Sonntag, 31. März 2019

Vorbilder, klimatisch


In dem Krankenhaus, in dem ich einst Zivildienst machte, arbeitete eine schon ältere Ambulanzschwester, die ihr Leben an dieses Haus geknüpft zu haben schien. Meist war sie für sich, kaum jemand redete mit ihr. Nicht weil sie geschnitten wurde, sie war einfach nicht besonders gesellig. Zudem wusste wohl keiner so recht, worüber man reden sollte mit ihr außer über das Krankenhaus oder über die Arbeit. Jeden Morgen kam sie um kurz vor sieben auf ihrem Fahrrad angeradelt. Es hieß, sie lebte allein in einem kleinen Einzimmerapartment in der Nähe. Ihr einziger Luxus seien ein Fernseher und ein kleiner Kühlschrank. Gefrühstückt und zu Mittag gegessen hat sie immer in der Kantine, abends aß sie mit den Ordensschwestern im Konvent. Vor der Arbeit habe sie zu Hause immer nur einen Keks zum Kaffee gegessen, sagten Kollegen, die mal mit ihr geredet hatten.

Donnerstags hellte sich ihr ansonsten stets etwas brummiges Gesicht ein wenig auf und sie bekam rote Bäckchen. Sie grüßte sogar. Da ging sie nämlich immer zur Cafeteria und kaufte sich einen Stapel Regenbogenhefte. Die lernte sie wahrscheinlich bis zum nächsten Donnerstag auswendig. Angeblich hatte sie niemanden außer ihrer Schwester, die im Sauerland lebte. Wenn sie Urlaub hatte, fuhr sie immer mit dem Zug hin und blieb für ein paar Tage. So ein stilles, unauffälliges Leben ist für erlebnishungriges Jungvolk wie wir es damals waren, natürlich lachhaft, wenn nicht gar eine Provokation. Haha, wer wollte denn bitteschön so leben? Inzwischen würde ich das längst nicht mehr sagen, es tut mir sogar ein wenig leid, wenn ich das je gesagt haben sollte. Vielleicht war ihr Dasein nicht so trist wie es auf uns wirkte und sie war auf ihre Weise, wenn schon nicht glücklich, dann aber zufrieden. Wer will da urteilen?

Es wird nie ihre Absicht gewesen sein, aber man muss der Frau lassen (ob sie noch lebt, weiß ich nicht), dass sie in Puncto Klimaschutz absolut vorbildlich war: Kurze Wege, Fahrrad und Öffis statt Auto, kaum Elektrogeräte, überwiegend Gemeinschaftsverpflegung, keine Urlaubsflüge, längere Strecken mit dem Zug. Ökologisch korrekter lebt sich's nur noch im Kibbuz oder im Kloster. Das kann man vermutlich von einer Mehrheit jener Eltern, die ihre Kinder bei den freitäglichen Schulstreiks für‘s Klima unterstützen, sie vielleicht gar im SUV dorthin karren, nicht unbedingt behaupten. Ich mag keine Klischees bemühen und bei einigen mag es anders sein, aber zwei Autos pro Familie (Firmenwagen plus Kleinwagen oder SUV), Eigenheim, mehrere Flüge pro Jahr gehören ab einer gewissen finanziellen Fallhöhe schon zu den angestrebten Standards, obwohl man stets gern von Nachhaltigkeit quasselt.

Über den Ablasshandel des 15./16. Jahrhunderts pflegt in unseren atheistischen Zeiten sich gemeinhin sehr erheitert zu werden.

