Mittwoch, 4. Juli 2018

Lernen vom Sieger


"Das Wasser ist trüb, die Luft ist rein, Franz Josef muss ertrunken sein." (Otto Waalkes)

Als ich vor einigen Jahren auf Besuch war bei der bayerischen Verwandtschaft, herrschte dorten gerade Landtagswahlkampf. Oder zumindest das, was man angesichts der alle vier Jahre anstehenden CSU-Reakklamation so nennen kann. Einen Tag wartete ich im damals beschaulichen Freilassing - es war der Sommer, bevor Gevatter Flüchtling aufschlug - an der Kirche auf den Bus, der mich nach Salzburg kutschieren sollte. Mein Blick fiel auf eine Plakatwand. Auf der waren so ziemlich alle zur Wahl stehenden Parteien vertreten. Alle hatten sich irgendwie Mühe gegeben, einen wenn auch hochgradig nichtssagenden Slogan zu verzapfen. "Für ein starkes Bayern", "Voran mit Alois Hinterzipfler" oder so was in der Art.

Eine Ausnahme gab es. Das größte der Plakate zeigte den aktuellen fast-nicht-mehr-aber-haarscharf-jetzt-doch-wieder-Bundesinnenminister. Außer dem CSU-Logo sonst nur die Worte: "Horst Seehofer". Bäm. "Horst Seehofer", sonst nichts. Musste reichen. Und tat es wohl auch. Gut, bei den Unionsparteien hatte es schon lange vor der fortschreitenden Merkelisierung eine Art Limbo um den hohlsten und erratischten Plakatspruch gegeben, ist es von jeher personenzentrierter zugegangen als anderswo. Das war dann doch noch eine Stufe weiter. Kein Zweifel, hier gingen die Uhren auch ein Vierteljahrhundert nach Franz Josef Strauß immer noch ein wenig anders.

"Er werde einen starken Staat garantieren, sagte Horst Seehofer bei seinem Amtsantritt als Innenminister. Ein starker Staat ist einer, der die Freiheitsrechte seiner Bürger achtet, denn schließlich sind sie der Souverän. Wer damit etwas anderes meint, zum Beispiel größere Befugnisse für die Polizei, der schwächt den Staat. Deshalb wirken Politiker, die von einem starken Staat schwärmen und damit ganz im Gegenteil eine starke Exekutive meinen, meist selbst so schwächlich, oftmals lächerlich. Als gründete ihre Autorität in diesem Rückhalt. Als müssten sie ohne ihn um ihr politisches Überleben bangen." (Daniel Kothenschulte)

Eines müsste man angesichts der jüngeren Ereignisse um die reizende kleine bayerische Regionalpartei mir aber doch mal erklären: Wie kommt es eigentlich, dass Konservative sich immer zum einzig wahren, in Politik gegossenen Ausbund von Vernunft und überlegtem Handeln aufblasen? Woher nehmen die die Dreistigkeit, anderen Parteien 'Zerstrittenheit' vorzuwerfen? Meist verbunden mit dem Hinweis, wenn 'die da' jemals ans Ruder kämen, dann seien Chaos und wenn schon nicht der Weltuntergang, dann aber mindestens derjenige Deutschlands oder des Abendlandes aber mal so was vorprogrammiert. Ich meine, so eine Grand Canyon-mäßige kognitive Dissonanz kann doch auf Dauer unmöglich gesund sein, oder?

Und, was lernen wir daraus? Dass man mit Rücktritt vom Rücktritt vom Rücktritt vom Rücktritt und anderem albernem Kaspertheater ('Affentheater' wäre angesichts des Gebotenen eine Beleidigung unserer genetisch nächsten Verwandten), mit dem man sich in jedem Kleintierzuchtverein als Vorsitzender auf Lebenszeit zum Deppen machen würde, in der CDU/CSU echt was erreicht. Endlich richtige Internierungslager für Asülbetrüger etwa, obwohl es dafür kaum Bedarf gibt. Was die AfDoofe sich bereits als Verdienst anrechnet. So viel zum Konzept, selbige mit eigenen Waffen zu schlagen. Herzlichen Glückwunsch, scheint ja bestens zu funktionieren. Aber Hauptsache, die Linken kriegen aufs Dach.

Abgesehen vom Kollateralschaden, dass Modelleisenbahner dank des Seehoferhorst jetzt wieder als Sonderlinge gelten, die besser im Hobbykeller bleiben, ist dieser Regierungsstil schon effektiv. Muss man sagen.

Und die SPD so? Steht mal wieder begossen da mit ihrer ganzen staatstragenden Vernünftigkeit und moppert bloß ein wenig rum. Wie wäre es, wenn sie mal Konsequenzen zöge? Also: Hartz IV abschaffen, zumindest aber weg mit den Sanktionen, sonst halten wir so lange die Luft an, bis uns etwas passiert! Weg mit der schwarzen Null, oder ich trete zurück! Eh-hecht! Kein Witz jetzt! Ach, ihr glaubt, ich sei der einzige, der das für eine Drohung hält? Mir doch Wurst! 15 Euro Mindestlohn und 1000 Euro Mindestrente für alle, oder ich heule! Massive Investitionen in die Infrastruktur sofort, oder wir kitzeln die Merkel aus! Ich sag’s ja, von Hotte lernen, heißt siegen lernen.



3 Kommentare:

  1. Seehofer ist doch auch Sportminister (unter anderem). Also:

    Selbstentleibung oder Viertelfinale.

    #Wildcard

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  2. Fluchtwagenfahrer5. Juli 2018 um 10:16

    Moin,
    schau mal hier nach. wobei ich mir nicht sicher bin ob man(n) alle 14 Merkmale aufweisen muss.
    Die 14 Kennzeichen des Ur-Faschismus nach Umberto Eco.
    Umberto Eco: Der "Ur-Fachismus" (aus: "Vier moralische Schriften")http://t1p.de/qfmx
    wobei ich mir nicht sicher bin ob man(n) alle 14 Merkmale aufweisen muss.

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