Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
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Dienstag, 9. Juni 2015
Dresdner Phantasmagorie
"Im richtigen Leben können Nerds manchmal lästig werden, weil sie monomanisch Kommunikation auf einen Gegenstand konzentrieren oder ansonsten vollständig verweigern. Der Nerd wird indes ernsthaft dekultivierend, wo er den Geltungsbereich seines Kultes militant ausdehnen will." (Georg Seeßlen)
Von Vorzeigedemokrat Lutz Bachmann (der glaubt immer noch, für die Mehrheit zu sprechen und wollte daher den gewählten Dresdner Stadtrat per Unterschriftensammlung auflösen, bis man ihn darüber aufklärte, dass das so ohne weiteres nicht geht), war die bei der Hamburger AfD gescheiterte Tatjana Festerling ins Rennen um das Dresdner Oberbürgermeisteramt geschickt worden, um die dank Pegida strumreif geschossene reparierte Elbmetropole endgültig zu nehmen. Jetzt ist die Kampagne des Westimports gescheitert, Frau Festerling abgeschlagen hinter Eva Maria Stange (SPD), Amtsinhaber Dirk Hilbert (unabhängig) und Markus Ulbig (CDU) gelandet und sie tritt zum nächsten Wahlgang nicht mehr an. Haben sie jetzt wieder was zum Rumjammern übers Mundtotgemachtwerden und über Kampagnenjournalismus gegen sie. Einer außer ihnen selbst muss ja schließlich schuld sein.
Grundsätzlich finde ich es ja gut, wenn Politiker sich um ein wenig Sprachwitz bemühen, wenngleich das im zuweilen drögen Geschäft der Politik nicht immer möglich ist ("Meine Damen und Herren, zur wiederholten Wiedervorlage des Beschlusses 15-12-LX23/97 zur Ergänzung von § 23 a und § 137 b, S. 1, Z. 24 der Ergänzung Nr. 98/b der Geschäftsordnung stelle ich folgendes fest: … Hören Sie doch bitte auf zu schnarchen, liebe Kolleginnen und Kollegen."). Also sind auch Frau Festerlings diesbezügliche Versuche, wenngleich politisch nicht so meine Ecke, zunächst einmal unbedingt lobenswert. In der Tat zeugt ihre am 9.3. in Dresden gehaltene, von Anhängern als humorig-ironisch gehandelte Rede von einiger Eloquenz.
Das war es aber auch schon. Inhaltlich nämlich offenbart diese Büttenrede eher, wie unfreiwillig komisch es werden kann, wenn jemand nicht merkt, dass die Grenze zwischen Humor und Lächerlichkeit mitunter fließend ist und dass Kritik an herrschenden Zuständen ein wenig an Wumms einbüßt, wenn sie auf einem Weltbild fußt, das mit größenwahnsinnig ("Wir sind das Volk!") oder paranoid noch am treffendsten umschrieben ist. Und dass die Verfasserin eine Vorliebe für irre kreative Spitznamen hat ("Gas-Gerhard, Sonne-Mond-und-Sterne-Claudia, Antifa-Family-Küstenbarbie Schwesig, NRW-Nazi-Jäger, Hicks-Kässmann, ISIS und HAMAS-Versteher-TodendingsBumms, Bonusmeilen-Cem, Kinderfreund-Daniel, Geldkoffer-Wolfgang...").
Der Film Monty Python’s Leben des Brian ist ja aus vielen Gründen zum Klassiker geworden. Unter andrerem, weil er nicht nur eine nach wie vor gültige Karikatur von Religionspraxis bzw. religiösem Fanatismus sowie auch eine der nicht immer erfreulichen Zustände innerhalb der linken Szene ist ("Spalter!"), sondern auch Nebenthemen wie die klemmigen Sexualneurosen, die ein gewisser Typ Horrormutti zuweilen mit sich herumschleppt ("Sex, Sex, Sex - das ist doch alles, woran ihr denkt!") überzeugend thematisiert. An letzteres musste ich, keine Ahnung, wieso, spontan denken, als ich Passagen wie diese las:
"In idealer Weise verkörpert Conchita Wurst diesen neuen, EU geförderten Einheits-Menschen. Kann sich nur leider noch nicht selbst befruchten."
"…Gummimuschi- und Plüschpimmel-Produktion für die Sexualaufklärung in Kindergärten und Schulen"
"Rudelfick-statt-Physik-Veranstaltungen, Kondom-Abrollwettbewerbe in Kindergärten mit anschließender 'Karottenkönig‘-Krönung, dazu Beschneidungen, Amputationen und gendergerechte Steinigungen…"
Nun ja, wie soll ich das verstehen, wenn da eine sich ernsthaft von so was bedroht sieht, sich selbst jedoch als 'Lady Bitch Rechts' bezeichnet, ein Spitzname mithin, der seinerseits, sagen wir, auch nicht ganz frei von jeglichen sexuellen Konnotationen ist? Vielleicht fehlt mir ja das komische Talent, das Ironie-Gen der Pegidingsdas. Die finden‘s ja immer noch lustig, Demos zu 'Spaziergängen' umzufirmieren. Oder verbitten sich strengstens jegliche Pauschalisierung, haben ihrerseits jedoch kein Problem mit Begriffen, die sich, um es höflich auszudrücken, jetzt auch nicht gerade durch einen hohen Grad an Differenziertheit auszeichnen. Etwa 'Lügenpresse'.