Apropos Auto: Machen Sie sich einmal den Spaß, wenn Sie im Berufsverkehr auf der Autobahn im Stau stehen. Zählen Sie nach, in wie vielen Autos mehr als eine Person sitzt. Kleiner Tipp: Bei Fahrten bis 50 Kilometer dürften Sie mit einer Hand locker auskommen. Nur vereinsamte, leere Burnoutfressen, die, wenn man sie fragte, möglicherweise sagen würden, ein Tempolimit schränke sie in ihrer Freiheit zu sehr ein.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Im Vergleich zu der erwähnten Krankenschwester, die, nebenbei, in ihrem Berufsleben vermutlich mehr Menschen wirklich geholfen, wenn nicht das Leben gerettet hat als eine ganze Generation verzogener Bratzen, die nach dem Abi ein Jahr in einem Slum volunteeren gehen, weil sich das im Lebenslauf gut macht, bin auch ich ein absolutes Klimaferkel. Viele Autofahrten, die ich problemlos auch anders bewerkstelligen könnte, aber zu bequem bin dazu, Verwandtenbesuche und Urlaube per Billigflieger. Alles schon gemacht. Dazu schwimmen als Ausgleichssport (so ein Becken will geheizt werden), massig überflüssiger Kram und Stromfresser in der Bude. 

Wie? Ich bin ja nur ein kleines Licht, das im weltweiten Maßstab kaum ins Gewicht fällt? Schon klar, mag sein, nur sagt das so ziemlich jeder von sich. Das läppert sich, die Masse macht's.

Mit dem Klimawandel scheint es ein wenig wie mit dem Rauchen zu sein. Jeder aktuelle und ehemalige Raucher kennt das. Es ist allgemeiner wissenschaftlicher Konsens, dass Rauchen definitiv nicht gesund ist. Man selber beginnt das nach mehreren Jahrzehnten des fröhlichen Perzens sogar selbst zu merken (Husten, Durchblutungsstörungen etc.). Trotzdem findet man immer zielsicher die passende Ausrede, die einem das Gewissen wieder beruhigt. Opa Erwin hat damals schließlich auch 40 am Tag durchgezogen und ist mit blütenreiner Lunge im Alter von 91 Jahren friedlich eingeschlafen. Also bitte, Wissenschaftler! Was wissen die denn schon? Passivrauch? Pah, Hysteriker! Raucher belasten das Gesundheitssystem? Aber wir zahlen doch Tabaksteuer und sterben auch früher. Außerdem, wer *hust hust* soll denn sonst die Bundeswehr in Afghanistan am Kacken halten *kröchz*? Apropos früher sterben: Ja und? Nichtraucher sterben schließlich auch. Und wenn ich gar nicht so lange leben, will, hä?

Ich weiß übrigens, wovon ich rede, ich habe selbst etliche Jahre geraucht und war Meister in so was. Überdies lässt sich damit auch trefflich das Ego aufwerten. Man kommt sich viel abgeklärter und über den Dingen stehend vor als all die Antirauch-Eiferer. Aktivisten sind immer doof und nerven.

Wie diese altkluge schwedische Göre, die einfach nicht weggehen will, geschweige denn zur Schule. Da stecken doch bestimmt die Eltern dahinter! Die verdienen doch massig Kohle mit der! Oder ist von irgendwelchen 'Eliten' finanziert. (Ich finde ja, Menschen, die glauben, Greta Thunberg werde im Geheimen von irgendwelchen stinkreichen Organisationen finanziert und das in 'sozialen' Netzwerken zum Besten geben, womit sie ihrerseits stinkreiche Organisationen noch reicher machen, sollten sich ernsthaft fragen, wohin es ihre Ratio, auf die sie sich so mächtig was einbilden. inzwischen verschlagen hat. Aber das ist nur meine Meinung.) Jetzt hat sie auch noch einen Preis bekommen. Die 'Goldene Kamera'. Inzwischen ziehen sie sich die flammenden Appelle der Klimaqueen so folgenlos rein wie früher die Sonntagspredigt des Pfarrers. Hach, wie recht sie doch hat! Kaum zu ertragen, so wahr ist es! Ja, so kann es wirklich nicht weitergehen. Man müsste wirklich mal… Ist der Limousinenservice schon bestellt?

Über den Ablasshandel des 15./16. Jahrhunderts pflegt… Ups, das hatten wir schon.

