Dienstag, 14. Februar 2017

Happy Valentine!


Zum Standardrepertoire des sich gern unangepasst und unkonventionell Gebenden gehört das alljährliche Mosern gegen vergleichsweise junge Importbräuche wie Halloween und, ganz aktuell, den Valentinstag. Wird Halloween inzwischen vielerorts zähneknirschend geduldet wegen des Spaßes, den die Kinder daran haben, hört beim Valentinstag der Spaß auf. Der sei ja vor allem, so erklären’s uns die Durchblicker, nichts weiter als eine Verschwörung der Schnittblumenmafia und des Pralinenkartells in Zusammenarbeit mit der Klunker-Camorra sowie der Gastronomen-Al-Quaida. Und garantiert hat irgendwie auch Goldman Sachs die Hand im Spiel. (Das andere darf man ja nicht mehr sagen.) Und überhaupt, jetzt, da der Trump deutsche Autos teurer machen will, boykottieren wir halt den Amischeiß. Ätsch. Hatter jetzt davon, der Ungut!

Na ja, wenn man mal ganz echt ehrlich ist, kann es auch gar nicht anders sein, nicht wahr? Werden doch alljährlich an diesem 14. Februar Abermillionen deutscher Männer vom Ami mit vorgehaltener Waffe dazu geknutet, ihrer Liebsten im Rahmen eines romantischen Candlelight Dinner teils kostspielige Liebesgaben wie Gebinde aus Kompostierbarem und/oder Pralinen und/oder Schmuck zu überreichen, anstatt mal wieder einen deutschen Spaziergang durch unseren deutschen Wald zu machen, ein gutes deutsches Buch zu lesen oder so schönen Bräuchen zu frönen wie Eintopfsonntag oder Hexenverbrennungen. In einem Land, in dem solches Gequargel für geistreich oder unangepasst durchgeht, sollte man sich lieber nicht wundern, warum so viele auch an Homöopathie und Chemtrails glauben.

Verzeihung, es geht mich vielleicht nichts an, aber wer sich durch den Valentinstrubel allen Ernstes genötigt fühlt, mit einer Verehrten öden, kitschigen, konsumistischen Zinnober zu veranstalten, und das nur aus Angst davor, eventuell nicht erhört zu werden von ihr, sollte sich nicht nur das mit der Vermehrung vielleicht noch einmal überlegen, sondern vor allem dringend sein Beuteschema reflektieren, das ihn offenbar auf solche oberflächlichen Tussis abfahren lässt. Umgekehrt bin ich nicht selten Frauen begegnet, die sich zwar über Blumen, Essenseinladungen und anderes sehr wohl freuen, die es aber gruselt beim Gedanken, dies im Rahmen und in der eher gezwungenen Atmosphäre eines modischen Herdenrituals aufgenötigt zu bekommen und für die ein solches Ansinnen ein Grund für sofortigen Kontaktabbruch wäre. Unter anderem, weil ein Mann, dem nichts Besseres einfällt, ihnen arg phantasielos vorkäme.

Ich verstehe das alles nicht. Gut, verstehen kann ich schon, dass man genervt ist von kommerzialisiertem, rosarotem Verliebtheitswahn. Bin ich auch. Zum Beispiel von diesem Brauch, unnötigerweise überall Brücken mit so genannten Liebesschlössern zu ballastieren. Nur ist das zu äußern, etwas völlig anderes als zu glauben, das, was man für die eigene Kultur imaginiert, ließe sich dadurch retten, alles als fremd imaginierte niederzumachen, anstatt sich mal zu entspannen. Wenn der Valentinstag nichts weiter als Konsumterror sein soll, was bitteschön ist dann ein durchschnittliches deutsches Weihnachtsfest? Um wie viel wäre die Welt eine Bessere, wenn Gastronomen, Floristen, Chocholatiers und Juweliere im Februar weniger Umsatz machten?

Zumal der Valentinstag, genauso wie Halloween, eigentlich aus Europa kommt und wir Deutschen in solchen Dingen lieber schön stickum sein sollten, gehören wir doch zu den größten Kulturexporteuren der Welt. Ich sage nur: Tannenbaum. Weihnachtsmarkt. Gibt es überdies noch irgendein Land auf der Welt, das sich nicht an seiner örtlichen Ausgabe des Oktoberfests versucht? Wo also soll das Problem daran sein, wenn der örtliche Irish Pub ein Besäufnis zum St. Patrick’s Day veranstaltet, die türkische Gemeinde zum Zuckerfest lädt? Konsequenterweise müssten die, die für reingehaltene Kulturen eintreten, dann doch auch allen anderen verbieten, ihrerseits deutsche Traditionen zu adaptieren, oder etwa nicht?

Außerdem ist mir noch nicht ganz klar, wie man ohne diktatorisch zu werden erwachsene Menschen, die das Wahlrecht haben, Auto fahren und wählen dürfen, wirksam davon abhalten kann, sich an einem Tag im Februar, der meistens auf einen Werktag fällt, gegenseitig zu beschenken und essen zu gehen. Oder man Geschäfte an entsprechendem Marketing hindern will.

Das ganze hohle Krakeele erinnert irgendwie an das, was auch im Dunstkreis zeitgenössischer Kunst zuverlässig anzutreffen ist. Dabei ist es ganz einfach: Man muss weder alles gut finden noch alles mitmachen und sich erst recht nicht genötigt sehen zu irgendwas. Aber denen, die etwas daran finden, die Freude daran zu vermiesen, weil man selbst nichts damit anfangen kann, ist bloß kleingeistig und spießig. Eine Kultur, die das zum Maxime erheben will, kann meinetwegen gar nicht schnell genug im Orkus der Geschichte verschwinden.

In diesem Sinne wünsche ich allen, die es angeht, noch einen schönen Valentinstag. Gehabt zu haben. Oder noch zu haben.



6 Kommentare:

  1. Dafür gibt es von mir eine rote Rose.

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  2. Aber Halloween find ich ok. Mir machts Spaß, die Kinder in die Tüte mit dem Süßwerk reingreifen zu lassen.

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  3. Als ich jüngst der Blume meines Herzens ein Sträusschen Blumen pflücken wollte, kam mir der blöde Umstand in den Weg, dass Februar war und ich folgte dem Herzen der zu überbringenden Freude in den Konsum. Sei's drum. Ich tat es gerne. Danke für den verständnisvollen Text.

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  4. In Amiland dürfte der Valentinsdruck schon recht hoch sein, kommt wohl auf die Gegend an.
    Trotzdem Zustimmung, außerdem liefert Valentine jede Menge Stoff für Sitcoms und Konsorten.

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  5. Antworten
    1. Offenkundig. Auch Nicht-Islamisten können Spaßbremsen sein und umgekehrt...

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