Montag, 13. Mai 2019

Sonntagsbummel: Geisterstraße


Sie sehen hier, Mesdames et Messieurs, was von einer der wichtigsten Einkaufsstraßen meiner bescheidenen Heimatstadt im Jahr 2019 noch übrig ist. Beste Innenstadtlage übrigens. Im unteren Teil werden zur Zeit sechs von ca. 30 Ladenlokalen genutzt. Ein gut gehender Friseursalon, zwei Fotogeschäfte, ein Stoff- und Gardinengeschäft, ein öffentlich geförderter Second-Hand-Laden für Kinderbekleidung und ein Juwelier. Im ersten Stock noch ein Bildungsträger und einmal Thai-Massage. Zuletzt haben ein türkischer Kiosk mit Spätverkauf, ein Spielwarenladen, eine Stehpizzeria und eine SB-Aufbackfiliale die Segel gestrichen (lassen Sie sich durch das 'Kino'-Schild nicht täuschen, das ist nach der Schließung vor knapp 20 Jahren einfach drangeblieben).

Blick von oben Richtung Süden
Blick von unten Richtung Marktplatz
Die etwa 200 Meter lange Straße war nie wirklich ein Schmuckstück, aber immer gut belebt. Anfang des Jahrtausends befanden sich dort, so meine Erinnerung mich nicht täuscht: Zwei Spielwarengeschäfte, ein HiFi- und Plattenladen, einer für Weiße Ware, das besagte Kino, eine Schreibwarenhandlung, ein Drogeriemarkt, zwei Bäcker, Handyläden, ein Bettenfachgeschäft, ein Schuhgeschäft, eine Quelle-Filiale, diverse Bekleidungsgeschäfte, ein Billigdeko-Laden und das eine oder andere mehr, das mir gerade entfallen ist. Ganz früher noch ein China-Restaurant. Leerstand? Fehlanzeige. Im oberen, kürzeren Teil Richtung Marktplatz sieht es etwas besser aus, obwohl auch dort erst letztens ein Reisebüro dicht gemacht hat.




Natürlich ist eine Ursache, dass der Einzelhandel sich zunehmend ins Internet verlagert und die Menschen auch ihre Reisen nur mehr online buchen. Aber nur zum Teil. Hier ist durch umgelenkte Kundenströme eine Art tote Ecke entstanden. Erst hat man in der Nähe ein im Vergleich zum gruseligen Vorgängerbau (Impressionen: 1 - 2 - 3 - 4) ein marginal weniger hässliches Einkaufszentrum (was nicht schwierig war) gesetzt. Als daraufhin die heruntergekommene Karstadt-Filiale am nahe gelegenen Marktplatz geschlossen wurde, ging es richtig steil bergab. Jeder Euro kann eben nur ein mal ausgegeben werden. Immer wieder faszinierend, mit welcher Verve diejenigen, die solche Klotzprojekte anschieben, das Gegenteil zu behaupten pflegen.




Ganz einfach, sich da in Kulturpessimismus zu ergehen. Alles geht nur noch den Bach runter, Mann. Schlimmschlimmschlimm. Ich weiß noch, wie wir früher dort immer... Bringt nur nichts. Es ist offenkundig, dass Innenstädte momentan endgültig einige der Funktionen verlieren, die sie in Europa viele Jahrhunderte lang innehatten. Zentren des Handels, des Kommunikation, des Wohnens und auch des Glaubens zu sein zum Beispiel. Was, wenn Handel und Religion wegfallen und nur noch wenige wohlhabende oder alte Menschen dort wohnen bzw. sich das Wohnen dort leisten können? Müssen Innenstädte immer rummelig und wuselig sein? Wir kennen es so, aber können das nicht auch Ruhe- und Erholungszonen sein? Fragen über Fragen. Shopping allein dürfte jedenfalls keine Lösung sein.

Esoterik auch nicht. Trotzdem, ich glaube, ich habe ein neues Lebensmotto:


Tickets gibt es schon für 6,65 €. Und Castrop ist quasi um die Ecke. Das könnte durchaus ein echter Spaß werden. Vielleicht treffe ich ja Hazel Brugger oder Oliver Kalkofe.


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7 Kommentare:

  1. Oh, der Laden für Droschkenbedarf hat seine Pforten geschlossen. Und war da nicht früher mal eine Wienerwald-Filiale? Wir sollten doch alle froh sein, dass die gruselige FuGäZo durch das Internet ersetzt wurde. Statt hunderter Autos, die in die Innenstadt rollen, um einzukaufen, fährt jetzt ein Lkw die ganzen Autistenbuden ab, wo unsereins im Netz bestellt hat. Das ist der Fortschritt, Junge! Wach ma auf. Smiley.

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    1. Der Meinung bin ich durchaus auch. Nur sehen reihenweise geschlossene Läden mit vernagelten Fenstern halt schon arg schxxxe aus. Bin ja für kreative Lösungen offen.

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  2. P.S.: Apropos Kalkofe. Von dem habe ich gestern persönlich ein Like in Facebook bekommen. Kein Witz. Das ist die Benchmark, Alter. Das ist die Benchmark.

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    1. Großartig! Wenn Ihr Leben sonst nichts erstrebenswertes bereits hält, dann haben Sie wohl Ihr Lebensziel damit erreicht! Bewunderung löst dies nicht aus - eher Bedauern und Mitleid.

      Wussten Sie denn schon, von der bevorstehenden Rezession???

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  3. Man könnte aus der Straße ein Paintballanlage machen. Dazu noch zwei, drei Shisha-Bars - fertig ist die Laube.

    @ anonym

    Da sind mir zu wenig Ausrufe- und Fragezeichen in Ihrem Text.

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    1. Ein Parcours für diese neuen E-Scooter böte sich auch an. Oder einfach ein paar der hässlichsten Kästen wegreißen und innerstädtische Grünflächen und Ruhezonen einrichten. Shisha-Bars haben wir schon genug, die werden mehr oder minder regelmäßig von der Staatsgewalt auf links gedreht.

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  4. das system fucked jeden auch die bisherigen/noch systemgünstlinge

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