Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
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Sonntag, 22. September 2019
Jenseits der Blogroll - 09/2019
Klima und Beleidigungen, das sind offenbar die großen Themen der letzten Tage. Gerade bei letzterem habe mich, unabhängig von der Frage, ob und inwieweit die streikenden Schulkinder recht haben oder nicht, zunehmend den Eindruck, es mit einem Generationskonflikt zu tun zu haben und fühle mich in die frühen Achtziger versetzt, als die Öko- und Friedensbewegung und damit auch die frisch gegründeten Grünen ihren ersten Höhenflug erlebten. Auch diese jungen Leute durften sich damals die bescheidwisserische Schulmeisterei alter Säcke anhören und sich Spinner nennen lassen. Das Ergebnis erleben wir gerade.
Politik/Klima. Hannes Stein über den Ursprung der Ökobewegung und den Irrtum vom 'naturnahen Leben'
Armin Nassehi über Klimabewegung und Generationenfragen.
Aus aktuellem Anlass: Thomas Fischer über das Urteil des Landgerichts Berlin in Sachen Künast vs. Facebook. (Hier noch eine längere Einlassung von ihm zum Thema Beleidigung von 2015.)
Und alle Jahre wieder quirlen auch die 'Truther' ihren breitgetretenen Quark wieder auf, versprechen vollmundig, heuer sei er aber wirklich ganz sicher da, der ultimative Beweis, die Smoking gun, die Studie, die gültig belegt, dass WTC7 gesprengt wurde und die ganze Sache eine False Flag-Aktion von Geheimdiensten und/oder der Bush-Administration war. Auch das One Trick-Pony Danièle Ganser darf natürlich nicht fehlen beim alljährlichen Senfzugeben und Bullshitten.
Samira El Ouassil macht sich vor wenig bange. Sie verdingt sich als Schauspielerin bei 'Verbotene Liebe' und als politische Ghostwriterin. Und schreibt hervorragende Kolumnen. Bei Übermedien jeden Samstag die Kolumne 'Wochenschau'.
Stefan Sasse seziert das in gewissen Kreisen sehr beliebte Buch von Gerd Schulze-Rohnhof über die 'wahren' Gründe des 2. Weltkriegs. Gefiel einigen seiner Kommentatoren nicht so.
Kultur/Feuilleton. Auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel und auf Englisch: Julie Burchill hält das Gewese um kleine inhabergeführte Geschäfte für irrationalen Schmus und Supermärkte für eine geniale, segensreiche Erfindung. Gegen den Strich.
Eine Reportage über die Portishead-Sängerin Beth Gibbons, die in einer Einspielung von Henryk Goreckis dritter Symphonie die eigentlich für einen klassisch ausgebildeten Sopran geschriebenen Gesangsparts übernommen hat. Spannend. Was Gibbons an Stimmbildung fehlen mag, dürfte sie durch ihre schiere Präsenz und ihre Fähigkeit, auf der Bühne wie keine andere zu leiden, mehr als wettmachen.
Warum war ich eigentlich noch nie auf dem Burg Herzberg Festival? Zu viele Alt- und Junghippies vermutlich. Und zu wenig Progressive Metal, nehme ich an. Aber schön, dass mal drüber berichtet wird.
Letzte Woche verstarb überraschend Ric Ocasek, Sänger der US-Band The Cars, deren größter Hit 'Drive' war. Prägender für uns war damals 'You Might Think'. Wegen der für damalige Verhältnisse irren optischen Effekte. Saßen wir staunend bei den Privilegierten vor der Glotze, die wegen eines Pilotprojektes der Deutschen Bundespost schon Kabelfernsehen hatten. Dass in diesem Video offenkundig Stalking als völlig legitime Art propagiert wird, sich einer Dame anzunähern, ist uns seinerzeit nicht aufgefallen.
(Video im erweiterten Datenschutzmodus eingebettet. Anklicken generiert keine Cookies.)
Zu den amüsanteren Autoren, die die taz auf dem Gehaltszettel führt, zählt Ulli Hannemann. Seine Kolumne 'Andropause' über die altersbedingten Erlebnisse des alternden Herrn liest man nicht unvergüngt.
Apropos Achtziger: Zu deren Beginn lief am frühen Samstagabend im Regionalfenster der ARD immer die 'Benny Hill Show'. Wir haben uns beömmelt, wenn der tapsige Moppel im Zeitraffer um sein Leben rennen musste, meist weil er eine deutlich jüngere, knapp bekleidete Frau zu wohlgefällig angesehen hatte, und sein greiser Komparse (Jackie Wright) dafür zur Kompensation, patschpatschpatschpatsch!, auf die Glatze bekam. In den Siebzigern war Hill in Großbritannien ein Superstar, Charlie Chaplin soll in ihm seinen Nachfolger gesehen haben. Der Absturz kam schnell: Weil sein harmlos-pubertärer Slapstick angeblich nicht mehr in die Zeit passte, setzte der Sender ITV seine Show ab und er geriet er aufs Abstellgleis. Sein Nachfolger auf dem Sendeplatz wurde der ebenfalls wortlos agierende Rowan Atkinson alias Mr. Bean. 1992 starb Hill vereinsamt aber nicht arm (Geld interessierte ihn nicht) in seiner heruntergekommenen Londoner Wohnung (heute würde man ihn wohl einen Messie nennen). Oliver Nagel hat 2011 einen längeren Beitrag über den großen Komiker veröffentlicht: Der Mann, der Benny Hill war (Teil 1 - Teil 2 - Teil 3 - Teil 4 - Teil 5 - Teil 6 - Teil 7).
Essen/Kulinarik. Schon älter, aber lesenswert. Wie Oobah Butler 2017 eine schrottige Gartenlaube mittels TripAdvisor-Tricksereien und PR-Kniffe zum beliebtesten Restaurant Londons gemacht hat. Obwohl den Gästen nur billigste Fertiggerichte serviert wurden. Sein Fazit:
"Ich habe Menschen eingeladen, auf einer eilig zusammengestöpselten Sammlung von Stühlen vor meiner Gartenlaube Platz zu nehmen, und sie haben hinterher immer noch geglaubt, es sei das beste Restaurant Londons. Einfach basierend auf TripAdvisor-Bewertungen. Man könnte das jetzt zynisch sehen und behaupten, die Leute heutzutage würden jeden Scheiß glauben, der im Internet steht, statt ihren eigenen Sinnen zu trauen. Aber ich bin gern positiv. Ich finde, wenn ich meinen Garten in das beste Restaurant Londons verwandeln kann, dann ist so gut wie alles möglich."
Die türkische Küche wird von nicht wenigen immer noch schnöde auf Döner Kebab und Lahmacun ('Türkische Pizza') reduziert. Abgesehen davon, dass die hiesige Variante des Döner in Berlin entstanden und, ja, nachts um zwei ein schwer zu toppendes Drunk food ist, wird das dem Reichtum dieser Hochküche in keiner Weise gerecht. Eine schöne Sammlung türkischer Rezepte von Eva Biringer.
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