Der neue 'Asterix'-Band 'Die weiße Iris' ist mehr als gelungen. Endlich!
Seitdem ich die 'Asterix'-Renaissance hier begleite, bin ich der Meinung, die Geschichte ist nicht das Problem, das Gerede, 'Asterix' sei "ein auserzählter Witz" (Arno Frank) habe ich immer für Blabla gehalten. 'Asterix' hat auch zu Réne Goscinnys Lebzeiten diverse gesellschaftliche Umbrüche verkraftet, eine wilde Zeit wie diese sollte eigentlich genügend Themen liefern. Das Problem trug für mich immer den Namen des Texters Jean-Yves Ferri. Der konnte mit dem ganzen Stoff sichtlich nichts anfangen, verhob sich ein ums andere Mal und machte hanebüchene handwerkliche Schnitzer. Hatte kein Gespür für Timing und Komposition, ihm unterliefen immer wieder derbe Logikfehler (ein aufmerksames Lektorat sollte so was eigentlich im Blick haben und korrigieren).
Mit dem von vorn bis hinten misslungenen Band 'Asterix in Italien' war ein Tiefpunkt erreicht. Auch in der letzten, leidlich gelungenen Folge 'Der Greif' irritierte Ferris finsterer Zynismus , mit dem er römische Legionäre nicht nur verprügeln, sondern sterben ließ, wenn auch nur andeutungsweise.
Und jetzt liegt also Band 40 vor, betitelt 'Die weiße Iris'. Ein neuer Texter ist an Bord: Der Comiczeichner, Autor und Musiker Fabrice Caro, verkürzelt zu Fabcaro.
Man kann, wie Friedrich Küppersbusch, pingelig sein und sagen, das neue Abenteuer sei heillos "übertextet", erschlüge den Leser nur so mit Sprechblasen. Man kann, wenn man mag, die alte Leier wiederholen, 'Asterix' sei seit dem Tod des genialen Goscinny mausetot, alle Versuche, die Serie am Leben zu erhalten, kämen nur dem Versuch gleich, ein totes Pferd zu reiten. Und dazu ein Gesicht machen wie ein Teenager, dessen junggebliebener Vater krampfhaft versucht, ihn für Pink Floyd und die Stones zu begeistern. Ok, Boomer!
Oder man kann, die überwiegend positiven bis hymnischen Rezensionen im Hinterkopf, einfach sagen: Komm, was soll's, du hast vor allem im Laufe der letzten eineinhalb Jahre alle möglichen Leute reichgemacht mit deinem sauer Verdienten, da kommt es auf die mittlerweile acht Euronen für das neue Heft auch nicht an. So tat ich. Trug es nach Hause, begann zu lesen und hatte ein Déjà-vu-Erlebnis. Ich war auf einmal wieder der Zwölfjährige, der sich einst bei der Lektüre eines 'Asterix'-Albums beömmelte, es weglegte, um es nach ein paar Stunden wieder zur Hand zu nehmen, weil ich sicher einige Gags und Anspielungen übersehen hatte, dasselbe am Tag darauf wiederholte, weil ich immer noch was übersehen hatte. Und beschloss, das Heft in ein paar Tagen noch einmal hervorzuholen.
Ich lege mich fest: Der neue 'Asterix'-Band ist ein ganz großer Wurf, Fabcaro ein echter Könner.
Worum geht es?
(Ab hier leichte Spoiler.)
Der aalglatte Arzt Visusversus, der römische Legionen mit seiner Methode 'Die weiße Iris' in Richtung positives Denken coacht, überzeugt Caesar, dies auch bei den unbeugsamen Galliern zu versuchen, denn dann würden sie die Lust verlieren, sich zu wehren. Caesar willigt ein, weil es nach all den Versuchen, das Gallische Dorf unter Kontrolle zu kriegen, darauf jetzt auch nicht mehr ankäme. Im Dorf hat Visusversus bald Erfolg, alle raspeln nur noch Süßholz und sind nur mehr lieb zueinander. Nur bei Asterix, Obelix und Miraculix scheint die Methode nicht recht zu funktionieren. Daraufhin beschließt Visusversius, Majestix' Frau Gutemine zu entführen und nach Lutetia zu locken, um sie Caesar dort als Geisel zu übergeben. Asterix, Obelix und Majestix brechen ebenfalls nach Lutetia auf, wo es zum Showdown kommt.
Gemerkt? Die Story lässt sich in ein paar Sätzen zusammenfassen, ohne dass man irgendwas groß erklären oder ins Detail gehen muss. Schon die kurze, knackige Exposition auf gerade einmal drei Seiten ist besser als alles, was Ferri in den letzten zehn Jahren zuwege gebracht hat. Da stimmt alles, da wird nichts langatmig erklärt, es wird die Stimmung gesetzt, der Leser bekommt alle nötigen Informationen und ahnt bereits, was ihn etwa erwarten wird, ohne dass Spannung verloren ginge.
