Freitag, 3. Februar 2017

Toni Erdmann Fieber


"Stolz sein auf Deutschland […]? Sich auf Dinge etwas einzubilden, zu denen man nichts beigetragen hat, geht nie gut aus." (Ambros Waibel)

Vermutlich liegt es daran, dass deutsche Kinoproduktionen jenseits von Expertenkreisen so selten internationale Beachtung finden. Die bisherigen Oscars für deutsche Produktionen lassen sich, sollte einem so was wichtig sein, bequem an einer Hand abzählen. Das heißt natürlich nicht, dass nicht auch Originelles und Innovatives aus hiesigen Gefilden käme, aber die Erlebnisse einer Dorfpolizistin in der Eifel oder eines Tatortreinigers scheinen international halt immer noch schwer vermittelbar. Alle paar Jahre erregt halt mal was ein gewisses Aufsehen und das war's dann. Maren Ades Film 'Toni Erdmann' soll auch in diese Kategorie fallen, wie allgemein zu hören ist.

Nicht, dass ich uninteressiert wäre, doch irgendwie hat sich für mich noch keine rechte Gelegenheit ergeben, den Film zu schauen. Unter anderem, weil man hier in der Provinz schon mal längere Anfahrtswege in Kauf nehmen muss, um vom Föjetong hochgelobte, von der werberelevanten Zielgruppe aber leider schnöde verschmähte Filme vorgeführt zu bekommen. Das ist nicht unbedingt die Schuld des örtlichen monopolistischen Multiplexbetreibers. Der muss die Kosten für sein nagelneues, arschteures Digital-Equipment schließlich wieder reinholen, und das geht eben nur, wenn die Hütte voll ist. Weniger massentaugliche Filme mit weniger Kawumm finden hier im Sprengel ein eher übersichtliches Publikum und laufen daher, wenn überhaupt, meist als einmalige Veranstaltungen zu seniorenaffinen Zeiten.

Wie dem auch sei, ich bin sicher, dass es sich bei 'Toni Erdmann' wirklich um einen netten, gelungenen Film handelt. Die Grundidee ist nicht ohne Charme, die Hauptdarsteller Sandra Hüller und Peter Simonischek gehören handwerklich zur obersten Liga. Und hey, kann ein Film, über den die in Humordingen oberste Instanz in Deutschland befindet, erfreulicherweise eine Komödie zu sein, die keine sein will und überdies mit der "lustigsten Hängetittenszene der Welt" aufzuwarten, völlig schlecht sein?

Nein, es geht um etwas anderes, für das weder die gewiss hervorragend agierenden Schauspieler noch die ambitionierte, dabei angenehm dezente Regisseurin Maren Ade etwas können. Es ist das penetrante patriotische Geklingel, das medial um diesen Streifen veranstaltet wird, und das mir inzwischen dergestalt auf die Eier geht, dass ich kaum noch Lust verspüre, den Film zu schauen. Obwohl 'Toni Erdmann' bereits etliche Auszeichnungen abgeräumt hat, sicher zu recht, ist der finale, der ganz große Ritterschlag bislang frecherweise ausgeblieben. In Cannes und bei den Golden Globes war es, trotz großen Zuspruchs der Zuschauer, Essig. Jetzt soll es halt der Oscar sein. Es gab Zeiten, da wurden Kulturredakteure für weit geringeres vom Hof gejagt.

Es ist dieser fiese, nationale Unterton, der so nervt und der einen glauben lässt, bei der Fußball-WM gelandet zu sein. Die große deutsche Filmhoffnung! 'Toni Erdmann' geht für Deutschland ins Rennen! Seien Sie dabei, drücken Sie die Daumen! Für Deutschland! Gibt es eigentlich schon passende scheißrotgoldene Fan- und Lärmartikel? Public Viewing? Oder wenigstens Verleihung rudelgucken in der Kneipe? Kann ja nicht mehr lange dauern. Das ist alles auf so vielen Ebenen falsch und Christian Krachts letztens hier rezensierten Untoten-Geschwurbel näher als einem lieb sein kann. Daher eine kleine bescheidene Bitte:

Könnte die Academy of Motion Picture Arts and Sciences sich freundlicherweise erbarmen und 'Toni Erdmann' einfach den verdammten Oscar geben? Egal, ob verdient oder nicht und erst recht nicht, weil mich das irgendwie stolz machen würde, Gott bewahre, sondern einfach nur, weil dann nach ein  paar Tagen verbalen Wettonanierens der nationalen Journaille höchstwahrscheinlich endlich Ruhe wäre im Karton. Wofür es im Übrigen handfeste Indizien gibt.

Wir erinnern uns: Der letzte Oscar für einen deutschen Film ging 2007 an Florian Henkel von Donnersmarcks nicht unproblematische Arbeit 'Das Leben der Anderen'. Und, hat jemand seither jemand etwas gehört vom Regisseur mit dem markigen Namen? Also, careful what you wish for. (Fun fact: Der deutsche Film, der im Ausland wohl am nachhaltigsten Furore gemacht hat und seinen Regisseur und Hauptdarsteller bis heute mit Angeboten versorgt, Wolfgang Petersens 'Das Boot' nämlich, ist seinerzeit, obwohl für den Oscar nominiert und als Favorit gehandelt, leer ausgegangen. Geht doch.)


3 Kommentare:

  1. Hmmm, ich weiß schon, warum ich diesen blog hier mag. Die Filmkritiken hier, sind allererste Sahne. (But beware. This is not a slimy flattering. :-)

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    1. Ups, danke. Und das, obwohl es sich noch nicht mal wirklich um eine Filmkritik handelt...

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    2. Das macht ja nichts. In diesem (zumindest bei mir) sich ständig steigerndem Gefühl eines Filmes der abläuft, welcher trotzdem der falsche ist in welchem man sitzt, sind die Übergänge naturgemäß gleitend :-)

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