Montag, 5. März 2018

Banking Bad


Das Bankgeschäft ist eigentlich eine sehr simple Angelegenheit. Kann jeder kapieren, der rudimentär der Grundrechenarten mächtig ist. Wovon leben Banken? Davon, Geld zu leihen und zu verleihen. Leihen sie sich Geld, dann heißt das Konto, Sparbuch, Festgeld etc., verleihen sie welches, heißt das Kredit. Von der Differenz zwischen Einlagen- und (höheren) Kreditzinsen lebt die Bank. So simpel wie genial war es ursprünglich gedacht und auch gar nicht blöd. Funktioniert übrigens heute noch. Im Schwäbischen gibt es Kleinfilialen der Raiffeisenbank, die bieten bis heute nur drei Dinge an: Ein Girokonto, ein Sparbuch und einen Kredit. Rechnet sich, immer noch.

In Zeiten, da das Finanzwesen noch haptisch war wie bei Dagobert Duck, als die einzige Form, Geld zu haben die war, Bargeld aus Edelmetall zu besitzen, war es durchaus vernünftig, es sicher zu lagern und dafür die Dienste eines entsprechend eingerichteten Instituts zu nutzen. Den cleveren Geldaufbewahrern fiel irgendwann auf, dass es doch doof ist, dass das ganze schöne Geld im Tresor vergammelt. Damit musste sich doch etwas anfangen lassen. Ferner fiel ihnen auf, dass es höchst umständlich ist, jedes Mal eine Menge Münzen von A nach B zu transportieren. Braucht Zeit, Energie und dann ist da immer das Risiko, ausgeraubt zu werden. Also fanden sie heraus, zuerst in Italien, dass es für Leute, die sich vertrauen, viel bequemer und sicherer ist, nur noch per Schuldverschreibung und Gutschrift zu wirtschaften, das reale Geld aber sicher zu horten.

Obwohl es sich bloß noch um in Computernetzen schwirrende Bits und Bytes handelt und der lästige Umgang mit Barem inzwischen weitgehend ausgelagert ist, stricken die Banken immer noch am nützlichen Märchen, man bewahre das Geld der Kunden sicher auf. So lässt sich weiter kassieren für die Leistung, sich Geld zu leihen. Fragen Sie mal zehn Mitmenschen, ob ein derartiges Vorgehen, das unter dem Namen 'Kontoführungsgebühren' läuft, gerechtfertigt ist. Je nach Branche, aus denen die Befragten kommen, werden die allermeisten antworten: Ja klar doch, die erbringen doch schließlich eine Dienstleistung.

Zwar sind Banker seit jeher als Gierschlünde verschrien und man sollte nicht unnötig nostalgisch werden, aber als die Investmentbanker kamen, wurde es richtig heftig. Denn das sind eigentlich gar keine Banker, sondern Zocker. Idole einer ganzen Generation. Und hauptverantwortlich dafür, dass Kanalreiniger und Müllkutscher inzwischen als höchst nützliche Mitglieder der Gesellschaft angesehen werden, Banker hingegen in Puncto Sozialprestige bei Gebrauchtwagenhändlern und Schweinehirten angelangt sind. In Oliver Stones 'Wall Street' (1987) waren gegelte Glitschfrisur und knallrote Hosenträger die Chiffren, mit denen die Masters Of The Universe Zugehörigkeit demonstrierten. In Christian Schwochows Miniserie 'Bad Banks' ist es das protzig-ballonige Weinglas mit teurem Inhalt, das versonnen vor luxuriöser Kulisse geschwenkt wird. Vielleicht treffen sich echte Banker auch immer auf Hochhausdächern, in Tiefgaragen oder an Autobahnraststätten, wenn es konspirativ wird, wie in 'Bad Banks' zu sehen. Oder werden die echten Banker sich das hier abschauen, wie weiland Mafiosi Habitus und Attribute aus 'Der Pate' und 'Scarface‘ übernahmen? Nicht ausgeschlossen.

(Ab hier Spoiler.)

