbeiter, die ja selbst schuld waren an Arbeitslosigkeit und Armut, weil sie 'nichts Vernünftiges' gelernt hatten (im Gegensatz zu einem selbst, natürlich). Die doch bloß faul waren, nicht flexibel genug, um fünf Feierabend machen wollten. Jetzt, da es ernst wird mit der Globalisierung und die Massen angesichts beschämendster Ungleichheit auf der Welt sich ihren Anteil vom sagenhaften Wohlstand holen kommen, da auf einmal auch der so sicher geglaubte Bürojob durch Automatisierung bedroht erscheint, da holen sie den braunen Knüppel aus dem Sack, die braven Bürgersleut', begehren aber, auf keinen Fall Nazis zu sein.

Arg verlogen ist daher nicht zuletzt die Empörung der hiesigen Journaille über Trump. Man darf durchaus ein wenig schadenfroh sein, wie die Transatlantiker nunmehr Krämpfe kriegen, weil sie ihre in Granit gemeißelt ästimierte Weltordnung in Trümmer fallen sehen. Besonders widerlich aber jene, die die Gelegenheit beim Schopfe packen und uns reinschrauben, der Ponyhof namens Alte BundesrepublikTM, auf dem man einfach so Pazifist sein konnte, sei nunmehr endgültig geschlossen und die verträumten deutschen Spielkinder, die bis dato immer bei Joints und Ringelreihen in ihrer Kuschelecke gelümmelt und darauf gewartet haben, dass der Große Transatlantische Bruder für sie alles heile macht auf der Welt, müssten jetzt mal erwachsen werden. Man kennt derlei Züchtigungsrhetorik der Marke "Wehe, das süße Leben ist vorbei!". Sie kommt zuverlässig immer dann zum Einsatz, wenn geistig mobil gemacht wird.

Warum diese ominöse Alte BundesrepublikTM allerdings erst jetzt, am 20. Januar 2017, offiziell am Arsche sein soll, bleibt freilich ein Rätsel. Warum nicht am 3. Oktober 1990? Oder am 28. Februar 1998, als von deutschem Boden erstmals seit 1945 wieder ein Krieg ausging? Oder am 14. März 2003, als Gerhard Schröder die Agenda 2010 ausrief und damit die Axt an den deutschen Nachkriegs-Sozialstaat legte? Geschichte kann so lustig sein, man findet immer etwas passendes.

Man sollte diejenigen, die die letzten Jahrzehnte über brav mitgetrommelt haben für den Endsieg des neoliberalen Kapitalismus und jetzt empört die Backen aufblasen, daran erinnern, dass einer wie Trump nichts anderes ist als Fleisch vom Fleische des selbigen. Typen wie er, also rücksichtslose, asoziale, als Macher, Sanierer und Entscheider apostrophierte Soziopathen, die einen Dreck um Humanitätsduselei und endlose demokratische Entscheidungsprozesse geben, werden uns doch seit Jahrzehnten als Heldenfiguren und große Vorbilder präsentiert und gegen das lästige Primat der Politik in Stellung gebracht, das doch nur beim Geschäftemachen stört. Jetzt sitzt so einer mal am Ruder und haut entsprechend auf den Putz, dann ist auch das wieder nicht recht. Verstehe das einer.

Also, was soll man bilanzieren? Ich würde sagen: Nicht eben wenig für eine einzige Woche.


4 Kommentare:

  1. Hast recht, der Mann hat in den paar Tagen ein beachtliches Pensum absolviert. So viel Porzellan hat in so kurzer Zeit noch kaum jemand kleingekriegt. Ich weiß nicht einmal, ob ich als Grund Ahnungslosigkeit, Einfalt oder Bösartigkeit schlimmer fände. Ich hoffe nur, ihm fällt dass alles auf die Füße, bevor uns allen die Welt um die Ohren fliegt...

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    1. Das ist umso unwahrscheinlicher, als dass es offenbar genug gibt, die Ahnungslosigkeit, Einfalt und Bösartigkeit mit Bodenständigkeit und Volksnähe verwechseln...

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    2. Das ist mir nur zu bewusst. Zumal hinter dem Blonden ja noch der eine oder andere Ideologe mit langer Tagesordnung steht. Und wenn ein einigermaßen handfester Teil der Trumpwähler aufwachen kann es gut schon zu spät sein. Düstere Aussichten, leider.

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  2. "Warum diese ominöse Alte BundesrepublikTM allerdings erst jetzt, am 20. Januar 2017, offiziell am Arsche sein soll, bleibt freilich ein Rätsel. Warum nicht am 3. Oktober 1990? Oder am 28. Februar 1998, als von deutschem Boden erstmals seit 1945 wieder ein Krieg ausging? Oder am 14. März 2003, als Gerhard Schröder die Agenda 2010 ausrief und die Axt an den deutschen Nachkriegs-Sozialstaat legte?"

    Ach was, das war eben alles alternativlos! Die US-Wahl nicht. Man hatte eben ganz fest mit Hillary Clinton gerechnet. Und die internationalen Massenmedien ärgern sich bestimmt noch heute, dass sie es nicht geschafft haben, mit geballter Macht die Killary herbei zu schreiben. Warum hört denn der Pöbel nicht mehr auf die Lücken-, Hof-, Kauf-, Vertriebs- und Kuhpresse? Frechheit!

    Guter Artikel!

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