Frankreich ist nicht Österreich. Norbert Hofer als Bundespräsident konnte verhindert werden, weil sich in Alexander van der Bellen ein mehrheitsfähiger Gegenkandidat fand und es in Österreich keine nennenswerten Kräfte links von der SPÖ gibt. So konnte van der Bellen nach dem Motto 'alle gegen Hofer' eine Mehrheit hinter sich bringen. Die anstehende französische Präsidentschaftswahl wird dagegen, so steht zu befürchten, wohl Marine Le Pen gewinnen. Obwohl das problemlos zu verhindern wäre, denn sie hat eigentlich nicht die Mehrheit. Sie wird es werden, weil die Linke einmal mehr unfähig zum Kompromiss sein wird. Und sich, wenn dann eine weitere illiberale Demokratie etabliert wird, selbstzufrieden über den Lachs streichen und sich einreden kann, wenigstens im Widerstand gewesen zu sein damals.
Chancen auf relevante Stimmanteile haben morgen drei der elf Kandidaten, nämlich Marine Le Pen (Front National), Emmanuel Macron (En marche!) und Jean-Luc Mélenchon (La France insoumise). Die Konstellation ist, wiewohl das Wahlverfahren natürlich komplett anders ist, ganz ähnlich wie bei der letzten US-Präsidentschaftswahl. Es stehen zur Wahl:
- rechts/völkisch/anti-Establishment (Le Pen bzw. Donald Trump)
- neoliberales Establishment/'weiter so mit kleinen Änderungen' (Macron bzw. Hillary Clinton)
- sozialdemokratisch/linker Hoffnungsträger (Mélenchon bzw. Bernie Sanders)
(Interessant übrigens, dass es den Rechtspopulisten in Frankreich wie in Österreich gelungen ist, das rechtsbürgerliche Lager weitgehend zu marginalisieren. Das nur am Rande.)
Passieren wird vermutlich folgendes: Macron und Le Pen werden am 7. Mai in die Stichwahl gehen. Nicht weil Macron so populär ist, sondern weil er, analog zu Hillary Clinton, halt schon bekannt ist und viele eher zum 'weiter so neigen'. Die enttäuschten Anhänger Mélenchons, die nicht wahrhaben wollen, dass ihr Kandidat außerhalb ihrer Milieus (urban, jung, gebildet) kaum mehrheitsfähig ist, werden größtenteils nicht willens oder in der Lage sein, taktisch zu wählen oder ein kleineres Übel zu akzeptieren, weswegen viele aus Trotz den Urnen fernbleiben werden. Das wiederum wird Marine Le Pen die entscheidenden Prozente bringen. Am Ende werden sie dann schimpfen auf doofe Landeier, verkappte Faschischten und Verblendete, die das Segenbringende des linken Kandidaten einfach nicht haben erkennen wollen. Und die Nationalen werden sich eins lachen. Und sich daran machen, die EU zu zerlegen.
Man kann es auch anders ausdrücken. Beim Front National sind die Prioritäten völlig klar: Wir wollen, dass unsere Kandidatin Präsidentin wird, egal wie. Punkt und Ende. Wohingegen dem linken Lager nicht klar ist, was nun wichtiger ist, Le Pen zu verhindern oder einen linken Politikwechsel herbeizuführen.
Es gibt noch ein paar andere Gründe, die dafür sprechen, warum es wohl so kommen wird. Etwa den sich auch in Frankreich immer mehr vertiefenden Gegensatz zwischen Großstädten und abgehängter ländlicher Peripherie oder die mangelnde Aussagekraft von Umfragen (viele, die zum ersten Mal Le Pen wählen wollen, empfinden das immer noch als etwas, das man eigentlich nicht tut, und halten damit hinter dem Berg). Mario Münster hat das bei Carta gut analysiert.
Das nur für's Protokoll. Nicht dass es hinterher wieder heißt, man habe es nicht ahnen können.
Zum Schluss sei angemerkt, dass ich keineswegs enttäuscht wäre, wenn ich komplett falsch liegen würde.
