Mittwoch, 6. November 2024

Als Farce, hoffentlich

 
"Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce." (Marx)

Ich verstehe die ganzen Unkenrufer nicht. Es hat doch nur Vorteile für die Menschheit, dass Trump gewonnen hat:

  • Wir sind ist gerettet, weil Trump den Klimawandel offiziell zur Lüge erklärt.
  • Fantastilliarden Arbeitsplätze entstehen durch Ölförderung, Fracking, Kohlebergbau etc.
  • Trump schafft durch geniale 'Deals' mit großartigen, weisen Führern wie Putin, Xi, Kim, Orbán, Lukaschenko etc. alle Streitigkeiten ab. Der Weltfrieden ist da!
  • Wokistan ist geschleift, der Gender- und Papierstrohhalm-Terror hat endlich ein Ende. Niemand kann mir mehr mein Schnitzel verbieten, yäy!
  • Milliarden ungeborener Kinder sind gerettet, Halleluja!
  • Die Islamisten zittern wegen Trumps tief verwurzelter christlicher Wertehaltung.

Ironie off. Natürlich will ich nicht der Onkel sein, der immer schon alles gewusst hat. Aber schon in den 1990ern, als Neonazis verstärkt wieder ihr Haupt erhoben, keimte bei mir diese damals noch recht vage und eher hypothetische Befürchtung: Was, wenn einmal die letzten Vertreter:innen jener Generation abtreten werden, die Weltkrieg und Faschismus und die Folgen selbst erlebt hat, die letzten Shoah-Überlebenden verstummen? Wie lange wird es dauertn, bis die Erinnerung an 1945 verblassen und Faschismus wieder cool würde? Dass es so schnell gehen würde, habe ich nicht gedacht. 

"Donald Trump, der verurteilte Straftäter, der Kandidat, der entweder wirres Zeug von sich gibt oder persönliche Beleidigungen, wilde Drohungen, frauenfeindliche Unmöglichkeiten oder rassistische Ausfälle; Trump, dessen wirtschaftliche Vorschläge samt Massendeportationen, falls umgesetzt, die USA in eine tiefe ökonomische und menschenrechtliche Krise stürzen würden; Trump, dessen Verachtung für demokratische Regeln spätestens seit dem 6. Januar 2021 niemandem verborgen bleiben konnte [...].

Und im Hintergrund warten die Drahtzieher vom »Project 2025« mit ihrer Agenda, die US-amerikanischen Institutionen vom politisch neutralen Regierungsapparat zum hörigen Machtinstrument umzubauen und damit auf Jahre hinaus alles zu zerstören, was die -- weiß Gott unvollkommene -- US-amerikanische Demokratie eigentlich auszeichnet." (Bernd Pickert)

Und wer jetzt sagt, hey, what could possilby go wrong? -- 2016-2020 ist die Welt schließlich auch nicht untergegangen, haha, sollte vielleicht zur Kenntnis nehmen, dass es da einen klitzekleinen Unterschied gibt zu 2016:

Trump II hat als erster US-Präsident mit dem Weißen Haus (Exekutive), dem Senat (Legislative) plus einem willfährigen Supreme Court (Jurisdiktion), der ihm bereits Carte blanche für alles erteilt hat, alle Mittel zur Verfügung, die Gewaltenteilung aufzuheben und tatsächlich autokratisch durchzuregieren. Würde Trump beschließen, auf Lebenszeit Präsident bleiben zu wollen, keine Wahlen mehr abzuhalten und das Amt seinem Sohn zu vererben oder einem Adoptivsohn wie Elon Musk, könnte er das tun, denn eine Klage beim Supreme Court müsste, wenn man dessen eigene Rechtsprechung ernst nimmt, scheitern.

Das, was andere Rechte wie Orbán und Kaczynski nach ihrem Machtantritt erst mühsam ins Werk setzen mussten, vor allem das Verfassungsgericht zu schwächen oder auf Linie zu bringen nämlich, und auch sonst die Gewaltenteilung aufzuweichen, ist in den USA also bereits geschehen. Das pudelige Verhalten vieler großer Medien weist zudem darauf hin, dass auch auf freie Medien, die zu Zeiten eines George W. Bush noch ihrer Wächterrolle gerecht wurden, kein Verlass mehr sein dürfte. Das Bett ist gemacht. Trump muss nur noch loslegen. 

Und das wird er. Zur Erinnerung: Faschisten kündigen immer genau an, was sie machen werden und streuen niemandem Sand in die Augen. Und sie brauchen im Zweifel nur eine Wahl zu gewinnen. Das ist jetzt eingetreten. Und niemand kann sagen, uns Europäer ginge das nichts an.

"Aus deutscher und europäischer Sicht absehbar passé ist mit dieser Wahl aber Amerikas Rolle als Anker und Partner. Europa findet sich heute zum ersten Mal seit den Dreißigerjahren in einer Lage wieder, in der es völlig auf sich allein gestellt ist. Man muss kein Historiker sein, um zu sagen: Prost Mahlzeit. [...] Amerikas Wähler haben aus dem weltgeschichtlichen Airbag Europas die letzte Luft herausgelassen, die Geschäftsgrundlage namens Pax Americana entfällt (auch wenn die Strukturen unter Trump gegen entsprechenden Obolus vielleicht noch etwas bestehen bleiben)." (Richard Volkmann)

Zur Ursachenforschung: Nancy Fraser, immer noch gültig.
Greg Palast (Dank an Fefe):


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"Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!" (Brecht)






6 Kommentare:

  1. Noch ein Punkt: Seine zweite ist seine letzte Amtszeit (falls er die Verfassung nicht außer Kraft setzt). Er muss auf nichts mehr Rücksicht nehmen. Daher kam der Republikanische Partei, die ihn als Kandidaten nominiert hat, in seiner Siegesrede schon gar nicht mehr vor.

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    1. Das war übrigens von mir. Das Internet wird immer schneller ...

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    2. Streng genommen ist das ja jetzt seine dritte Amtszeit. Denn Biden hat ja geschummelt, das zählte nicht. Trump hat das Wahlergebnis nie anerkannt und sich immer noch mit Mr. President anreden lassen.

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  2. Mein Mitleid mit den "Händeringenden" hält sich in Grenzen. Wenn da ein Wahl-Volk auf so etwas mehrheitlich steht — was solls. Der winselnde Rest der Welt muss nun damit klarkommen.
    Gruß Jens

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  3. Es liegt mir fern, Hegels Irgendwo-Bemerkung von einem Körperteil auf ein anderes stellen zu wollen, aber mir scheint, Tragödien sind besser im Theater aufgehoben und Farcen in der gutbürgerlichen Küche. Die Scheiße, die da grad scheinbar ganz besonders dampft, ist weder tragisch noch eine Farce, sondern bloß der ewartbare nächste Gang in einem Menü, das sich die Mehrheit der Wähler nicht bloß in Trumps Own Country offensichtlich immer wieder gerne auftischen lässt. Statt das Zeug zurückgehen zu lassen oder das Geschirr den Servierenden auf deren Schädeln zu zertrümmern. Höchste Zeit für eine andere Speisekarte. Und sei es eine von Marx inspirierte.

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  4. DasKleineTeilchen8. November 2024 um 02:38

    Zur Erinnerung: Faschisten kündigen immer genau an, was sie machen werden und streuen niemandem Sand in die Augen

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