Dienstag, 15. Juni 2021

Gerettetet!


Fast hatte man sie ja schon wieder verdrängt. Aber kaum dass eine theoretische Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Regierung einmal nicht von den Kapitalliebedienern von der CDU und deren Anstandswauwaus von der SPD gestellt werden könnte, sondern, Schockschwerenot!, von den Grünen, erhebt die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ihr Zombiehaupt. Um den deutschen Michel eindringlich vor der dräuenden Gefahr einer linkssozialistischen Machtübernahme zu warnen. Ein paar passende Worte zu dem unsäglichen, mit Falschaussagen gespickten Machwerk zu sagen, überlasse ich Wilfried Schmickler:


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(Disclaimer: Die Anzeigen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft werden nicht aus Steuergeldern bezahlt.)

Ein paar Worte von mir: Der größte in diesem 'Annalena und die 10 Verbote' betitelten, an Kloppern nicht armen Pamphlet ist die Nummer mit dem Mindestlohn. Den wollen die Grünen doch wirklich auf 12 Euro anheben. 12 Euro! Wer soll das bezahlen? Da bricht doch die Wirtschaft zusammen! Wir erinnern uns: So wie damals, 2015, als ein Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt wurde. Der inzwischen auf 9,50 Euro gestiegen ist. Fun fact: Die Reichen und Vermögenden scheinen, so weit sich das überhaupt recherchieren lässt, im gleichen Zeitraum auch nicht gerade ins Elend gefallen. Von den Topleuten im internationalen Geschäft wie Bezos, Zuckerberg et al. reden wir gar nicht erst.

Herrlich vor allem die Bemerkung, ein Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde sowie die ebenfalls geforderte Abschaffung sachgrundloser Befristung und Lohnangleichung bei Leiharbeitern "schränk[t]en die freie Lohnfindung ein". Was "besonders nach der aktuellen Krise dazu führen [könne], dass der wirtschaftliche Aufschwung gebremst [werde]". Wenn mir meine zunehmend vergreisende Erinnerung keinen Streich spielt, dann wurde der gesetzliche Mindestlohn mal eingeführt, weil das mit der freien Lohnfindung so dermaßen obersuper funktioniert hatte, dass die Stundenlöhne sogar für ausgebildete Fachkräfte teilweise bei irgendwas um 5 Euro oder darunter angekommen waren.

Das führte dann dazu, dass Millionen Menschen ihre lächerlichen Löhne vom Amt aufstocken lassen mussten, um überhaupt irgendwie noch über die Runden zu kommen. Und weil die Aufstockerknete ja irgendwo herkommen musste, konnten neoliberale Experten dann wieder über zu hohe Steuern und Lohn'neben'kosten jammern.

Dazu trötete Hans-Werner 'Deutschlands klügster Professor' Sinn (in dessen Pass zwei wichtige Buchstaben vergessen wurden) damals immer, die Löhne seien immer noch zu hoch. Na, und wenn einem 5 Euro die Stunde zu wenig seien, weil man halt so maßlose Ansprüche habe, dann solle man doch einfach das prall gefüllte Sparschwein schlachten oder einfach mal nen Kredit aufnehmen, und sich einen Job suchen in einer Region mit besseren Löhnen. Angebot und Nachfrage! Wurden wir ja jetzt erst kürzlich wieder dran erinnert, als Fritze Merz empfahl, bei drohender Altersarmut doch einfach in Aktien zu investieren.

Zurück zu den Grünen. Auf deren Parteitag am Wochenende wurden unter anderem folgende Forderungen abgelehnt:

Erhöhung des Hartz IV-Regelsatzes um 200 Euro
Erhöhung des Mindestlohns auf 13 Euro pro Stunde
Tempo 70 auf Landstraßen
Anheben des Preises für eine Tonne CO2 auf 60 Euro bis 2023
Streichen des Wortes 'Deutschland' vom Titel des Wahlprogramms

Die Armen bleiben also arm, die Autos schnell, das Vaterland im Titel und CO2 rauspusten weiterhin billig. Das Abendland ist also gerettettet! Hurra!

Bleibt die Frage: Wie ist die INSM bloß auf die irre Idee für die Kampagne gekommen? Na vom AfD-nahen Deutschland Kurier. (Wow, dieses topchice Binnen Leerzeichen! Da waren bestimmt echte Marketing Profis am Werk.)
 
Breaking News: Die Kampagne wurde inzwischen von der Homepage der INSM entfernt. Statt dessen ist dort eine dürre Erklärung zu lesen.






6 Kommentare:

  1. Siewurdengelesen15. Juni 2021 um 21:37

    Wenn es um steigende Gehälter geht, hat man der "freien Lohnfindung" interessanterweise mit dem TEG durchaus versucht, einen Riegel vorzuschieben und auf diese Art nach Möglichkeit den kleinsten gemeinsamen Nenner bindend zu machen. Da ist die grundgesetzliche Tarifpluralität interessanterweise einen Feuchten wert.

    Aber wer möchte schon Tarif zahlen, wenn´s auch anders geht...

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  2. "vom AfD-nahen Deutschland Kurier."
    Der Link führt (zumindest bei mir) ins Nichts.

    "Die letzte nachgewiesene Druckausgabe stammt vom 19. Dezember 2018." Wikipedia

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    1. Ist erledigt, danke für den Hinweis.
      @Siewurdengelesen: Tja, so siehts aus.

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  3. Werbung der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“. Da weißt du doch gleich, aus welchem Arsch dieser Furz gekrochen kommt. Das lese ich mich erst gar nicht durch.

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    1. Und daher verspreche ich mir von der aktuellen 'Wohlstand für alle'-Folge einen gewissen Unterhaltungswert.

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  4. Die Armen bleiben also arm, die Autos schnell, das Vaterland im Titel und CO2 rauspusten weiterhin billig. Das Abendland ist also gerettettet! Hurra!

    Die Tage war auf Zeit Online ein Interview mit einer Ökonomin, wo im Anreißertext sinngemäß stand, dass junge Leute in der Krise am ehesten gut bezahlte Arbeitsstellen wollen und weshalb das ein Problem sein könne.

    Ich habe das Interview nicht gelesen (und ich finde es jetzt auch nicht mehr), weiß also nicht, worin die Dame das Problem sieht, aber es passt hier so schön her. Wenn alle nur noch anständig bezahlte Jobs wollen, wer soll dann den ganzen prekären Dreck zum Hartz-IV-Satz machen...

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