Donnerstag, 20. April 2017

Nachtrag: Fast ein Ronny


Es geht mich möglicherweise nichts an, wie die Damen und Herren Parlamentarier in Sachsen-Anhalt ihren Umgang untereinander so regeln. Auch lässt sich gewiss trefflich debattieren, ob eine repräsentative Demokratie wirklich das Volk in toto repräsentiert (tut sie nicht). Weiterhin ist es verständlich, wenn eine rechtsbürgerlich-konservative Partei programmatische Berührungspunkte sucht zu Teilen einer Partei wie der der AfD. Das kann man problematisch finden, vor allem im Hinblick auf das, was gewisse prominente Sachsen-Anhaltinische Vertreter dieses Klubs gelegentlich so von sich geben, ist letztlich aber Teil dessen, was noch unter Parteitaktik fällt.

Wenn dagegen ein Parlamentarierkollege einer nicht-extremistischen Partei und dessen Familie von Neonazis bedroht und eingeschüchtert werden, sein Büro angegriffen wird, dann kann es für alle Demokraten, die diesen Namen irgendwie noch verdienen wollen, exakt die eine Antwort geben: Solidarität. Oder Schulterschluss. Alles andere wäre eine völlige Bankrotterklärung.

Als nun Neonazis das Wahlkreisbüro des parlamentarischen Geschäftsführers der Grünen im Magdeburger Landtag, Sebastian Striegel, beschädigen und ihn und seine Familie massiv bedrohten, was tat da Eva Feußner, Vizechefin der CDU-Fraktion desselben Landtages? Sie äußerte Verständnis.

Für die Angriffe.

Striegel sei selbst schuld, meinte sie sinngemäß, er solle halt nicht so blöde politische Ansichten haben. Soso. Sie wolle Steinwürfe und Beleidigungen keinesfalls rechtfertigen, sagte Feußner (aha), "aber sie sind auch eine Folge seines Verhaltens". So wird sie zitiert. Striegel, der einen Polizeieinsatz gegen demonstrierende Nazigegner als unverhältnismäßig kritisiert hatte, bekommt aufgrund der Angriffe gegen ihn nun Polizeischutz. Feußner hat eine Anfrage an die Landesregierung gestellt, was der Polizeischutz für Striegel so koste. Denn es ginge schließlich gar nicht, meint sie, dass Striegel die Arbeit der Polizei kritisiere und dann auch noch erwarte, von ihr beschützt zu werden.

Interessantes Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, nebenbei.

Der Mist ist nun: Am Montag hatte ich mich bereits festgelegt, dass außer ein paar Bagatellen und Gewalttätigkeiten, denen man nicht unnötig eine Bühne bereiten sollte, diesen Monat nichts passiert sei, was einen Ronny des Monats rechtfertige. Frau Feußner, ein bisschen mehr Beeilung bitte! Ein paar Tage früher und das wäre der sichere erste Platz für Sie gewesen. Mit Sternchen. Vielleicht sollte ich demnächst auch noch den 'Fruchtbaren Schoß des Monats' vergeben. Oder den 'Biedermann und die Brandstifter' Lifetime Achievement Award.



2 Kommentare:

  1. Brisante Einsichten in die Funktionsweise der repräsentativen Demokratie liefert Prof. Rainer Mausfeld in seinem Vortrag: Die Angst der Machteliten vor dem Volk
    https://www.youtube.com/watch?v=Rk6I9gXwack

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  2. „Ursprüngliche Aufgabe der Polizei war der Schutz der Gesellschaft vor Verkehrsunfällen und vor Verbrechen. Längst aber ist sie darüber hinaus zu einer Waffe geworden, angewendet wider alle, die aufzumucken wagen gegen Willkür des Unternehmers, gegen Dünkel des Bürokraten und gegen Missbrauch der Gesetze. Die Polizei ist ausführendes Organ der Machthaber, und schrankenlos wütet sie in ihrem Wirkungsbereich.“ (Egon Erwin Kisch: Die Polizei und ihre Beute)

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