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Mittwoch, 1. November 2017
Asterix am A...
So denn, der neue 'Asterix'-Band ist vorletzte Woche erschienen. Der dritte, nach dem Albert Uderzo eingesehen hat, dass er's nicht mehr wirklich bringt und an Jean-Yves Ferri und Didier Conrad übergeben hat, die die Reihe seitdem fortsetzen. Nach Italien soll es unsere beiden Lieblingsgallier dieses Mal verschlagen, dort waren sie erst zwei Mal. Um ein Wagenrennen über die gesamte Halbinsel soll es gehen, so war zu erfahren. Klang nicht unreizvoll für mich. Zumal das an 'Tour de France' anknüpft, nach Meinung vieler, unter anderem meiner, einer der gelungensten Bände der ganzen Reihe. Grund zu vorsichtigem Optimismus gab es ja. Die beiden letzten Bände 'Asterix bei den Pikten' und 'Das Papyrus des Cäsar', waren eingermaßen gelungen und enthielten nicht unflotte Anspielungen auf aktuelle Entwicklungen. Noch nicht die alte Qualität, so das überhaupt möglich ist, aber mit Potenzial, habe ich gedacht.
Und, wie ist er nun, der Neue? Erwartungen erfüllt? Ich sag's mal höflich: Es wird überdeutlich, dass René Goscinny nicht zu ersetzen ist bzw. welche Lücke er hinterlassen hat. Noch deutlicher: Wäre dies nicht der 37. Band eines weltweit erfolgreichen und seit Jahrzehnten etablierten Franchise, sondern der dritte Band einer ganz neuen Reihe, dann wäre mit diesem Band vermutlich Schluss. Aber der Reihe nach.
The good: Die Zeichungen
Ich wiederhole mich gern: Es ist und bleibt beeindruckend, wie Didier Conrad sich Uderzos Zeichenstil draufgeschafft hat. Nie fühlt man sich als alter Asterix-Fan fremd oder gar befremdet. Die großen Panels sind hinreißend. Ein Höhepunkt, wie Obelix einen Lavabrocken, den der Vesuv ausgespuckt hat, wieder zurückwirft und damit den Krater bis auf weiteres verstopft.
The bad, oder sagen wir, the so lala: Die Anspielungen am Rande
Es gibt eine Menge zu entdecken unterwegs. Ein fülliger Padrone, dessen Ähnlichkeit mit Luciano Pavarotti nicht von der Hand zu weisen ist, muss entsetzt mitansehen, wie Obelix den köstlichen Parmaschinken, die Spezialität des Hauses, nicht in hauchdünnen Scheiben, sondern lieber gleich im Ganzen vertilgt. Eine Frau, die bei Florenz aus dem Fenster guckt und verdächtige Ähnlichkeit mit der Mona Lisa hat. Eine rassige Kellnerin, die man glatt für Sophia Loren halten könnte. Dass Stinkfischhändler Verleihnix das streng schmeckende römische Garum köstlich findet. Das Geschiss, das Italiener mit dem Essen machen. Das ist alles nett getroffen, mit Liebe zum Detail, nie wirklich bösartig und daher charmant. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
The ugly: Die ganze Story. Ja, die ganze. Von vorn bis hinten.
(Entschuldigung, das wird jetzt länger. Ab hier Spoiler!)
Worum geht’s? Ein römischer Senator namens Bifidus wird von einem Senator namens Quartalsabschlus (huhu!) bezichtigt, Gelder veruntreut zu haben, die zum Erhalt der römischen Fernstraßen bestimmt sind. Das lässt Bifidus nicht auf sich sitzen und er verkündet, er werde ein Wagenrennen quer über die Italienische Halbinsel veranstalten, um zu zeigen, in welch hervorragendem Zustand das Straßennetz sich befindet. Prima Idee - zumal ihm als zuständigem Senator klar ist, dass genau das eben nicht der Fall ist. Warum macht er's dann? Weil Quartalsabschlus ihn aus seinem Nickerchen gerissen hat und er noch nicht ganz da war. Aha. Als Caesar von der Sache erfährt, befiehlt er Bifidus, dass unbedingt ein Römer gewinnen müsse, da kenne er keine Toleranz. Warum fährt Bifidus deswegen der Schreck so in die Glieder? Dass das ganze ein Fiasko werden wird, weil die Straßen miserabel sind, steht doch eh fest, egal wer gewinnen wird, oder? Es ist nicht das letzte Mal, dass man sich solche Fragen verkneifen muss, will man diesen völlig verunglückten Band nicht schon auf Seite fünf kopfschüttelnd zur Seite legen.
