Samstag, 17. August 2024

Auf Reisen (14)


Corvey

Die 840 gegründete Abtei Corvey bei Höxter war eine der reichsten Abteien im Heiligen Römischen Reich und der Abt gehörte zu den Reichsfürsten. Das karolingische Westwerk der Abteikirche hat die Zeiten weitgehend im Originalzustand von 870 überdauert. Der Innenraum und die Kaiserkirche im Obergeschoss wirken nicht besonders spektakulär, aber man sollte sich vorstellen, dass im 9. Jahrhundert die allerwenigsten Menschen in dieser frisch zwangschristianisierten Gegend, in der es, anders als hinter dem ehemaligen Limes, keinerlei römische Bauwerke gab, jemals in ihrem Leben einen Steinbau gesehen haben, erst recht keinen mehrgeschossigen. Denen muss diese Kirche wie das achte Weltwunder vorgekommen sein.


Im Langhaus hingegen barockt es gar heftig.


Der Reichtum Corveys wurde diskret versteckt...
 


Warburg

Die alte Hansestadt Warburg hat einen der schönsten historischen Stadtkerne, die ich bisher gesehen habe. (Genau genommen sind es zwei: Alt- und Neustadt.) Fachwerk, mittelalterliche Stadtbefestigung, Fotomotive wie in Rothenburg ob der Tauber, nur ohne Massentourismus und Wohlfahrts Weihnachtsbedarf. Bliss! Leider scheint das auch eine der totesten Innenstädte Deutschlands zu sein. Nirgends ein paar Stühle draußen, nicht ein Hauch urbanen Lebens, weder auf dem pittoresken Neustadtmarkt noch in den umliegenden Straßen. Man hört förmlich die Grillen zirpen und sieht die trockenen Büsche durch die Straßen wehen. Deprimierend. Mag vielleicht daran liegen, dass man konsequent alle Einkaufsmöglichkeiten gnadenlos aus der Altstadt raushält. Ich bin nun wirklich kein Fan davon, Innenstädte zu bloßen Einkaufsmeilen zu degradieren. Aber nicht mal ein Straßencafé? Und wenn’s ein Bäcker ist? Oder ich war nur zur falschen Zeit da.
 



Hat jemand mal Feuer?



Auf in den Norden! Wilhelmshaven und Bremen

Heuer fest eingeplant: Marinemuseum Wilhelmshaven. Am Jadebusen ließ die Hundstage-Hitze sich dank Seebrise gut aushalten. Mein Fazit nach der Besichtigung und Begehung des Zerstörers 'Mölders', des Schnellboots 'Gepard' und von U 10: Mit 18-20 Jahren wäre ich für so ein klaustrophobisches Vegetieren mit viel zu vielen Menschen auf viel zu engem Raum ohne jede Privatsphäre eventuell noch zu gewinnen gewesen. So von wegen Gemeinschaftsgeist und Pfadfinderlagerspirit und so. Mittlerweile bin ich immer sehr dankbar, wenn auch die liebsten Gäste der Welt sich spätestens gegen Mitternacht zum Aufbruch rüsten und ich wieder meine Ruhe habe.



Hallo, Echo! Hallo, Otto!



Büchlers beste Bohne, Böttcherstraße Bremen: Hervorragender Kaffee!



Panzermuseum Munster

Um meine Durchmilitarisierung komplett zu machen, ging es noch ins Panzermuseum Munster. Und das war mal eine sehr interessante, aber zwiespältige Erfahrung. Neugierig war ich schon wegen der exzellenten Arbeit des wissenschaftlichen Direktors Ralf Raths und wollte mir das mal anschauen. Zumal Munster von meinem Quartier aus gut erreichbar war.

