Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
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Samstag, 4. März 2017
Schmähkritik des Tages (6)
Heute: Arland von Kittlitz über die Weltretter aus dem Silicon Valley
"Wie zur Hölle, frage ich mich [...], kommt es, dass die Menschen aus dem Valley so unheimlich selbstvernarrt und siegesgewiss dermaßen riesige Behauptungen aussprechen? [...] Inwiefern haben jüngere Stars des Valley, der Taxidienst Uber zum Beispiel oder das soziale Netzwerk Instagram, die Welt verbessert? Wenn ich jetzt anfangen würde, im Internet Würmer für Angler zu verticken, sodass ein paar alte Lädchen dichtmachen müssten, dürfte ich im Valley wahrscheinlich auch behaupten, ich hätte die Welt verbessert. Überall sonst würde man mich auslachen.
In Wahrheit ist es doch so: Die 'Weltverbesserung' des Valley beschränkt sich zumeist auf das Auffinden und Bearbeiten banaler Probleme. Die billigste Mikrowelle, sagt mir Google, gibt es bei resterampe.de; und dem Restaurant, das ich neulich so blöd fand, dem gebe ich dank Googles toller Bewertungsfunktion jetzt mal bloß einen Stern, weil voll langsamer Service, die Schweine! Aber die Probleme, deren Lösung tatsächlich die Welt verändern würde: das Problem sozialer Ungerechtigkeit zum Beispiel oder die Erwärmung des Humboldt-Stroms, die wirklich großen Probleme also werden vom Valley nicht bearbeitet.
Wie kann es sein, dass niemand dem Valley und seiner Aufgeblasenheit widerspricht? Wieso ist der Diskurs dermaßen devot?" (in DIE ZEIT, 05/2017)
Anmerkung: Natürlich sollte man sich gerade als Blogger ein wenig zurück halten mit Schmähungen über das Silicon Valley, profitiert man doch selbst nicht unerheblich. Dank Digitalisierung kann theoretisch jeder sein Zeugs veröffentlichen, ohne bei über die Produktionsmittel besitzenden Verlegern vorsprechen zu müssen. Nur glaube ich kaum, dass ehrenamtliche Hobbyblogger verantwortlich für den Niedergang der traditionellen Totholzpresse sind. In anderen Gewerben sieht das freilich anders aus.
Daher kann man dem Autor des zitierten Artikels nur recht geben. Der Diskurs im Silicon Valley und die von dort kommenden Segnungen wird dominiert von oberflächlichen bis soziopathischen großen Jungs, die sich wohl wirklich für allmächtig halten und sich vermutlich wirklich einbilden, die Welt retten oder zumindest besser machen zu können.
Ein schönes Beispiel lieferte jüngst Travis Kalanick, Chef des Taxigewerbevernichters uber, dessen Firma hunderttausende von Taxifahrern auf der Welt ins Elend stürzt und der glaubt, alle Welt wie Domestiken behandeln zu können. Andere in den Dreck treten und dann sagen: Tja, selber schuld! - das ist der armselige kleine Orgasmus des neoliberalen Oligarchen. Es wäre vielleicht ein Anfang, wenn man diesen asozialen Bürschchen wenigstens ihr verlogenes Weltverbesserer-Gehabe nicht mehr durchgehen ließe und sie daran erinnerte, dass man sie für so einen Auftritt zu anderen Zeiten durchaus an die nächste Laterne verbracht hätte.
4 Kommentare:
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Mit Silicon Valley assoziiere ich normalerweise technische Innovation, nicht etwa geschäftliche.
AntwortenLöschenUber mag geografisch in Silicon Valley logieren. Technisch und kulturell gehört es nicht dorhin.
Was haben die »weltretter« aus Silicon Valley denn gemacht? Sie haben hauptsächlich mit disruptiven, neuen geschäftsmodellen verschiedene wirtschaftsbereiche umgekrempelt. Ob sie damit irgendetwas verbessert oder die welt eher verschlechertert hätten, sei dahingestellt.
AntwortenLöschenInnovation ist in unserem wirtschaftssystem leider nur möglich, wenn die innovation größtmöglichen reibach verspricht und man sich damit auch noch gegen die konkurrenz durchsetzen kann.
Die »jungs aus Silicon Valley« retten keinesfalls die welt, sondern sich selbst.
Uber hieß in meiner Jugend "Mitfahrzentrale", Airbnb hieß "Mitwohnzentrale". Beides habe ich schon vor Jahrzehnten in Berlin genutzt. Aber wenn es jemand aus Palo Alto im Internet anbietet, wird natürlich erst ein Hype draus.
AntwortenLöschenUnd angereichert um die Ausbeutungskomponente, ließe sich ergänzen.
Löschen@Mechthild: Klar, sind letztlich Charaktermasken. Gruselig ist halt, wie diese Typen dafür gefeiert werden.
@WDB: Wenns nur die technischen Innovationen wären, dann gönge es ja.
Mich beschleicht jedenfalls schon länger der Verdacht, diese Typen waren an der Uni alle in irgendwelchen Ayn Rand-Lektürezirkeln und halten sich ernsthaft für kleine John Galts...