Dienstag, 11. April 2023

Ronny des Monats - April 2023


Die monatlichen Ronnys. Natürlich ist wieder vieles vorgefallen, das es nicht unter die vorderen fünf geschafft hat. Zum Beispiel hat uns ein Reichsbürger in Reutlingen daran erinnert, dass er keineswegs ein harmloser Spinner ist. (Den Gang in die Niederungen rechter Alltagsgewalt kann man wie immer hier und hier unternehmen.) Da und dort ist ja zu hören, wenn Rechte in Regierungen eintreten, man möge sie doch jetzt "einfach mal machen lassen". Momentan kann man studieren, was dann passiert. Rechte beschweren sich ja gern über 'Gender-Gaga', 'Sprachpolizei' etc., die Regieung Meloni in Italien plant nun, saftige Strafen zu verhängen, wenn jemand nicht genug Italienisch spricht. Und in Niederösterreich bereitet die neue ÖVP-FPÖ-Regierung ein Gesetz vor, das Wirtshäuser mit einem "traditionellen und regionalen" Angebot subventionieren soll. Man täusche sich da nicht: Alles fängt mal klein an.

Die Top 5:

Platz 5: Autogol
Die von Giorgia Meloni angeführte italienische Regierung plant in schöner Mussolini-Tradition, die Verwendung nicht italienischer, vor allem englischer Wörter unter Strafe zu stellen. "Ämter, Beamte, Lehrer oder Journalisten, die gegen das sprachliche Reinheitsgebot verstoßen, sollen mit 10.000 bis 100.000 Euro Buße bestraft werden." (Quelle) Ich kenne die italienische Rechtslage nicht, aber in Deutschland könnte es schwierig werden, Journalisten, die für privatwirtschaftliche Einrichtungen arbeiten, einen bestimmten Sprachgebrauch jenseits von Beleidigungen mit Strafen zu sanktionieren. Signora Meloni selbst gebrauchte in ihrer Antrittsrede übrigens das Wort 'Underdog', obwohl italienische Alternativen zur Verfügung standen. Zur Kasse bitte!

Platz 4: Heimat im Glück
Wir wissen doch alle: Im Bioladen, da ist die Welt noch in Ordnung. Da verkaufen gute Menschen gute Dinge und alle führen grundsätzlich Gutes im Schilde. Der Hofladen einer Bio-Molkerei in Lilienthal bei Bremen mit dem Namen 'Heimatglück' zum Beispiel wird geleitet vom Gitarristen der Rechtsrock-Band 'Endstufe'.


"Schön ist die Heimat / So man sie hat /
Schön auch der Hering / Besonders der Brat." (Wiglaf Droste)



Platz 3: Meep! Meep!
Die besorgten Hupen von Gadebusch wollen so lange weitermachen, bis die Politik auf sie hört. Na denn mal los! 



Platz 2: Mulier tacet in ecclesia

Nein, liebe brave Bürger, auch vor Kirchen macht das braune Pack nicht mehr halt. Nur so zur Info für die, die sich immer noch sicher fühlen.

Platz 1: Samstags in Neukölln
-- die Frisur sitzt.


Bitte gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen. Es handelt sich lediglich um völlig legitime Kritik an der Politik des Staates Israel, die ja wohl noch erlaubt sein wird in einem freien Land, vorgebracht von ganz normalen Bürgern, deren Sorgen und Nöte man ernst nehmen muss...

Und der Ehrenronny des Monats geht dieses Mal einmal mehr nach Österreich, nämlich ins Bundesland Niederösterreich. Genauer, die neue niederösterreichische Regierung.

In Niederösterreich hat jetzt eine Koalition aus ÖVP und FPÖ ihre Arbeit angetreten, genauer: Die dortigen Konservativen paktieren mit Rechtsextremen. Die Koalition hat sich auf eine 'Wirtshausprämie' geeinigt, um der "Wirtshauskultur" durch die schwere Inflationszeit zu helfen. Voraussetzung für die staatliche Beihilfe soll aber sein, dass der Wirt ein "traditionelles und regionales Speisenangebot aufweist".