Ich tippe auf Macron und Mélenchon in der Stichwahl.
AntwortenLöschenHätte ich gewiss nichts gegen.
LöschenKönnte durchaus so kommen. Spannend wäre Melenchon gegen LePen, sowas wie ein verspätetes Sanders gegen Trump.
AntwortenLöschenIlliberale Demokratie aber haben wir schon, es geht nur noch um den Streit, welche Variante sich durchsetzt und wer die Gruppen sind, die davon profitieren.
Ja, man könnte auf einen linken Schulterschluß setzen, um LePen u.ä. um jeden Preis zu verhindern, aber wäre das mittelfrisitig sinnvoll? Linke, die real change einfordern, können sich kaum so weit verbiegen, daß sie mit Personen wie Macron gehen könnten, würden sie es dennoch tun, würden die Verhältnisse weiter zementiert. Und dann sehe ich die ernsthafte Gefahr, daß mit etwas Verspätung Kräfte ans Ruder kommen könnten, gegen die LePen oder Trump die lupenreinsten Demokraten sind, oder eine Stimmung entsteht, in dem die vorhandenen Extremisten erst so richtig loslegen können. Solche Kräfte und Stimmungen müssen dann auch nicht zwingend nur von rechts kommen.
Ich sags nur ungern, aber der Druck von der rechtspopulistischen Seite ist leider genau das, was das Estblishment braucht. Konstruktive Kritik wird seit Jahr und Tag abgeblockt und verlacht, jetzt kommen die Rechten und plötzlich zittern die Etablierten vor Angst.
Die Rechten sprechen offenbar die Sprache, die verstanden wird, Respekt erfahren Kritiker erst, wenn sie mit der Demokratur drohen, was sehr viel aussagt über das primitive Niveau von Teilen der Politik und noch mehr über das noch primitivere Niveau, das in weiten Teilen des Journalismus vorzufinden ist.
Politik auf Niveau von Straßenschlägern, Diskutieren ist Schwäche, aber haust du mir aufs Maul, bist du voll korrekt, Alter.
So sei es denn, lachender Dritter wird vielleicht schon mittelfristig jener Teil der Linken sein, die konsequent, aber bündnisfähig sind, und politisch überhaupt nicht korrekt.
@Art Vanderley
AntwortenLöschenVerstehe ich deinen letzten Satz, übertragen auf die Situation in D so richtig, dass die Realos in der Partei DIE LINKE um D. Bartsch der lachende Dritte sein könnten?
@Pjotr56
LöschenWährend alle auf die Rechten starren, deutet sich schon länger im Hintergrund eine neue Kraft an, die nicht nur links ist, sondern eher irgendwas zwischen Linken und Wertkonservativen, allerdings schon mit Linksdrall, weil nur die Linken und Linksliberalen Ideen gegen die gefährliche Ungleichheit haben.
Das kann man parteipolitisch nicht genau verorten, es zieht sich eher quer durch fast alle Parteien, NGOs, die Zivilgesellschaft, die Bevölkerung usw.
Ich hab einfach generell den Eindruck, daß es ein zunehmendes "es reicht"-Gefühl gibt, was die ständige Bevorzugung von Egoisten gibt, auch im Alltag. Das Aufkommen der Rechten scheint mir eher Vorbote (und Symptom) einer ganz anderen, eher libertären Entwicklung zu sein.
Sowas hatten wir schon, die 60er stehen heute für die Gegenkultur, waren aber parteipolitisch erstmal das Jahrzehnt der Rechtsextremisten, in Deutschland der NPD.
Auffällig: Die Ergebnisse nahmen gegen Ende der 60er immer mehr zu, nicht ab.
Dann kam 68 und die NPD verschwand sofort wieder ins Nichts.
BeispielBremen 1967 sowie Bremen 1971
Der linke Knall sollte die Rechten doch zusätzlich stärken. War aber nicht, irgendwas von 68 muß dem rechten Protest den Wind aus den Segeln genommen haben.