Ach ja, die 'Goldene Kamera'. Eine Veranstaltung, die es nur noch gibt, weil es die 'Hörzu' noch gibt. So bedeutend, dass Hollywoodstars, mit denen man sich gern als Preisträger schmücken würde, schon mal ein Double schicken lassen wie Ryan Gosling 2017.

Die 'Hörzu' ist ein ehemaliges Springer-Produkt, in dem die DDR einst in Anführungsstrichen gesetzt wurde. Jetzt gehört sie Funke Medien Gruppe und ist in vielen Haushalten nur noch abonniert, weil man seit 50 Jahren zu faul zum Abbestellen ist und sich ein Leben ohne die 'Hörzu' nicht mehr wirklich vorstellen mag. So wie der Nachbar, der jeden Samstag seinen Benzinrasenmäher anwirft. Jetzt hat man das so lange schon ertragen, da kommt es auch nicht mehr drauf an. Meine Mutter hat damals in den Siebzigern, glaube ich, einen Elektrogrill als Aboprämie bekommen. Oder war es ein elektrisches Brotmesser? Kann mich nicht mehr genau erinnern. Daher nehme auch ich das Blättchen dann und wann mal zur Hand. Gern schwärmen Sie dort mit bunten Bildern von schönen Orten auf der Welt, wo man unbedingt per CO2-Schleuder mal hinmuss. Was soll's, wir sind alle keine Heiligen.

Wir gratulieren:



4 Kommentare:

  1. Rauchen: Mir fing letztes Wochenende an der Schaedel zu jucken und der Selbige ist seither ebenso permanent erhitzt mit ner schoenen Faerbung bis in den oberen Brustbereich. 10 mal gehirngenuked (kommenden Donnerstag die Letzte/14).

    Ich fing damit letzten September bis Dezember mit ner fetten Chemo bis Ende des Jahres an, nachdem mir nach der abschliessenden Biopsie auf meine Frage hin gesagt wurde, dass wir uns in rund 3 Monaten nicht mehr sehen werden. Zwischendurch krieg ich noch 'n aggressives Treatment vom Tropf fuer den Knochenkrebs, den mir der urspruengliche Hordenfuehrer Stage4 Smallcell Lunge umfangreich uebers Skelett pflasterte.
    Januar gings dann auf Immunisation (scheiss Nebenwirkungen) und nachdems mir vor drei Wochen komisch wurde.. /Optik/Gehoer/Gleichgewicht/..etc., MRI und ein Dutzend Ableger gerecht aud beide Seiten verteilt gefunden. (der groesste, Fingerabdruck).
    Am Montag gehts zurueck zu Immunisation/Knochen und dazwischen auf Chemo um den eifrigen Streuer von anderen Organen fernzuhalten. His Favorite. (koennte auch schon passiert sein, hatte seit Dezember keine Chemo und im Januar meinen letzten Pet-Scan-der mit dem radioaktiven Zuckerwasser.

    Ich leb seit 6 Jahren wieder single, bin semiintrovertierter Rentnerredneck :-) in meiner bewaldeten Burg am Salzfluss zum Golf…

    Ich weis, was zwischendurch auch immer mal wieder betont wird, was man/ich lassen sollte. .. zB. Bier Kippen …
    Gras umfangreich und vor allem fuer die ausreichende Ernaehrung ist ein wahres Geschenk Pottes und ich bin weiterhin auf meiner LieblingsDiaet.
    BZPP -Beer/Zigs/Pot&Pizza-
    Ja und?

    Gruss
    Jake

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  2. Gönn dir! ….. das goennst du mir? Du must ein ausgesprochen boeser Mensch sein. ;-))

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  3. @Jakebaby,

    also hast Du diese neue Pest der Menschheit am "Hals" bzw im Körper, den Krebs. Was die Ärzte einen empfehlen, was man tun und lassen sollte, steht mit der Erkrankung nur selten in direktem Zusammenhang, soll aus der eigenen Erklärungsnot nur ablenken.
    Ich drücke Dir die Daumen!

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