Samstag, 1. Juni 2024

Heavy Metal Football


Ich frage mich ja immer wieder, was in den Marketingabteilungen diverser deutscher Unternehmen so vor sich geht und welche Arzneien dort gereicht werden. Bei der Firma Rheinmetall ist man sich vielleicht sogar bewusst, als Waffenhersteller nicht so den allersupersten Ruf in der deutschen Öffentlichkeit zu genießen. Waffenschmieden gelten nicht wenigen als amoralische Mordors, die mit dem Töten von Menschen Geld scheffeln. Verständlich, dass die was an ihrem Image ändern wollen. Aber wie kommen die dann auf die Idee, ausgerechnet nächster Hauptsponsor von Borussia Dortmund werden zu müssen und damit einen größeren Teil der Fans in Gewissenskonflikte zu stürzen?

(Von dem unsäglichen Gekrampfe des BVB mit "Taking responsibility" und einen Sponsorendeal als Beitrag zum Diskurs zu verschwurbeln, wollen wir gar nicht erst anfangen. Blutdruck, Sie verstehen.)


Wenn man wenigstens noch sagen könnte: Schwarzgelb, hey, das passt ja von den Farben her irgendwie voll zu Leopard. Nur wird der nicht von Rheinmetall gebaut, sondern von KraussMaffei-Wegmann. Rheinmetall liefert nur die Kanone. Wie dem auch sei, wenn das eine der ersten strategischen Entscheidungen ist, die Watzke-Nachfolger Lars Ricken mitzuverantworten hat, dann gute Nacht.

Ja, sicher, die Welt ist leider kein friedlicher Ort und sie würde auch kein bisschen friedlicher, wenn niemand in Deutschland ab morgen noch eine einzige Waffe mehr produzierte. Dann sprängen halt andere in die Bresche. Die Welt wird auch nicht aufhören, Kriege zu führen, bloß weil Deutschland Krieg führen doof findet und damit fremdelt. Im Gegenteil. Trotzdem herrschte in West-, später Gesamtdeutschland (DDR kann ich nicht beurteilen, Sponsoring wird da wohl keine Rolle gespielt haben) seit dem zweiten Weltkrieg ein informeller Konsens, dass bestimmte Branchen im Sport nichts zu suchen haben. Weil Sport immer für sich in Anspruch nahm und nimmt, mehr als bloßes Business zu sein, sondern auch dem Frieden und der Völkerverständigung zu dienen. Militär durfte nur mitmischen, indem ein Bundeswehr-Musikkorps die Nationalhymnen dudelte oder Sportsoldaten alimentiert werden. 

Dass der BVB hier ein Tabu gebrochen hat, ist wohl auch eine Form von Zeitenwende. Der Zeitpunkt des Weggangs von Mats Hummels und Marco Reus mag zufällig gerade jetzt erfolgen, passt aber.

Also, was glauben die? Dass die Fans dann sagen: "Ja, okay, die bauen Kanonen und Panzer und anderes Gerät, mit dem auf der ganzen Welt Kriege geführt werden. Aber jetzt, wo sie meinen geliebten BVB sponsorn, find ich die plötzlich gar nicht mehr so übel.", oder was? Das hat ja schon hervorragend mit Signal Iduna funktioniert. Das haben ja auch massenhaft Leute gesagt: "Hey, bis jetzt war das für mich bloß irgend so eine öde Versicherungsklitsche, aber jetzt, wo das Westfalenstadion 'Signal Iduna-Park' heißt, find ich die irgendwie ganz dufte." 

Und, was soll man jetzt tun als treuer BVB-Fan seit dem Pokaltriumph von 1989, der schon dieses Brinkhoff's No. 1 nicht recht durch den Rachen kriegt? Fan des FC St. Pauli werden, wäre noch eine Möglichkeit. Oder vom VfL Bochum. Ist eh näher. Außerdem so klein, dass die in nächster Zeit wohl nicht mit Heckler & Koch o.ä. auf dem Trikot ankommen. (Faber Lotto war damals schlimm genug.) Aber Fiege Pils ist auch nicht viel besser. Werde ich dennoch das Champions League-Finale anschauen? Ja, werde ich wohl.










11 Kommentare:

  1. Ich höre schon die BVB-Fans bei der Anreise grölen: "Nach Wembley fahren wir nur auf Ketten." :o)))

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  2. "Aber Fiege Pils ist auch nicht viel besser"
    ... wieso das denn? ich (als nicht Ruhrgebietes) dachte, dass Fiege so eine klassische, inhabergeführte "Ruhrpott-Brauerei" ist.
    Es gab doch diesen Begriff "Fiegehäuschen.

    Gruß
    Jens

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    1. Fiege ist so ein bisschen wie Köpi (ebenfalls inhabergeführt): Entweder man hasst es oder man liebt es. Ist natürlich auch eine Qualität, auch wenn ich mich zu ersteren zähle.
      @Bonetti: So lange sie nicht das Panzerlied singen...

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    2. Ups, ich muss mich korrigieren: Die König-Brauerei gehörte von 2000 an zu Holsten und gehört seit 2007 zur Bitburger-Gruppe. Passiert halt, wenn die Redaktion frei hat und im Freibad lümmelt.