Eine riesige Sammlung, der Laden ist sehr gut besucht und Fotos machen, ohne dass jemand im Bild steht, kann man quasi vergessen (mir ist das, wie zu bestaunen ist, ein paar Mal gelungen). Die Dauerausstellung ist chronologisch aufgebaut und hat den Titel 'Das Jahrhundert des Panzers'. Es wird zunächst die Herkunft des Wortes 'Panzer' erklärt und die ersten Modelle sind ausgestellt, so ein Nachbau des deutschen 'Sturmpanzerwagens' A7V aus dem ersten Weltkrieg. Dann geht es weiter über die Zwischenkriegszeit zum zweiten Weltkrieg, danach zum Kalten Krieg in die Gegenwart. Modernstes Exponat ist ein Schützenpanzer 'Puma' der Bundeswehr.  

Irgendwelche Gefühle beim Anblick der ausgestellten Metallwaren überkamen mich nicht. Keine Faszination, kein Horror, nichts. Eher hier und da ein gewisses Erstaunen. Etwa darüber, dass die frühen Panzer der Wehrmacht mitnichten imposante Riesenkolosse waren, sondern eher Kleingeräte. Die bis Ende 1941 unaufhaltsam durch Europa rollten. Klar wusste ich das, aber das in Natura zu sehen, ist noch einmal was anderes.

An der inhaltlichen Aufbereitung gibt es, wie erwartet, wenig zu meckern. Alle Erklärungen sind, so weit ich das beurteilen kann, historisch fundiert, jegliche Glorifizierung wird vermieden. Kriegsverbrechen mit Panzern werden ebensowenig ausgespart wie die Rolle, die sie im Holocaust spielen. Thematisiert wird auch die psychische Belastung von Panzerbesatzungen, die noch heute permanent mit der Gefahr leben müssen, in einem rollenden Sarg ("Angstraum") bei lebendigem Leib zu verbrennen, und, wenn nicht gekämpft wird, ihren Panzer instand halten müssen. Auch werden Besucher:innen an mehreren Stellen eingeladen, ihre Gedanken und Gefühle auf Postkarten zu schreiben und anzupinnen, wovon auch Gebrauch gemacht wird.

Aber: Die begleitende Dokumentation hat keine Chance gegen die schiere Masse und die Wucht der Exponate. Geht unter. Kaum jemand liest das. Viele kommen aus dem westlichen und östlichen Ausland, viele Familien sind dort, ehemalige Soldaten und vor allem Erklär-Papas und Schlaubi-Ulfs, die ihrem Nachwuchs bzw. ihren mehr oder minder begeisterten Begleiterinnen hingerissen mansplainen, wie das so läuft mit den Panzern und was Rommel damals falsch gemacht hat in Afrika. Dafür kann das Museum nichts. So bleibt, wie gesagt, trotz allem ein Zwiespalt am Ende. Vielleicht auch gar nicht schlecht, mit mehr Fragen als Antworten zu gehen.




Wieso aber der israelische 'Merkava', der während der letzten Jahrzehnte im Nahostkonflikt eine zentrale, gern auch kritisch zu betrachtende Rolle spielt(e), nicht in der Gegenwartsausstellung sondern bloß in einer Ecke des Schaudepots steht, erschloss sich mir dann wirklich nicht. 









2 Kommentare:

  1. Die Sache mit dem Merkava habe ich auch nicht verstanden. Früher konnte man IIRC sogar hineinklettern (ich nicht, dafür bin ich zu dick). Der Merkava ist ja recht geräumig.

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  2. Siewurdengelesen19. August 2024 um 19:03

    Die alten Gemäuer und das Fachwerkidyll sind schön - hat was!

    Beim Militärschrott ist es halt immer so, dass manche ein feuchtes Knie bekommen und manche auch etwas mehr. Meist ist das auch die einschlägige Richtung, die nur die 12 Jahre tausendjähriges Reich kennen. Mit den späten Siegerkriegern ist es halt wie beim Fussball mit den 80 Millionen Schiris. Die wollen wenigstens gefühlt den Endsieg haben.

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