Ferri scheiterte fast immer daran, seinen Geschichten einen tragfähigen Spannungsbogen zu geben. Also rettete er sich meist in bunte Reisegeschichten, die er mit ein paar Anspielungen und Nebenhandlungen anreicherte, die aber mitunter nicht aufgelöst wurden. Davon ist hier keine Spur. Nie verliert man den Faden, daher ist auch Platz für massenhaft Anspielungen. Den Fabcaro weidlich nutzt. Alles scheint vor Ideen nur zu platzen. Neben dem sauberen Erzählhandwerk ist mit Händen zu greifen, dass Fabcaro Goscinny verstanden hat und dass er ihn verehrt. Das gesamte Heft ist voll mit Anspielungen auf andere 'Asterix'-Abenteuer (deren Kenntnis für das Verständnis der Geschichte aber nicht nötig ist), die aber nie bemüht wirken. So er gibt er auch dem Zaubertrank als zentralem Element der 'Asterix'-Gesamterzählung, vom ignoranten Ferri schnöde zur schädlichen, dick machenden Droge verhohnepiepelt, seine erzählerische Bedeutung zurück.
(Spoiler!)
Ebenso gelungen sind die zahlreichen Parodien, die auf genauer Beobachtung beruhen. Das Coaching- und Achtsamkeitssprech der Motivationstrainer wird ebenso durch den Kakao gezogen (im Interview gab Fabcaro an, für seinen unerschöpflichen Vorrat an Abreißkalendersprüchen Inspiration beim brasilianischen Sinnspruchkönig Paolo Coelho gefunden zu haben - man muss den Mann einfach mögen) wie kunstbeflissenes Großstadtpublikum, Bahnverkehr (der Gag mit dem modernen Thalix geht über eineinhalb Seiten und ist wunderbar ausgearbeitet) und Haute Cuisine. Auch die Wildschweine laufen nicht mehr weg, weil sie von den plötzlich achtsam gewordenen Galliern nicht mehr gejagt werden, was Obelix sagen lässt, das sei ja wie Pilzesammeln. Und Stinkfischhändler Verleihnix verkauft plötzlich - Schockschwerenot! - frischen Fisch, obwohl er sich schon wundert, dass der gar keine Fliegen mehr anzieht.
Und noch etwas: Fabcaro bringt etwas hinein, das Goscinny immer irgendwie vermieden hat: Große Gefühle. Beim Happy End zeigt sich ohne Kitsch und Rührseligkeit: Majestix und Gutemine, das ist, bei allem Gezänk, eine ganz große Liebe. Und das ist wirklich anrührend. Goscinny vermied dergleichen immer oder vebrämte das mit Ironie und Komik (man denke zum Beispiel daran, wie der so unsterblich wie unglücklich in die bardothafte Falbala verknallte Obelix einst als verliebter Depp erschien und damit auch ein wenig vorgeführt wurde).
Auch dem Vorwurf, es handele sich bei 'Die weiße Iris' bloß um eine billige, reaktionäre Persiflage auf aktuelle Wokeness-Debatten, wird souverän begegnet. Als Asterix beim finalen Festbankett den Druiden Miraculix fragt, ob diese Methode jemals funktionieren würde, entgegnet der weise Mann: Momentan nicht, aber in ferner Zukunft einmal, wer weiß. Bingo!
Küppersbusch hat recht: 'Die weiße Iris' erschlägt einen. Mit Ideen und Witz. So sehr, dass man beim Rezensieren bald nicht mehr weiß, wie man aufhören soll, weil einem immer noch was einfällt und entnervt abbricht. Daher seien der Vollständigkeit halber lediglich noch die gewohnt hohe Qualität der Zeichnungen von Didier Conrad hervorgehoben sowie die der deutschen Übersetzung von Klaus Jöken.
Und das Negative? Ja, Idefix spielt quasi keine Rolle. Geht nicht. Unsere Gallier gäbe es gar nicht mehr, wenn der kleine Knochenvertilger sie damals nicht aus dem Labyrinth der Pyramide gerettet hätte. Und das computergenerierte Handlettering geht mir immer noch auf den Keks.
Wer die acht Euronen nicht scheut und keine "Gähn, 'Asterix' ist mausetotes, ödes Boomer-Zeugs"-Blockade im Kopf hat, wird hier belohnt werden. Ich wiederhole mich: Der neue 'Asterix'-Band ist ein ganz großer Wurf. Vielleicht nicht auf dem Niveau der ganz großen alten Klassiker wie 'Asterix bei den Briten', dennoch wären alles andere als fünf Sterne eine Beleidigung. Leider soll Fabcaros Engagement eine einmalige Sache bleiben. Das lässt Schlimmes befürchten. Gebt dem Mann einen dauerhaften Vertrag, beim Teutates!
Ich glaube, ich muß es doch mal ansehen - ich habe es nicht gewagt... Ich liebe die alten Hefte und kann manche Gags auswendig, dazu stammt mein sparsames Latein ausnahmslos aus den Heften.
AntwortenLöschenMein liebster Gag, ach was, EINER meiner liebsten Gags ist natürlich auch aus Asterix und Kleopatra: Wie sagt man "Sprich" auf ägyptisch? Die Version von Numerobis (nach all den Jahren weiß ich noch, wie der heißt!) sauber gezeichnet, die Version von Obelix mit deutlich sichtbarem Akzent. Da könnt ich mich wegschmeißen.
Und daß Minchen und Schnäuzelchen sich zugetan sind, war ja nie zu bezweifeln...
Gut, auf dem Niveau sind wir tatsächlich nicht, aber der Neue ist mMn besser als alles, was Uderzo solo seit 'Der Große Graben' gemacht hat.
Löschen"Als Asterix beim finalen Festbankett den Druiden Miraculix fragt, ob diese Methode jemals funktionieren würde..."
AntwortenLöschenWelche Methode?
Die Methode 'Weiße Iris' (s.o.)
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