Donnerstag, 30. Mai 2024

Freie Leere


Beim Blick auf das, was an der Columbia University und anderswo abging, stellt sich durchaus die eine oder andere Frage. Wie etwa Christan Zaschke sie stellt: "Was wird dort eigentlich gelehrt? Wie kann es sein, dass diese Hochschulen eine Studentenschaft hervorbringen, die derart undifferenziert auf einen der kompliziertesten Konflikte der Gegenwart blickt? Ist es nicht, neben der Vermittlung von Fachwissen, die vordringlichste Aufgabe dieser Lehranstalten, ihren Studentinnen und Studenten beizubringen, wie man analysiert, abwägt und Schlussfolgerungen zieht?"

Gute Frage, aber die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Das ist genau das, "was hinten rauskommt" (Kohl), wenn man Universitäten privatisiert und streng nach Kosten-Nutzen-Analyse auf bloße Effizienz trimmt. Wenn man Bildung zur schnöden Ware, Universitäten zu stromlinienförmigen Dienstleistern eindampft und Studierende zu bloßen Kunden degradiert. Akzeptieren Leute, die bzw. deren Eltern, die mehrere zehntausend Dollar pro Jahr für ein Studium an einer Top-Uni berappen, das zuvörderst ein Asset im Lebenslauf sein soll (und dann erst mal lange nichts), da noch Widerspruch von Profs oder das Nichtbestehen einer Prüfung? Schlechte Zensuren?

Weiterhin ist das exakt das, was man bekommt, wenn man Universitäten zu mehr oder weniger großen Teilen von privaten Geldgebern finanzieren lässt. Zum Beispiel, weil man glaubt, Geisteswissenschaften seien mehr so nette Hobbys für welche, für die es für ein 'richtiges', 'hartes', will heißen ein MINT-Fach oder wenigstens ein direkt verwertbares wie Ökonomie nicht gereicht hat und daher nicht wirklich relevant. Sind sie aber durchaus. Lobbyisten und politische Aktivisten haben das im Gegensatz zu neoliberalen Politikern und Ökonomen sehr genau begriffen. Und finanzieren fleißig Lehrstühle. An denen dann jene ausgebildet werden, die man einst 'Meinungsbildner' nannte. Journalist:innen, Thinktankbewohner:innen, Content Creators etc.

Wieso, könnte man, in Anlehnung an die Eingangsfrage weiter fragen, ist wohl das Emirat Katar seit Jahren zum mit Abstand größten Geldgeber US-amerikanischer Elite-Universitäten aufgestiegen? Ist, nebenbei, dasselbe Emirat, das die Hamas-Eliten beherbergt und üppig versorgt.) Glaubt jemand ernsthaft, die Emire gäben die Milliarden Petrodollars aus reinem Altruismus und würden niemals irgendeine Gegenleistung erwarten für ihre Zuwendungen?

Natürlich sind auch rein staatlich finanzierte Unis nicht frei von Einflussnahme, das anzunehmen wäre töricht. Aber eine staatliche Finanzierung ist gesetzlich geregelt und es kann bei unangemessener Einflussnahme notfalls geklagt werden. Gewiss, das mag aufgrund herrschender Machtstrukturen nicht immer so funktionieren wie es sollte und lädt auch zu Korruption und Kungelei an. Bei privatem Sponsoring hat man hingegen überhaupt keine Möglichkeiten, sich zu wehren. Fühlt ein generöser Großspender sich auf den Schlips getreten oder hält das Treiben an seinem Lehrstuhl für unangemessen, zieht er seine Kohle ab und aus die Maus.

Daher hat auch die AfD den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Feindbild erklärt und würde ihn am liebsten abschaffen. Nun gibt es an den Öffentlich-Rechtlichen gewiss etliches zu kritisieren. Privat finanzierte Medien sind deswegen aber noch lange nicht 'frei', sondern eröffnen noch ganz andere Perspektiven in Sachen Manipulation, wie das Beispiel FOX News in den USA zeigt. Wenn Akteure wie die AfD behaupten, die Abschaffung des ÖRR im Dienste der 'Freiheit' zu betreiben, dann meinen sie vor allem die Freiheit milliardenschwerer Geldgeber zur ungehemmten Propaganda ohne lästige Staatsverträge und Satzungen.

Wie aber erklärt man die Situation an deutschen Unis? Hierzulande sind Studiengebühren kein Thema, die Kosten fürs Studium selbst eher moderat. Auch ist der private Anteil an der Finanzierung der Universitäten längst nicht so hoch wie in den USA. Hierzu kann man sagen, dass die Proteste an hiesigen Unis, von Ausnahmen und Hotspots abgesehen, wohl insgesamt weniger militant waren. Sie erschreckende Ignoranz und Einseitigkeit vieler der Demonstrierenden lässt sich auch so erklären: Wer Studiengänge verschlankt und strafft, sodass die zentrale Frage nicht mehr lautet: "Wie bringt mich das weiter?" oder „Was mache ich jetzt mit diesen neuen Erkenntnissen?", sondern: "Ist das klausurrelevant?", bekommt am Ende auch verschlanktes und gestrafftes Denken.









3 Kommentare:

  1. Der Sohn eines meiner besten Freunde hat vor einem Jahr sein Studium (Politikwissenschaften) in Potsdam abgeschlossen, ich hab das ein bisschen beobachtet. Das war ein stramm durchgetakteter Schulbetrieb mit ständigem Klausurenschreiben, mit dem Studieren in früheren Zeiten hat das nichts mehr zu tun. Das mag gewisse Vorteile haben, das hat sicherlich auch jede Menge Nachteile. Unabhängiges Denken fördert man auf diese Weise nicht.

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  2. Ich habe vor dreißig Jahren am OSI / FUB Politikwissenschaft studiert. Schon damals gab es verblendete Ideologen, die von einer marxistischen oder maoistischen Revolution gefaselt haben. Solche Leute findest du v.a. in sozialwissenschaftlichen Studiengängen, aber nur selten bei den Naturwissenschaftlern. Daher ist es, wie auch im Internet, eine kleine, aber sehr laute Minderheit. In solchen Kleingruppen schaukelt sich der Radikalismus gerne hoch, Widerspruch ist zwecklos.

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    1. Das ist eben das Problem. Mit der Freiheit in solchen Studiengängen konnten nicht eben alle umgehen und sie waren nicht selten eine Einladung an Panneköppe aller Art.
      @Chris: Als jemand, der einen Teil der Neunziger an Unis verbracht hat, erinnere ich mich noch gut, wie die bequeme Konsumhaltung vieler Kommilitonen mir auf den Zeiger gegangen ist. Da denke ich manchmal: Sie haben bekommen,was sie wollten.

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