Auch sonst erweist sich die irre Phantasmagorie von Lady Gummimumu als ziemlich abgefahren und von hohem Unterhaltungswert, muss man schon sagen. Als fiktionaler Text ganz brauchbar und definitiv um Längen unterhaltsamer als 300 dröge Seiten Houellebecq. Ein wenig bedenklich stimmt nur, dass nicht weniger als 20.000 wahlberechtigte Dresdner der kreativen Superyogamutter und Ultramarathonista ihre Stimme gegeben haben, weil sie das offenbar ernst genommen und ihre Weltsicht darin zumindest teilweise wieder gefunden haben.
Man kann das natürlich alles als lächerlich abtun, aber vielleicht enthält Zonen-Tatjanas Rede wirklich einen konstruktiven Vorschlag. Sie hält es, so ist zu lesen, für eine gute Idee, den Osten der Republik, wo sie sich geborgen fühlt, wieder in eine ummauerte Zone zu verwandeln. Dort würde dann das wahre Deutschtum blühen und Deutschland sich wieder zu voller Größe erheben, während der dekadente, verlotterte Westen unweigerlich seinem linksgrünen, gendergerechten, islamisierten Untergang entgegentaumeln werde.
Klar, ein Klopper auch das. Doch ich sag mal so: Gibt es nicht durchaus einige Landstriche im Osten, die, wo nicht eh schon national befreite Zonen, fast menschenleer sind? Könnte man Festerlings Idee nicht aufgreifen und, eine Art abgezäuntes, selbstverwaltetes Reservat einrichten, so als Pilotprojekt? Der Zaun diente ja nicht dem Einsperren, sondern nur dem Schutz vor schädlichen äußeren Einflüssen. Auf freiwilliger Basis, versteht sich. Eine Art Deppeninsel ohne Meer drumherum. Neuschwabenland mit wärmerem Wetter (vorausgesetzt natürlich, das ist ihnen nicht zu schwul, hihi). Da könnten sie dann als Selbstversorger den ganzen Tag lang deutsch sein, uns allen zeigen, was in ihnen steckt, brave Hooligans ("Familienväter, Arbeiter, Akademiker") sorgten für Ordnung, während bei uns im buckligen Restdeutschland in Ruhe weiter die Welt untergehen könnte und wir unseren Spaß dabei hätten.
Je länger ich darüber nachdenke, desto charmanter finde ich die Idee. Man zwänge ihnen noch nicht einmal etwas auf, das sie nicht selber wollten. Wer weiß, vielleicht haben sie ja recht und sie überholen uns schon bald rechts, ganz ohne Soli und Finanzausgleich. Lassen wir es doch drauf ankommen.
2 Kommentare:
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Meine Mutter hat seid neuesten Déjà-vu Erlebnisse.Als kleines Kind erlebte sie die SS Aufmärsche in Sonthofen.Die fand sie allerdings schicker,als der ungeordnete Schmuddelhaufen der PEGIDA/HOGESA^^Allein die Abkürzungen erinnern sie an die Abkürzungen im 1000jährigen Reich.Vielleicht sollte man anfangen,diese auch zu verballhornen.Sage nur GRÖFAZ.
AntwortenLöschenMein Vater hat sogar noch mehr Erinnerungen.Als Berliner Kind erlebte er genug Fackelmärsche.Noch bewusster waren ihn allerdings andere Erinnerungen.Die Märsche der durchziehenden Flüchtlinge,wenn er nach den Bombennächten auf den Schuttbergen spielte.Dann die Kriegsgefangenen Märsche.
Geschichte wiederholt sich immer.Manchmal lernt man draus.Aber nur, wenn sich genug Menschen dran erinnern,oder wenigstens in der Schule davon gehört haben.
Wie bekam ein Hitler die Chance,eine legitime Regierung abzuschaffen?Die legitime Regierung hat ihm das Schlachterbeil in die Hand gegeben(von Schleicher).Ich empfinde es als brandgefährlich,nur dran zu denken,dass man dem Gesocks eine Plattform gibt.Und jetzt bitte nicht sagen,dass es ja Bürger wie Du und ich sind.Bürger,die freiwillig so einen Quatsch glauben,die Ihr Gehirn nicht mehr einschalten können...zu denen möchte ich nicht gehören.
Und auch hier oute ich mich mal wieder als Gegner von Verallgemeinerungen.
Es gibt Salafisten in Deutschland..aber die Türken,die ängstlich vom Balkon der HOGESA Demo zusahen,sind keine.Und wieder ein Vergleich zur Vergangenheit.Was mochten jüdische Bürger gedacht haben,wenn vor ihrem Haus SA Leute sich aufgebaut haben und ihre Parolen schrien:JUDEN RAUS;JUDEN RAUS?
In der Tat, es ist die immer allgegenwärtiger scheinende Sprache der Ausgrenzung, die so irritiert.
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