Gleich in der ersten Folge kommt freundlicherweise ganz offen zur Sprache, worum es beim Investmentbanking geht: Mit albernen, so genannten Finanzprodukten ein paar reiche Arschlöcher noch reicher zu machen (und sich dafür fette Provisionen einzustreichen) und einen nützlichen Idioten zu finden, der am Ende alles bezahlt. So fasst es zumindest Gabriel Fenger (Barry Atsma) zusammen, der Investment-Chef der fiktiven 'Deutschen Global Invest'. Eine aufgedrehte, Denglisch mit niederländischem Akzent bölkende Yuppie-Karikatur mit der Ausstrahlung eines unseriösen Motivationstrainers. Dass Fenger zum Schluss als einziger ins Gefängnis einfährt, dient nicht der Gerechtigkeit, er ist bloß eine Marionette. Ein Bauernopfer, um die aufgebrachte Öffentlichkeit zu beruhigen, nicht mehr. Sein Fehler: Er hat ein Mal Gefühle gezeigt und sich in Jana Liekam (Paula Beer) verliebt, dafür muss er büßen. Mehr gerechte Strafe ist nicht. Alle anderen, auch der mächtige Chef der Global Invest (Tobias Moretti), kommen buchstäblich mit blauen Augen davon.

Das Reizvolle an den momentan so angesagten Serien ist, dass deutlich mehr parallele Handlungsstränge Platz haben und sie somit dem großen Roman des 19. und frühen 20. Jahrhunderts näher sind als der klassische abendfüllende Spielfilm. Und Handlungsstränge gibt es reichlich in 'Bad Banks'. Von Soziopathen bevölkert sind sie alle. Was einem fieserweise sehr glaubwürdig dünkt. Da ist erwähnte Jana, eine höchst ehrgeizige junge Frau, die bei der luxemburgischen Crédit International Karriere macht und sich gleichzeitig als Stiefmutter versucht. Als sie eines Tages unerwartet gefeuert wird, stellt sie ihre Chefin Christelle LeBlanc (Désirée Nosbusch) zur Rede, die ihr gleich einen Job bei der konkurrierenden Global Invest anbietet. Was sie nicht weiß: Ihr Rauswurf ist Teil eines Planes von LeBlanc, die Global Invest zu übernehmen.

(Sicher, man könnte hier pingelig sein und fragen, ob wirklich niemand Unrat wittert, wenn eines der größten Nachwuchstalente im Investmentbereich von jetzt auf gerade zur Kokurrenz wechselt, aber wir befinden uns in der Exposition der Geschichte und die ist ziemlich rasant gefilmt.) Als Jana herausbekommt, dass sie bloß eine Schachfigur ist, beginnt sie, den Spieß umzudrehen. Dann ist da Luc Jacoby (Marc Limpach), Sohn des Vorstandschefs der Crédit International, ein Berufssohn, der sich mit Janas Lorbeeren schmückt, eigentlich aus seinem vorgezeichneten Dasein als Juniorkarrierist herauswill, aber den Bruch mit der Familie nicht wagt. Nicht zuletzt, weil ihn sein bisheriges Leben untüchtig gemacht hat für eines außerhalb dieser Blase. Und schließlich der Leipziger Bürgermeister Schultheiß (Jörg Schüttauf), der mithilfe der Global Invest das Jahrhundertbauprojekt 'Leipzig 2025' stemmen will. Weil er unheilbar krank ist, will er das Projekt in der Zeit, die ihm noch bleibt, zu Ende bringen. Am Ende liegt er tot auf dem Asphalt einer Raststätte. Ansonsten bleibt alles beim Alten. Na ja, fast.

Sicher, man kann hier und da meckern. Etwa dass der Chef der Finanzaufsicht als quasibehindertes Bürokratenklischee in Szene gesetzt wird. Das soll vermutlich metaphorisch stehen für die Machtlosigkeit staatlicher Kontrollinstanzen, misslingt aber gründlich. Insgesamt ist 'Bad Banks' unterhaltsam und vor allem höchst unlangweilig in Szene gesetzt. Das Schauspielerische ist gekonnt bis hervorragend. Man staunt, dass auch das oft ein wenig bieder wirkende Frankfurt am Main auf einmal rüberkommt wie eine coole Außenstelle der Wall Street oder der Londoner City.

Ein Happy Ending gibt es auch. Das geht folgendermaßen: Als Jana endlich akzeptiert, dass sie kein Familienmensch, sondern eine brillante Investmentbankerin und eiskalte Strippenzieherin ist, als ihr Kollege Adam (Albrecht Schuch) akzepiert, dass er kein Familienvater mit lukrativem Bankjob und Eigenheim ist, sondern ein schwuler, tätowierter Streetfighter und genialer Investmentbanker und als ihre Kollegin Thao (Mai Duong Kieu) akzeptiert, dass sie nicht die brave Tochter einer deutsch-thailändischen Restaurateursfamilie ist, die den Eltern die Buchführung macht und bald heiratet, sondern eine geniale Investmentbankerin, aber auch Stalkerin mit exzessivem Sexualverhalten, und alle drei beschließen, fürderhin nur noch auf eigene Faust, aber als Team zu arbeiten, ist die Welt im Lot. Gut, die Welt ist immer noch am Arsch, weil das Gezocke an den Finanzmärkten munter weitergehen wird, aber immerhin, diesen drei Bratzen mit zu viel Geld wird es besser gehen.