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    3. Dann oute ich mich mal als Fiege-Möger (auch wenn ich das ja nicht mehr trinken kann). Meine Beobachtung: Gerade die Menschen aus der sauerländischen Heimat, welche ja nur Pils mit Bitterhopfen kennen, sind regelmäßig entsetzt, dass Hopfen auch einen eigenen Geschmack haben kann. Ich finde es schön, dass es im Ruhrgebiet zwei Brauereien gibt (Fiege und Stauder), die auch Aromahopfen verwenden.

      Zum Thema Rheinmetall und BVB (darum ging es ja auch irgendwie am Rande): Volle Zustimmung! Ich weiß nicht, was die da geritten hat.

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  3. Siewurdengelesen1. Juni 2024 um 18:30

    So ist das eben mit dem Fördern und Sponsern, wenn Sport in ertser Linie Geschäft ist und die Sportler lebende Reklamewände. Wie sähen eigentlich die oberen Ligen oder besser Vereine ohne diesen "finanziellen Background" aus?

    Und ist es in diesem Atemzug nicht schon traurig genug in einem so "reichen Land" wie der Bundesrepublik, dass Nachwuchsförderung und Athleten ohne dieses noch schlechter wären? Immerhin oder leider je nach Sichtweise sind ja viele gute Sportler nur deshalb so erfolgreich, weil sie als Polizei- und Bundeswehrangehörige keine Probleme haben, Beruf und Sport zu verbinden und vom Brötchengeber noch dafür unterstützt werden, auch wenn es siehe Claudia Pechstein manchmal merkwürdige Blüten treibt...

    ... sad but true.

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    1. Man kann noch darauf verweisen, dass andere auch nicht besser sind.

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    2. Siewurdengelesen2. Juni 2024 um 16:15

      Gibt es überhaupt eine halbwegs populäre Sportart, die nicht "verseucht" ist? Das Fiese daran ist vielleicht auch, dass die Vereine kaum eine Alternative haben dürften und je größer das Budget, um so abhängiger sind sie. Schon an diesem Punkt ist Sport doch nur Nebensache. Schaut man sich die Unternehmenslandschaft an, wird es kaum Firmen ab einer bestimmten Größe geben, die nicht irgendwie auch für Militär oder Waffen produzieren. Rheinmetall ist halt nur sehr plakativ vertreten in diesem lukrativen Geschäft.
      Meine Sicht der Dinge ist ja, dass wie an Schulen irgendwelche Uniformen absolut nichts zu suchen haben. Die sollen sich ihr Kanonenfutter suchen, wo sie wollen. Dasselbe trifft auf Sport und Vereine zu. So teile ich auch den Punkt nur bedingt, dass ein Verzicht einer Firma nur das Geschäft einer anderen ist. Der Aspekt ist freilich auch richtig, dass die sich ihr Zeug egal woher holen, die ballern wollen. Da hülfe es aber trotzdem, wenn die Auswahl derer kleiner ist, die liefern. Da bin ich sicher auch noch aus der Zeit in der DDR, die von frühester Zeit an in der Schule auch unterbewusst stark militärisch geprägt war.

      Wenn ich andererseits Pistorius und Konsorten so sehe, finde ich auch viele Parallelen und das vorher eher ebenfalls verdeckt Ablaufende nimmt zu, seit der Krieg in der Ukraine begonnen hat. Sollte es tatsächlich zu einem offenen Konflikt NATO/Russland kommen, sind vermutlich Sponsoren und Sport überhaupt unsere kleinsten Sorgen. Dann gilt wieder John Heartfields Krieg und Leichen - Die letzte Hoffnung der Reichen.

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  4. > Ich frage mich ja immer wieder, was in den Marketingabteilungen diverser deutscher Unternehmen so vor sich geht und welche Arzneien dort gereicht werden.

    Antwort: Kokain

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  5. @Flusskiesel:
    "Ich weiß nicht, was die da geritten hat."
    Evtl. die mittel- bis langfristige Perspektive eines finanziell abgesicherten Sponsoring-Vertrags.
    (Der Laden wird die nächsten zig Jahre gut zu tun haben. Der Laden wird nicht an die Chinesen oder die Araber verkauft etc.)
    Dazu der voraussichtliche Gewöhnungseffekt und die Vergesslichkeit der Gesellschaft: "ach ja, Rheinmetall ... machen die nicht irgendwas mit Maschinen?"

    Gruß
    Jens

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    1. Dass der BVB die Kohle mitnimmt, kann ich ja noch nachvollziehen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass in Sachen Rüstungswirtschaft eine Gewöhnung eintritt, denn gerade Rheinmetall ist ja nun gerade in erster Linie eine Waffenschmiede. Man kennt ja wirklich nicht für ihren Maschinenbau- oder Automobilzuliefererteil (habe ich sogar extra nachgucken müssen). Bei Diehl ist es z.B. ja anders.

      Ich glaube, Waffenindustrie war noch nie eine ,,normale'' Industrie, genau wie der Soldatenberuf niemals ein ,,normaler'' Beruf sein wird.

      Wie immer wird sich der Staub der Aufregung irgendwann legen und wir werden sehen, wie es sich entwickelt.

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