Derweil lässt Obelix sich auf der Messe von Daritorum (Vannes) von einer hübschen Verkäuferin des Gebrauchtwagenhändlers Erlkönix einen schicken Wagen andrehen. Nur ohne Pferde. Und auf Kredit. Gegen zehn mal acht Hinkelsteine, die noch zu liefern sind. Warum das alles? Obelix hat spontan beschlossen, Wagenlenker zu werden, weil eine Handleserin ihm Ruhm und Reichtum prophezeit hatte. Da trifft es sich, dass er und Asterix vom großen Rennen quer durch Italien erfahren. Nachdem man sich in einem benachbarten Römerlager nachts die vier besten Pferde gemopst, pardon, geliehen hat (Leihgebühr: Hinkelsteine - wie viele eigentlich noch?), kann es losgehen. Puh! Was hätte ein Goscinny aus dieser Exposition gemacht! Aber das war erst der Anfang.
Man sollte meinen, an einer so eindimensionalen Geschichte wie der eines Etappenrennens, also quasi der Comic-Version eines Roadmovies, bei der der rote Faden doch eigentlich vorgegeben ist, kann man kaum etwas versauen. Doch, kann man. Sehr viel sogar. Ferri schafft das. Leider. Ihm unterlaufen gröbste und einfachste handwerkliche Fehler, die man in jedem Seminar für kreatives Schreiben sofort abgewöhnt bekommen würde. Man fragt sich, wer zur Hölle diesen inkohärenten, unausgegorenen Quark für gut befunden und durchgewunken hat. Oder ist die deutsche Übersetzung einfach nur schlecht? Kann ich nicht beurteilen. Und wenn schon, gibt es beim Egmont Verlag kein Lektorat mehr?
Star des Rennens ist ein gewisser Caligarius, ein römischer Wagenlenker mit riesiger Fangemeinde. Sein Gesicht verbirgt er in der Öffentlichkeit hinter einem albernen goldenen Grinsehelm. Wieso? Ist das sein Markenzeichen? Ist sein Gesicht vielleicht entstellt? Wieso stört das keinen? Warum finden das alle normal und warum ist niemand neugierig, wer sich hinter der Maske verbirgt? Soll das eine Anspielung sein darauf, dass moderne Rennfahrer auch immer Helme aufhaben? Oder auf römische Paradehelme, die das Gesicht bedeckten? Auf 'The Stig' von 'Top Gear'? Kann alles sein, aber wir wissen es nicht und erfahren es auch nicht. Das ganze ergibt scheinbar keinen Sinn und stört eigentlich nur. Als Caligarius den Deckel irgendwann doch endlich abnimmt, entpuppt er sich als Karikatur des ehemaligen französischen Formel-1-Fahrers Alain Prost. Warum? War Prost jemals in krumme Touren und Manipulationen verwickelt? Vor dreißig Jahren vielleicht? Aber warum sollte das heute noch wen interessieren? Warum wird Caligarius als gebürtiger Sizilianer vorgestellt, obwohl Prost im französischen Saint-Chamond geboren ist? Fragen über Fragen.
Egal. Als Caligarius nach Jahrzehnten erkennt (wieso erst dann?), dass seine ganze Karriere und sein Reichtum allein auf den Tricksereien seines Beifahrers Bleifus basieren, schmeißt er in Anwesenheit seiner Konkurrenten den Bettel hin und mag nicht mehr. Trotzdem taucht er auf der letzten Etappe plötzlich doch wieder auf und verliert das Rennen nur knapp gegen Obelix und Asterix. Des Rätsels Lösung: Kein geringerer als Julius Caesar selbst hat sich denn goldenen Helm aufgesetzt. Daher also die Maskerade. Grundgütiger! Am Ende überreicht Caesar den monströsen Siegespokal den beiden Galliern, wofür er sich selbst als guter Verlierer feiert und vom Volk einhellig als solcher gefeiert wird. Moment mal, ist das nicht selbstverständlich? Was wäre die Alternative? Den Siegern den ihnen zustehenden Pokal verweigern? Zeugt es etwa von überragendem Fair Play, sich für einen auszugeben, der, in Führung liegend, aufgegeben hat, und sich maskiert in die Schlussetappe hineinzuschummeln?
Die Sieger wollen den Pott aber sowieso nicht haben und reichen ihn gleich weiter. Hä? Weil ja irgendwie alle voll okay sind und alle ihn ein Stück weit verdient haben. Aha. Das wiederholt sich, bis die beiden Lusitanier (antike Portugiesen) ihn bekommen, die die ganze Zeit nichts anderes getan haben, als konsequent alles zu verpennen. Wie belieben? Wieso auf knapp 45 aufwändig gestalteten Seiten ein Rennen in Szene setzen, dessen Trophäe hinterher als komplett wertlos hingestellt wird? Weil Geld halt doch nicht alles ist? Nun ja, man nenne mich meinethalben anspruchsvoll, aber ich habe schon gelungenere Schlusspointen gesehen.