Das mag man trivial finden, ist für deutsches Fernsehen aber ein echter Fortschritt. Schwer erträglich die Vorstellung, diese drei, sich erst nach und nach herausschälenden Protagonisten fänden nach tränenreicher Katharsis ihre wahre Bestimmung im Familienleben, im nachhaltigen Wirtschaften oder irgendwelchen spießigen Aussteigerphantasien, was dann in kitschigen Heirats-, Biohof- und Aktivismus-Bildern in Zeitlupe unterlegt würde. In diese Falle tappt 'Bad Banks' zum Glück nicht. Dass auch die Hoffnung auf einen Kollaps des Systems enttäuscht wird, mag Linke frustrieren, sollte sie aber nicht wirklich überraschen.

Der langen Rede kurzer Sinn: 'Bad Banks' ist eine erfreuliche, im Lichte aktueller Produktionen vielleicht nicht rasend innovative, doch alles andere als unflott gemachte Sache, die zwar nicht die Welt aus den Angeln hebt, einem aber ein Wochenende zu verschönern vermag. Weil die Autoren um Oliver Kienle vieles, das sonst bei heimischen TV-Produktionen verbockt zu werden pflegt, einigermaßen konsequent vermeiden. Etwa dem geneigten Zuseher jegliches eigenständige Mitdenken abnehmen zu wollen. Was wirklich nervt, ist eigentlich nur die Rezeption von Teilen der endemischen Jubelpresse, wo man sich penetrant was vom nunmehr erreichten 'Weltniveau' deutscher Fernsehserien zusammenklamüsert, wie’s der olle Honecker einst auch nicht besser hinbekommen hätte.

Ach so, gekokst wird auch.


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Bad Banks (D 2018, 6 x ca. 50 min.) ist noch für kurze Zeit in den Mediatheken von ZDF und Arte anzusehen. Wem das zu knapp ist, mag sich hier behelfen.




3 Kommentare:

  1. Die Serie hat sicher einen gewissen Unterhaltungswert.

    Schade, aus dem Stoff hätte man wirklich viel mehr machen können. Auch die gelungenen Sexszenen können die vielen Längen und die Klischeereiterei nicht wett machen. Die ÖR-Produktionen sollten wohl doch lieber bei Nazifilmen bleiben. Alles andere kommt einfach nicht glaubwürdig rüber. Wie es bei den Bankstern da menschelt, man könnte meinen, man befinde sch im Kinderdorf. Vielleicht verfilmen das ja mal die Tommis oder Amis auf eine wahrhaftigere Art.

    Ich habe seinerzeit mal Industriekaufmann gelernt. Ein Grund dafür, nie wieder als Solcher tätig zu werden, waren die Leute in dem Sektor. Zutiefst verkommen, amoralisch und oberflächlich (vgl. American Psycho, B. E. Ellis). Es gab zwar Ausnahmen, aber die waren entweder auf dem Abstellgleis geparkt oder standen kurz vor der Rente (man kann jetzt speulieren: Warum?).

    Wenn ich dann Kommentare lese, wie: "Wir haben das zusammen mit Bankster xy geglotzt, der das für authentisch befunden hat[...]", dann sicher deswegen, weil er dachte:"Wahnsinn, kommen wir da gut weg! Wenn es das so nicht schon gäbe, hätten wir das drehen und finanzieren sollen!"

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  2. Da ich sozusagen vom Fach bin, mal eine kleine Anmerkung: Die Hauptdienstleistung von Banken (speziell in Deutschland) ist die Fristentransformation. Sprich, die Übernahme von Risiken speziell aus der Baufinanzierung. Kredite mit langen Festzins - Konditionen sind eine Spezialität hier und die Risiken daraus derart hoch, dass kein Laden die selber tragen kann. Das geschieht u.a. durch die allseits berüchtigten Derivate (hier: Zinsswaps), teilweise auch durch Modellierung (sehr gefährlich). Denn dummerweise findet man kaum jemanden, der einem für 10, 20 oder gar 30 Jahre Geld leiht.

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