Dienstag, 8. März 2022

Genialer Grantler

 
Gestern ist Walter Röhrl 75 geworden. Der oberpfälzische Lulatsch, für viele der beste Autofahrer der Welt, war damals für uns präpubertante Jugendliche ein Held. Die Zeit Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger war hierzulande keine leichte für motorsportinteressierte Autoquartettspieler wie uns. Trotz ein paar wackerer Mitfahrer wie Hans-Joachim Stuck und Jochen Maass fanden Fahrer aus dem Mutterland des Automobils in der Königsklasse Formel 1 quasi nicht statt. Ja, im Motorradsport gab es Seriensieger Toni Mang, aber der interessierte uns mit Matchboxautos Sozialisierte nicht weiter. Im Rallyesport aber, da räumten Röhrl und sein getreuer Kopilot Christian Geistdörfer alles ab was ging, fuhren Konkurrent/innen wie Michèle Mouton, Rauno Aaltonen und Ari Vatanen in Grund und Boden. Einer, für den die Bezeichung 'Perfektionist' noch untertrieben ist.

Wenn Röhrl zum Lenkrad griff, berichtete sogar das Fernsehen mal länger als fünf Minuten. Wir genossen jede Sekunde. Und ob Rallye nicht eh der wahre Motorsport sei, sinnierten wir. Nicht immer nur im Kreis herum auf gefegten Pisten wie die vollverspoilerten Flachzangen von der Formel 1, sondern mit straßenzugelassenen Autos über richtige Straßen, über Stock und Stein von A nach B. Einmal so fahren können, seufz! Nicht zuletzt ihm ist es auch zu verdanken, dass deutsche Autos trotz ihres damals eher biederen Designs zu Weltruf gelangten. Zwar fuhr Röhrl auch auf Fiat, Lancia und Alfa Romeo Erfolge ein, aber er und der Audi quattro Sport, das war das Traumpaar. (Fun fact: 1982 fuhr Michèle Mouton, die wir schon ein bisschen hot fanden, einen quattro, Röhrl einen heckgetriebenen Ascona 400. Er gewann, weil Mouton im letzten Lauf ausfiel. Er war damit der letzte Fahrer, der ohne Allradantrieb eine Rallye-WM gewann.)

Ach, was red ich! Hier die legendäre Nacht von Arganil 1980 im dichten Nebel:


(Video im erweiterten Datenschutzmodus. Anklicken generiert keine Cookies.)


Und natürlich sein Pikes Peak-Ritt von 1987. Mit einem Gruppe B-Monstrum kachelte er als erster Mensch in unter elf Minuten den Berg hoch und düpierte die komplette Konkurrenz. Heute liegt der Rekord bei unter acht Minuten. Aufgestellt mit einem Elektroauto ohne Straßenzulassung, dessen Motor die dünne Höhenluft nichts mehr ausmacht. Auf inzwischen voll asphaltierter Strecke. Röhrls Fahrt über Schotter, ohne Leitplanken, immer am Abgrund entlang, gilt bis heute als fahrerische Sternstunde:


(Video im erweiterten Datenschutzmodus. Anklicken generiert keine Cookies.)


Bekannt sind auch seine zahlreichen aphoristischen Sprüche geworden. Wo andere bloß behaupten, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, tat er's einfach. Nicht. Aber eben immer überlegt, ohne Dicketun und mit der Autorität des Ausnahmekönners. Mehr bayerischer Grantler als Sprücheklopfer.

"Alles außer Allrad ist ein Kompromiss."
"Mit einem Vorderradantrieb sieht jede Kurve wie ein Unfall aus."
"Für alles über 8 Minuten auf der Nordschleife ziehe ich keinen Helm auf!"
"Gute Fahrer haben die Fliegenreste auf den Seitenscheiben."
"Der quattro-Antrieb hat das Automobil auf ein neues Niveau gehoben, das war eine Revolution im Fahrzeugbau."
"Nimm Audi mit Fünfzylinder und 136 PS, da musst du 400.000 Kilometer keine Schraube nachziehen." (Zu einem Bekannten auf die Frage, welchen Dienstwagen er nehmen soll)
"Beim Beschleunigen müssen die Tränen der Ergriffenheit waagerecht zum Ohr hin abfließen."
"Man kann ein Auto nicht wie ein menschliches Wesen behandeln. Ein Auto braucht Liebe."
"Da wo ich mein Auto mit dem Gaspedal, nicht mit dem Lenkrad steuere, beginnt der Beruf."

Mit dem E-Auto hat er's übrigens nicht so:

"Ich bin in meinem Leben neun Millionen Kilometer gefahren und noch nie länger als fünf Minuten bei der Tankstelle gewesen. Und das bleibt auch so."
"Das E-Auto ist perfekt für die Stadt - wenn jemand in Wien täglich zehn Kilometer fährt und am Wochenende nach Grinzing einen Ausflug macht. Aber solange ich gesunde Beine habe, kann ich diese Wege gehen oder mit dem Rad fahren. Das mache ich seit 30 Jahren so."

Und:

"Der Sport hat mir unbeschreibliche Erlebnisse gegeben. Geld hat mich nie interessiert. Und berühmt sein ist lästig."

In diesem Sinne Glückwunsch nachträglich!






2 Kommentare:

  1. ... guten tag zusammen,
    es gibt einen Film auf youtube, in welchem sein fussraum bei der fahrt mit einem audi turbo gefilmt wurde: reinstes ballett — unglaublich.

    mit sportlichen grüßen
    jens

    AntwortenLöschen

Mit dem Absenden eines Kommentars stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zu. Zu statistischen Zwecken und um Missbrauch zu verhindern, speichert diese Webseite Name, E-Mail, Kommentar sowie IP-Adresse und Timestamp des Kommentars. Der Kommentar lässt sich später jederzeit wieder löschen. Näheres dazu ist unter 'Datenschutzerklärung' nachzulesen. Darüber hinaus gelten die Datenschutzbestimmungen von Google LLC.