"Arendts Analyse ist zeitgebunden, aber was sie insbesondere über die Gruppe der »Elite« zu sagen weiß, die sie neben dem radikalen und gewaltbereiten Mob sowie den bindungslosen Massen als Produkt des Zerfalls der Klassengesellschaft ausmacht, ist erstaunlich aktuell." (Markus Linden)
Wenn Menschen, die es im Leben in mehrfacher Hinsicht nicht leicht hatten und haben, etwa im Hinblick auf soziale Herkunft, Bildung oder berufliche Chancen, sich beduselt und im Chor zu rassistischen, menschenfeindlichen Parolen hinreißen lassen, dann offenbart das gewiss einen Mangel an Herzensbildung und Empathie, kann aber auch ein Ventil sein. Wer sich in prekären Jobs immer einer Reservearmee aus Zuwanderern gegenüber sieht, hat mitunter ein anderes Verhältnis zu Migration als jemand, der einigermaßen abgesichert und privilegiert seine Semmeln verdient bzw. sie gar nicht erst verdienen muss.
Das ist übrigens keine Entwicklung der letzten Jahre, sondern ging schon in den Neunzigern los. Da wurden nach dem Fall des 'Eisernen Vorhangs' hiesige Baustellen quasi komplett von mittel- und osteuropäischen Arbeitern übernommen, die für Dumpinglöhne schufteten und jede Menge Kraftfahrer verloren ihre Jobs, weil massenhaft mittel- und osteuropäische Konkurrenz unter Umgehung aller Lenk- und Pausenzeiten für Hungerlöhne fuhr.
"Wenn deutsche Niedriglöhner mit Zuwanderern um eine bezahlbare Wohnung oder einen Job konkurrieren, gibt es zumindest sozioökonomische Gründe für solche Konflikte, die von Soziologen erforscht sind. Die sind eine Erklärung, keine Legitimation - niemals und unter keinen Umständen. Der Punkt ist aber: Sozioökonomische Gründe gibt es bei euch Sylt-Bonzen nicht." (Maurice Höfgen)
Im Gegenteil. Diese Rich kids, die sicher auf 'gute Schulen' gegangen sind und selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen, zur (künftigen) 'Elite' des Landes zu gehören und dessen Geschicke mitzubestimmen, grölen blöde "Ausländer raus!" und bemerken dabei offenbar folgendes nicht: Dass exakt die Ausländer, die sie so gern los wären, ihnen die Drinks servieren, sie in ihren Hotels bedienen, ihre Wäsche waschen, wahrscheinlich auf sie aufgepasst haben, als sie klein waren, ihren Müll entsorgen, ihren Partydreck wegräumen, ihre Häuser, Appartements und Lofts putzen, ihre Luxuskarossen waschen, ihr Essen kochen, in den Firmen ihrer Eltern arbeiten und auch sonst jede Menge Jobs machen, die nicht nur ihnen das Leben verschönern, sondern diese Volkswirtschaft überhaupt erst am Laufen halten.
Wann haben diese Leute, die sich vermutlich was Besseres dünken, sich zuletzt mit Verstand und offenen Augen in einem durchschnittlichen Krankenhaus umgesehen? In einem Logistikzentrum? Mal darauf geachtet, wer ihnen ihre Briefe und Pakete bringt? Taxis fährt? Sich um Kranke und Pflegebedürftige kümmert? Der parlamentarische Arm dieser klinischen Ignoranz heißt AfD und schwafelt was von 'Remigration'. Und bleibt ebenfalls jegliche Antwort schuldig, wer diese Arbeiten denn dann in Zukunft zu welchen Löhnen erledigen soll. Bei stetig steigendem Arbeitskräfte-, nicht nur Fachkräftemangel.
Sicher, es hat Strafanzeigen gegeben, es wurden mehrere Täter identifiziert und es hat erste Konsequenzen gegeben, darunter Kündigungen. Trotzdem bin ich sicher, dass wir bald Klassenjustiz am Werk sehen werden. "Herr Staatsanwalt, wären Sie einverstanden, wenn mein Mandant eine Zahlung von XXX Euro, eine öffentliche Entschuldigung, die wir hier schon mal vorbereitet haben und einen Besuch in einer nahe gelegenen KZ-Gedenkstätte leistet? Bedenken Sie bitte, mein Mandant bereut das, was er getan hat, aus vollem Herzen. Alle, die ihn kennen, können sich das gar nicht erklären. Er ist doch noch jung. Wollen wir ihm denn jetzt wirklich seine ganze Zukunft verbauen?"
Das Beunruhigende an der Sache ist ja nicht einmal, dass da auf Sylt und im Nobelinternat ein paar geschichtsvergessene besoffene Dödel rumgehitlert haben. Das Problem ist, dass sich hier möglicherweise erneut jenes "zeitweilige Bündnis zwischen Mob und Elite" bildet, das laut Hannah Arendt das Fundament bildet für totalitäre Herrschaft. Prost Mahlzeit!
Ehrlich gefragt: Ist dieses ,,zeitweilige Bündnis zwischen Mob und Elite'' nicht ein Anzeichen für Faschismus?
AntwortenLöschenWobei schon von vornherein klar ist, wer bei diesem ,,Bündnis'' Arbeit, Geld und Knochen hinhalten muss ...
Diesen Rassismus hat es schon lange gegeben. Ob das wirklich Verachtung für andere Ethnizitäten ist, wage ich zu bezweifeln: diese Klientel fühlt sich grundsätzlich (gerade in dieser Lebensphase) allen Anderen überlegen. Die würden auch johlen 'Deutschland den BWLern - Geringverdiener raus', wenn es passen würde oder eingängig wäre.
AntwortenLöschenDas ist einfach eine Überspitzung dessen, was in familiärer Runde auch passiert: latentes 'nach unten treten'.
Überraschend ist lediglich, dass davon bisher nicht mehr medial aufbereitet wurde / werden konnte.
Und ja, die Klassenjustiz werden wir garantiert sehen. Jede Wette.
Insbesondere die Kündigungen werden wahrscheinlich von den Arbeitsgerichten kassiert werden.
AntwortenLöschenKasse machen dann auch die, denen gekündigt wurde.
Tja am Ende bleiben die Kloreinigungskräfte auf dem Schaden sitzen.