Das ist natürlich ein arger Gummiparagraph. Zumal sich die Frage stellt, an welchen Kriterien man eigentlich ein "traditionelles und regionales Speisenangebot" festmachen will. Wiener Schnitzel, wohl das  österreichische Gericht schlechthin, hat eine vergleichsweise kurze Tradition. Wenngleich die Geschichte, dass Feldmarschall Radetzky das Cotoletto alla Milanese aus dem Italienfeldzug quasi importiert haben soll, wohl erfunden ist, lässt sich das Gericht in größerer Verbreitung ab dem 19. Jahrhundert verorten. Ebenso Gulasch, ein anderer Klassiker, der im Lauf des 19. Jahrhunderts aus dem ungarischen Pörkölt adaptiert wurde.

Nun kann man diesen Fällen noch sagen: Ja gut, diese Gerichte mögen vielleicht nicht seit ewigen Urväterzeiten österreichisch sein, aber doch seit vielen Generationen endemisch. Nur, wo fängt 'Tradition' an? Disqualifiziert sich ein Wirt für die Traditionsprämie, wenn er die bei Kindern so beliebten Spaghetti Bolognese auf die Karte nimmt? Oder wenn er die auch in Österreich gern genommenen Pommes frites zum Schnitzel serviert? Traditionalisten pflegen als Beilagen nur Petersilerdäpfel oder Erdäpfelsalat gelten zu lassen.

Was ist mit Pizza? In Deutschland eröffnete die erste Pizzeria 1952 in Würzburg. Über 70 Jahre Tradition. Die allermeisten Deutschen sind mit Pizza quasi zur Welt gekommen. Gut, in Österreich gab es erst 1975 die erste Pizzeria, aber immerhin. Döner Kebab? Der wurde in der heute populären Form, mit Beilagen in aufgeschnittenem Fladenbrot nämlich, Anfang der 1970er erstmals in Berlin vom Spieß gefutzelt. 50 Jahre Tradition. Reicht das? Klar, beim Döner ist der fremdländische Einfluss unverkennbar. Aber der muss ja kein Hindernis sein, wie das Beispiel Gulasch zeigt.

Eine absurde Gespensterdebatte also. Deswegen aber nicht unbedingt harmlos. Die zentrale Frage nämlich -- wie lange muss etwas Teil der österreichischen Küche bzw. Esskultur sein, um 'traditionell' genannt zu werden -- erinnert wohl nicht zufällig an die Nürnberger Rassegesetze.






 

3 Kommentare:

  1. Die Wirtshausprämie wird ganz einfach nur an Wirte verteilt, die ein ÖVP- oder ein FPÖ-Parteibuch haben. Ansonsten gehört zur österreichischen Küche jedes Land, das mal von einem Habsburger regiert wurde, z.B. Burritos und Enchiladas aus Mexiko.

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    1. Also auch die Niederlande zur Zeit Karls V. Freue mich schon drauf, wenn in niederösterreichischen Etablissements Frikandel speciaal auf der Karte steht.

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  2. #5 Vielleicht fehts dabei um Besteuerung des bequemen mittleren Geldsacksegments. Möglich, dass das auf Touristen ausgedehnt wird.

    Oder wer hat, der quasselt, wer nicht hat, hälts Maul.

    #1 Wieso fliegen eigentlich bei jeder innenpolitischen Krise in Israel plötzlich Raketen der Hamas?
    Und warum tragen die Hetzrufer fast alle einen Bart?
    Und democ e.V. schmeckt leider sehr religiös. Gibt es weitere Quellen aus Neukölln?
    Dass allerdings auf Demos zunehmend "tötet" und "Tod allen .." gerufen wird, während per App inm sozialen Netz gestöbert wird, erschreckt schon.

    Peter T

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