Dann die zahlreichen Nebenfiguren und Nebenhandlungen - verschenkt. Dass Obelix immerhin noch achtzig Hinkelsteine in eine weiter entfernt liegende Stadt zu liefern hat, fällt einfach unter den Tisch. Die Konkurrenten des Rennes haben keine andere ersichtliche Funktion als im Weg rumzustehen, um von Obelix aus demselben geprügelt zu werden, ohne dass das irgendwelche Konsequenzen hätte. Ich dachte immer, bei 'Asterix' gilt, gegen die Römer und ihre Kollaborateure sind alle Tricks erlaubt, aber nur gegen sie. Die beiden Prinzessinnen Etepetete und Rakete (haha!) aus dem (afrikanischen) Lande Kusch, die in einem mit Zebras bespannten Wagen antreten, sind allein dazu da, ihre ausladenden Kurven und ihre Bimbo-Lippen zu präsentieren. Ach so, eine von beiden verknallt sich schwer in Idefix, was Obelix fälschlicherweise auf sich bezieht (hihihi!).
Allein die beiden Markomannen Schlendrian und Sakristan haben etwas Sinnvolles zu tun. Sie sollen im Auftrag von Bifidus und Bleifus das Rennen manipulieren, weil sie als Südgermanen im Puncto Fahrzeugtechnik was draufhaben, wie es heißt. Weil die sich aber komplett ungeschickt anstellen, fliegen sie schon nach der Hälfte der Distanz auf und werden, wie so viele, nicht mehr gesehen. Was für Waschlappen! Ach so, sie sind Sklaven. Warum machen sie sich dann nicht bei erster Gelegenheit aus dem Staub? Auch die wohlbekannten Piraten nehmen am Rennen teil, weil sie, logo, scharf auf die Kohle sind. Was aus ihnen wird? Wir erfahren es nicht. Sie sind beim Start einmal kurz im Bild und dann nie wieder.
Noch nicht einmal die obligatorische Prügelei mit römischen Soldaten will gelingen. Als eine römische Patrouille die Rennteilnehmer anhalten und kontrollieren will, hauen alle tüchtig zu und mischen die Römer mühelos auf, egal ob sie nun Zaubertrank getrunken haben (Asterix), als Kind hineingefallen sind (Obelix) oder gar keinen bekommen haben (alle anderen). Wie kann man den Zaubertrank, ein so zentrales Element der gesamten Asterix-Erzählung, ja den Grund, warum sie überhaupt funktioniert, so leichtfertig wegschmeißen?
Als Asterix und Obelix kurz vor dem Ziel in Führung liegen und wegen eines gebrochenen Rades auszufallen drohen, taucht wie Kai aus der Kiste ein gewisser Croesus Lupus aus Neapolis auf, der unverkennbar Silvio Berlusconi darstellen soll, und schenkt den beiden ein frisches Rad. Lupus ist Hersteller des erwähnten Garum, sponsort die ganze Veranstaltung und sieht Potenzial in Obelix, dessen Gesicht er gern für Werbezwecke verwenden würde. Aha. Komisch, der echte Berlusconi bezog seine Macht doch daher, dass er die Medien gefügig machte, indem er sich Fernsehsender kaufte und ansonsten vor keiner Korruption zurückschreckte. Hier ist er bloß ein Lebensmittelhöker, der ein Rennen manipuliert. Ehrlich: Wie kann man die Möglichkeiten, die eine Figur wie Berlusconi bietet, bloß so vergeuden?
Und so weiter und so fort. Ich mag nicht mehr. Ich war fest entschlossen, 'Asterix in Italien' gut zu finden, aber es geht einfach nicht. Mit 'Asterix' verbinde ich viele schöne Erinnerungen, weswegen ich immer bereit bin, maximale Milde walten zu lassen. Vielleicht habe ich auch zu viel erwartet, keine Ahnung. Schade ist es allemal. Das Schlimme ist: Ich werde wohl auch den nächsten Band kaufen. Oder sollte ich ihn besser vorher leihen?
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Asterix in Italien. Berlin: Egmont 2017, 46 S., 6,90 € (Softcover)
3 Kommentare:
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Seit Goscinnys Tod habe ich den Asterix-Heften konsequent den Rücken gekehrt. Uderzos Zeichnungen sind gut, sein Talent für Szenarios schlicht nicht vorhanden.
AntwortenLöschenKlingt das jetzt so, als sei ich verschnupft? Ich verweigere die Antwort.
Nö. Das Ärgerliche ist, dass Uderzo es ja gar nicht mehr macht, sondern die Sache an zwei, wie es hieß, versierte Fachkräfte übergeben hat.
LöschenJa, verstanden. Und es ist mir so unglaublich Wurscht.
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