Dienstag, 23. Juli 2024

Schöner Döner


Irgendwie scheint heuer das Jahr des Döners angebrochen zu sein, der mit gewürztem Schnetzelfleisch, Salat und mit alles und scharf gefüllte Fladen zur Schicksalsspeise der Deutschen sich zu mausern. Dem Bundespräsidenten fiel letztens nix besseres ein als zum Staatsbesuch in der Türkei allen Ernstes einen Dönerspieß anzuschleppen. Die CDU Heilbronn wollte um des Stadtbildes willen die Dichte an Dönerläden begrenzen und die SPD als Wahlkampfgag eine Dönerpreisbremse bei drei Euro einführen. Die Linke forderte 4,50 Euro. Jetzt bin ich alles andere als ein Marktradikaler und habe keine Probleme mit Regulierungen oder auch mit Eingriffen in den Markt, wenn es spürbaren Nutzen bringt. Aber hier so: Wie bitte?

Den Heilbronner Unionisten ging es also um das Stadtbild. Soso. Als jemand, der in einer Region mit einer sehr hohen Dichte nach dem Krieg hässlich wiederaufgebauter und in den Siebzigern noch einmal verschlimmerter Innenstädte siedelt, sag ich mal so: Wenn man bei der Union früher auch schon so auf Zack gewesen wäre mit der Sorge ums Stadtbild, dann wären uns unzählige Bausünden wie mit Hortenkacheln verkleidete Warenhäuser erspart geblieben.

Kleine Lernfrage: Warum gibt es eigentlich so viele Dönerbuden in Deutschland? Weil orientalische Claninvasoren sich klandestin gegen Schnitzel, Bratwurst und Schweinebraten verschworen haben? Nein. Es gibt sie erstens, weil wir Gewerbefreiheit haben und weil deren Hauptprodukt immer noch das beliebteste Fastfood im Lande ist, dem großen Angebot also offenbar auch eine entsprechende Nachfrage gegenübersteht. Und zweitens gibt es sie, weil in diesen Läden oft in einer Weise gerackert wird, die die meisten Deutschen sich verbitten würden. Ach so, noch eine Frage: Wer soll eigentlich profitieren von der Dönerladenreguliererei? Der x-te Eineuroshop? Nanu-Nana? Subway? Mäckes? Oder doch kleine, schnuckelige, von deutschen Inhabern geführte Gastronomie a'la 'Didi‘s Schnitzel-Stübchen'? Viel Glück beim Suchen.

Viele Dönerbuden funktionieren nur, weil Arbeit dort nicht gerecht entlohnt wird. Die Kosten des Faktors Arbeit werden gedrückt, indem vieles von der Familie gegen allenfalls kleine Zuwendungen in bar erledigt wird, was dann auch nirgendwo in den Büchern auftaucht. War früher in den Siebzigern und Achtzigern hier im Gasthof am Markt übrigens nicht viel anders (habe da Insiderwissen). Der tägliche günstige Mittagstisch ging nur, weil die Seniorchefin bis kurz vor ihrem Tod jeden Tag für Gotteslohn die Küchenhilfe gemacht hat. Morgens stundenlang Kartoffeln geschält, Gemüse geputzt und im Erbsensuppentopf gerührt hat. Ihre sensationellen Frikadellen für eine Mark fünfzig das Stück waren nur realisierbar, weil ihr Bruder Metzger war, er unter dem Radar großzügige Naturalrabatte in Form von Dreingaben spendierte und das Finanzamt von der Hälfte der leckeren Bremsklötze nichts erfuhr.

Umgekehrt bedeutet das: Eine Gastronomie, in der alle gut verdienen und Arbeitszeiten immer eingehalten werden, muss zwangsläufig teurer sein als viele bereit oder in der Lage sind zu akzeptieren. Billig geht nur auf Kosten der Qualität, der Legalität und auf dem Rücken derer, die dort arbeiten. Und mit Masse natürlich.

Was die Preispolitik angeht, verstehe ich die Leute sowieso nicht: Ein großes Bier in der Kneipe gibt es hier kaum mehr unter 4,50 Euro. Kaum eine Pizza ist heute noch unter neun, zehn Euro zu haben. Was in der Regel auch ohne Murren berappt wird. Wenn aber ein Döner, dessen Wareneinsatz deutlich höher ist, sechs, sieben Euro kostet, dann brennen die Barrikaden. Warum? Weil Ali gefälligst immer schön billig Döner machen muss? Und sich nicht so anstellen soll wegen Mindestlohn?

Ferner könnte man ja, erst recht wenn man die SPD ist, eventuell auch auf die Idee kommen, dass nicht die Dönerpreise das Problem sind, sondern die Tatsache, dass Löhne und Gehälter nicht Schritt halten mit der Preisentwicklung. Dass der Döner vielleicht gar nicht zu teuer ist, sondern bisher viel zu billig war. Aber das wäre wohl zu viel verlangt.







5 Kommentare:

  1. Musste tatsächlich meine eigene Meinung nochmals überdenken.

    AntwortenLöschen
  2. Ich behaupte mal, dass die Politisierung der Dönerei auch eine rassistische Komponente hat:
    https://tinyurl.com/4y598zzf

    AntwortenLöschen
  3. ... Currywurst, Pommes, Mayo: ca. 6 Euro.
    Salamipizza 26 cm beim Bringdienst: 9,30 Euro.

    Abgesehen davon unterschreibe ich alle(!) vom Foristen getroffenen Aussagen (bei den Kneipenfrikadellen war (übrigens gefühlt) mehr Brötchen drin)

    Gruß
    Jens

    AntwortenLöschen
  4. wenn ich sehe,wie es bei meinem Chinesen des Vertrauens zu geht,dann weiß man,warum das all you can eat Büffet bei denen so günstig ist.Da muss die ganze Familie als billige Arbeitskraft herhalten.Aber das ist in allen Familienbetrieben so.Ob Gastronomie,Bauernhöfe oder Tante Emma Läden.Selbst in Versicherungsbetrieben geht abends dann die Mutter den Laden wischen.Und in Familien ist die Care Arbeit Frauensache.Und solange sich keiner wehrt und jeder stolz auf kostenlose Überstunden ist,wird sich nichts ändern

    AntwortenLöschen

Mit dem Absenden eines Kommentars stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zu. Zu statistischen Zwecken und um Missbrauch zu verhindern, speichert diese Webseite Name, E-Mail, Kommentar sowie IP-Adresse und Timestamp des Kommentars. Der Kommentar lässt sich später jederzeit wieder löschen. Näheres dazu ist unter 'Datenschutzerklärung' nachzulesen. Darüber hinaus gelten die Datenschutzbestimmungen von Google LLC.