Dienstag, 24. Mai 2022

Billiger Bumerang

 
Und? Auch schon so ein modernes Neun-Euro-Ticket besorgt? Billig Bus und Bahn fahren? Für neun Schleifen nach Sylt, Reiche gucken? Ich weiß ja nicht, was Sie so denken, aber mit meiner Vergangenheit als Bahnpendler würde ich sagen, die Milliarden, die der Bund ins das Ticket steckt, könnten sich am Ende als höchst erfolgreiche Kampagne gegen den ÖPNV entpuppen. Weil viele, die schon ewig nicht mehr ÖPNV gefahren sind, hinterher sagen werden: Nie wieder! Das Problem wird nicht sein, dass Züge und Busse überfüllt sein werden. Das wird vermutlich der Fall sein, vor allem an Wochenenden, aber damit werden die meisten eh rechnen.

Natürlich kann man finden, dass öffentlicher Nahverkehr in Deutschland zu teuer ist. Auch das mag sein. Ich glaube aber nicht, dass es nur der Preis ist, der die Menschen vom Zugfahren abhält. Es ist eher die Leistung, die man fürs Geld bekommt. Einfach nur die Tickets billiger machen, ist jedenfalls keine Lösung. Es bringt nichts, noch mehr Menschen in eh schon überfüllte Züge zu quetschen. Deswegen allein wird keiner auf die Bahn umsteigen. Neben günstigen Fahrpreisen braucht es mehr Züge, mehr Platz für Gepäck, mehr Zugverbindungen, mehr Bahnpersonal, besseren Service und vieles mehr.

Was man nicht auf dem Zettel hat, ist, dass in Deutschland ein so großer Teil der Menschen kein Talent oder nie gelernt hat, sich im öffentlichen Raum adäquat zu bewegen, dass jeder Aufenthalt in einem öffentlichen Verkehrsmittel zur Nervenprobe wird. Weil jedwede Erziehung, auch antiautoriärste, die zum Ziel hat, Kindern Respekt vor Menschen beizubringen, als fascho gilt. Weil das Missverständnis zählebig sich hält, sich immer und überall zu benehmen wie offene Hose, sei irgendwie voll authentisch, antiautoritär und locker. Nein, ist es nicht. Es ist unzivilisiert, respektlos und asozial, sonst nichts. Gezielter Tabubruch kann eine Kunst sein. Schlechtes Benehmen aber ist bloß schlechtes Benehmen. Sich daran zu stören, hat nichts mit Spießigkeit oder Verkrampftheit zu tun.

Wir reden hier auch nicht von ein paar Adoleszenten, die am Schweinesystem verzweifeln und deswegen über die Stränge schlagen. Auch nicht von sozial Abgehängten, denen alles egal ist. Nein, wir reden von einem bunten Querschnitt durch alle Altersgruppen, Geschlechter, sozialen Schichten und Herkünften:

Kaffee- und Feierabendbierverschütter, Zumüller, Säufer, Dönerfresser, Schuheauszieher, die ihre stinkenden Käsequanten auf dem Sitz neben einem parken, sich über Stunden anbrüllende Großfamilien, Einsame, die einem ungefragt ihre Lebensgeschichte oder absurde Verschwörungserzählungen aufdrängen, zwanghafte Quasselstrippen mit obertonreichen Stimmen, die alle Welt an ihrem Privat- und Innenleben nebst ihren intimen Gewohnheiten teilhaben lassen, Wichtigmenschen, die in überfüllten Bahnen mit Gepäckstücken und Unterlagen Viererabteile als Büro für sich reklamieren, Musiker, die den Waggon zwangsbeklampfen oder lange Monologe über ihre Leidensgeschichte halten und dafür Kleingeld erpressen wollen, Busengrapscher, Kegelclubs, Regenschirmausschüttler, ungewaschene Stinkmorchel, Überparfümierte, Hautkranke, die ihren nässenden, eitrigen Ausschlag nicht auf der Toilette versorgen, sondern auf dem Nebensitz, Wandersleute mit drei Kubikmeter großen Rucksackbarrikaden, lärmende Kinder nebst deren Eltern, die nicht willens oder nicht in der Lage sind, selbigen irgendwelche Grenzen aufzuzeigen, Smartphone- und Tabletlärmer, Mobilfunkbrüller, Kopfhörerallergiker, jene, die es irre lustig finden oder völlig in Ordnung, im Zug zu rülpsen und zu furzen, und so weiter und so weiter.

Bittet man sie, gleich wie höflich, aufzuhören mit ihrem Generve, dann stellen sie sich entweder taub oder glotzen einen an wie einst bei Edgar Wallatze, wobei ihnen auch schon mal Spuckefäden am Mundwinkel herunterhängen. Oder sie sehen sich in ihrer imaginierten Ehre gekränkt, finden das unerhört, fordern einen barsch auf, sich gefälligst mal zu entspannen oder drohen einem gleich Prügel an.

Wer jemals das Vergnügen hatte, in einem zivilisierten Land wie Großbritannien, in dem offenbar ausreichend viele Menschen, auch Kinder übrigens, von klein auf beigebracht bekommen haben, sich so zu benehmen, dass man seinen Mitmenschen nicht unnötig auf die Nerven fällt, weiß, wovon die Rede ist. Wer die letzten zwanzig Jahre seines Lebens Auto gefahren ist oder das Glück hatte, die Arbeitsstelle zu Fuß oder per Fahrrad erreichen zu können, wird also möglicherweise sein blaues Wunder erleben. 


(Disclaimer: Teile dieses Textes sind hier bereits zu einem anderen Thema erschienen.)





9 Kommentare:

  1. ... mannmannmann,
    ich hab mir das Ticket heute geholt, um endlich mal regelmässig und stressfrei und ohne Mafiatarife im Parkhaus nach Düssi oder Köln zu kommen — und du machst alles kaputt — fahr zur Hölle Negativling!!

    Gruß
    Jens

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    1. Och, ich denke werktags jenseits der Rush hour sollte das nicht so das Problem sein.

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  2. War am vergangenen Wochenende mit der DB (ICE) in München und kann nur bestätigen, was für Leute die Bahn frequentieren. Das System DB ist dabei auch noch marode, alte ICE-Zugmaschinen, Verspätungen, technische Defekte, enge Sitzreihen.

    Im Juni wird das alles kollabieren, denn die Kapazitäten werden nicht ausreichen. Schadenfreude liegt auf der Lauer.

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  3. Das ist belanglose Scheiße. Bist du ein Zwerg etwa?
    Die Stunde ist blau. Die Stunde ist in Gott.
    Alles andere: Kleinkram.

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    1. Entschuldigung, aber wenn du mein Gelalle veröffentlichst, stimmt bei dir etwas nicht.
      Wie dem auch sei: Gott ist.
      (Und das ist gut!)

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  4. ,,, meister pong hat auf der tastatur danebengegriffen und statt b ein p eingegeben, passiert halt öfter am späten abend, wenns stundenlang gegluckert hat ...

    gruss
    jens

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    1. Was immer es war, die Hälfte hätte auch gereicht.

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    2. Eure Witzischkeit ist erderschütternd.
      Live aus dem Blauen Bock:
      Meister Bong
      Hat den größten Schlong.
      (Metaphysisch!)

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  5. Wieso sollten Sammeltransportnutzer gross anders sein, als Individualpanzerfahrer?
    Wer in Deutschland schon mal eine Autobahnparkplatztoilette besucht hat, weiss warum rosa Haut und Ringelschwanz mit den Einwohnern assoziiert werden.

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