Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
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Freitag, 29. Dezember 2017
Jenseits der Blogroll - 12/2017
Ronny hat Gesellschaft bekommen
Wer schon länger hier unterwegs ist, weiß, dass ich über die Unsitte, zum neuen Jahr gute Vorsätze zu machen, eine sehr klare Meinung habe. Nämlich, dass das fast immer ein doofes Selbstkasteiungs- bzw. Selbstoptimierungsritual ist, das im Zweifel mehr Schaden anrichtet als dass es Nutzen bringt. Wenn es überhaupt irgendwas bringt. Als regelmäßiger Schwimmer weiß ich übrigens, wovon ich rede. Januar: Schwimmbäder packevoll. ("Im neuen Jahr gehe ich zwei Mal pro Woche schwimmen!") Mitte Februar: Alles wieder normal. Talk about Halbwertszeit. Anders liegt der Fall, wenn man sich etwas vornimmt, was das eigene und/oder das Leben anderer, vielleicht gar die Welt ein wenig schöner und besser macht. Zum Beispiel seinen Horizont zu erweitern.
Zunehmend schade, unbefriedigend, wenn nicht gar ärgerlich finde ich es, immer wieder auf Schönes, Anregendes, Erhellendes, Schräges, Bedenkens- und Verbreitenswertes jenseits der eigenen Blogroll zu stoßen, das dann auf der heimischen Festplatte in irgendwelchen angefangenen Textdokumenten oder in Orkus der unsortierten Lesezeichen verschimmelt und nie wieder gesehen ward. Ferner finde ich den Trend, dass Kleinbloggersdorf immer mehr zu einer Ansammlung von Monaden wird, die bloß noch um sich selbst kreisen und sich selbst genug sind, beunruhigend. Bandbreite lautet das Gebot (so lange es nicht die gleichnamige Band ist), Echokammern und Filterblasen sind was für Spießer und Rechte, der eigene Tellerrand bzw. der der Peergroup ist nicht die Grenze.
Wie letztens schon beim Kollegen Eberling diskutiert, kann der leider entschwundene Kiezneurotiker als ungekrönter König des Netzwerkens gelten. In seinen regelmäßigen Linksammlungen war eigentlich immer was Interessantes zu finden, auf vieles wäre ich ohne ihn nie gestoßen (was auch ein wenig der Sinn der Sache ist). Klar, es gibt welche, die das mehr oder weniger regelmäßig machen - Burks, Pantoufle, Epikur und Chris Kurbjuhn sind welche aus diesem Umfeld -, und das ist natürlich toll. Zumal die das hinbekommen, ohne dass ihre Blogs darüber zu kaum noch bespielten Linkschleudern verkümmern.
So habe auch ich beschlossen, dem dräuenden Schmoren im eigenen Saft den Kampf anzusagen und den Neujahrsvorsatz gefasst, ab jetzt gegen Ende jeden Monats all jenes Schöne, Anregende, Erhellende, Schräge, Bedenkens- und Verbreitenswerte jenseits der eigenen Blogroll zu verlinken, das mir so begegnet. (Ein brandneues eigenes Label gibt es übrigens auch.)
Mesdames et Messieurs, die Links des Monats Dezember:
Ein schönes Interview mit Alice Harnoncourt, der Witwe des im letzten Jahr verstorbenen Nikolaus Harnoncourt, über die irren Anfangsjahre des Concentus Musicus Wien und der historischen Aufführungspraxis.
Georg Seeßlen über den 'UFA-Stil'. Wer bei Seeßlen hinterher nicht klüger ist als vorher, macht etwas falsch.
Leo Fischer über das Mindset des deutschen Bürgertums Anno 2017, jenes "trauliche Nebeneinander von Katzenflausch-Memes und stets lauter heulenden Aufrufen gegen »Asylirrsinn« und »Gender-Gaga«".
Derselbe über die grassierende "Korrelation zwischen Tierliebe und Menschenhass".
Hätten Sie's gewusst? Im 19. Jahrhundert waren die amerikanischen Republikaner die progressive Partei Abraham Lincolns, die Demokraten die der Sklavenhalter des Südens. Jetzt, im 21. Jahrhundert, beschäftigt die Welt die Frage, wie ein Donald Trump Präsident der USA werden konnte. Stefan Sasse zeichnet kenntnisreich und detailliert den langen Weg nach, den die GOP von Truman bis Trump (und nach Charlottesville) zurückgelegt hat.
Nicht mehr ganz taufrisch und auch schon mal bei Frau Annika verlinkt, nach wie vor aber ein hoch unterhaltsames, längeres Lesestück für ruhigere Tage: André Herrmanns ausführliche Zusammenfassung der '50 Shades'-Trilogie - er las den Schmonzes für uns, so müssen wir es nicht mehr tun.
Und um die Traditionspflege vollends auf die Spitze zu treiben, zum Schluss das Kochrezept des Monats:
Frau Ziii kocht Wiener Wirtshausgulasch (für alle, die gerade viel Zeit haben).
6 Kommentare:
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Bravo!
AntwortenLöschenIch kannte den Kiezneurotiker bzw. sein Blog nicht und ich mache auch was ganz anderes als Sie, Herr Rose, aber Möglichkeiten zur Horizonterweiterung sind immer gut. Ich bin bei meinen wöchentlichen Linkzusammenstellungen auch nicht unbedingt flexibel muss ich zugeben, was aber auch daran liegt, dass ich sehr nischentechnisch blogge. Ich sage Ihnen: Wenn man einmal so eine Institution ins Leben ruft, hört das so bald nicht mehr auf.
AntwortenLöschenGrüße ins Ruhrgebiet!
Das geht ja gut los!
AntwortenLöschenDa feilt meinereiner noch an einer halbwegs kreativen Antwort hier weiter unten, man wurstelt sich durch die interessanten Themen (welche sind da nicht interessant?) beim 34C3 und dann das.
Wie soll man dieses Pensum an Lesestoff überhaupt noch schaffen?
Mit dem immer wieder Aussteigen aus der eigenen Blase hast Du allerdings recht und ein Blog, bei welchem ich gerne verweile ist dieses.
Danke für´s Geräusch...
Danke!
AntwortenLöschenDas ist eine sehr hübsche Idee, auch wenn ich persönlich die aktuelle Linkauswahl nicht sehr informativ finde. Aber das war beim Kiezneurotiker ja nicht anders, der im Übrigen auch mir extrem fehlt. :-)
AntwortenLöschenEin wortgewaltiger, politisch stets inkorrekter "Subversiver" wie er ist einfach nicht zu ersetzen.
Liebe Grüße und einen entspannten Start ins nächste Katastrophenjahr!
Nun ja, das kann ja noch werden. Was das nächste Jahr angeht - nun ja, machen wir das Beste draus...
Löschen@all: Immer gern, danke.