Sonntag, 3. April 2016

Drama im Schwimmbad


Warum links zu sein manchmal wirklich nicht schön ist

Ähnlich öffentlichen Verkehrsmitteln, scheinen Schwimmbäder eine Art Mikrokosmos zu sein, in dem gesellschaftliche Entwicklungen sehr zugespitzt sichtbar werden. Schenkt man der taz Glauben, dann wird ein an sich simples Vorhaben wie das, schnöde eine Runde schwimmen zu gehen, mehr und mehr zur echten Herausforderung. So gab es Ende letzten Jahres kurzzeitig Unruhe, weil eine schwarze Trans* Person, äußerlich ein Mann, jedoch als Frau empfindend, von Angestellten aufgefordert wurde, die Damenumkleide zu verlassen. Das Personal, durchaus nicht völlig unsensibel oder unkooperativ, bot der Person an, ihre Garderobe in der Behindertenumkleide zu richten, dort sei Platz und niemand anders habe Zutritt. Woraufhin erst richtig Zoff war in der Bude, denn eine Trans* Person zu behandeln wie eine Behinderte, das geht nun wirklich gar nicht.

Es ist ja nicht so, dass ich so gar kein Verständnis hätte für das Ansinnen, von Diskriminierung, Zudringlichkeiten und Beleidigung gefälligst verschont zu bleiben, wenn's irgendwie geht. Finde ich, dass alle Menschen guten Willens nach Kräften daran arbeiten sollten, dass diese Welt ein besserer, sichererer, freundlicherer Ort für alle wird? Unbedingt. Sehr wohl ein Problem habe ich allerdings damit, mit dem Anspruch durchs Leben zu gehen, dass alle Welt gefälligst jederzeit und überall auf meine momentanen Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen und mir daraufhin sogleich sämtliche Sonderrechte einzuräumen habe, ob nun problemlos machbar oder nicht. Endgültig nicht mehr nachvollziehen kann ich die Wahrnehmung, bei dem gewiss nicht unfreundlich gemeinten und aus einer spontanen Idee heraus entstandenen Angebot, die Lage zu bereinigen, handele es sich allen Ernstes um eine Menschenrechtsverletzung [sic].

Nein, ich mag mich auch nicht zum Richter darüber aufspielen, wie eine Trans* Person sich fühlt in so einer Situation. Kann ich nicht beurteilen. Es sind aber unter anderem Vorfälle wie dieser, die es mir zunehmend erschweren, mich links zu nennen. Linkssein kann vieles heißen, aber ich mag mich nicht mehr gemein machen müssen mit Leuten, für die das offenbar nichts anderes ist als eine Ausrede, sich patzig und frei von jeder Rücksicht auf andere, gern auch auf Kosten von Schwächeren, alle möglichen Extrawürste zu sichern und das, wenn nötig, mit Psychoterror durchzusetzen oder mit Gewalt. Etwa die Scheiben eines Ladens zu verschandeln, der es wagt, sich explizit an ein männliches Publikum zu richten. Wenn links zu sein bedeutet, sich berechtigt zu fühlen, allen möglichen Leuten alles, das mir gerade nicht passt, abklemmen zu dürfen, dann bitte ohne mich.

Ich kann mir nicht helfen, aber wenn ich den infolge der Schwimmbad-Episode in verquargeltem Deutsch verzapften und von der DKP mit unterzeichneten Offenen Brief an die Leitung des Stadtbad Neukölln [sic!] lese, dann kriege ich einfach die Frage nicht aus dem Kopf, ob diese Menschen eigentlich keine wirklichen Probleme haben. Und wieso es eigentlich so unzumutbar sein soll, das gewiss hilfsbereite Personal einfach vorab zu fragen, am besten freundlich. Noch einmal: Ich halte die Forderungen nicht für per se unberechtigt oder gar lächerlich. Aber: Menschenrechtsverletzung?

Wir leben immer noch ziemlich privilegiert am oberen Ende eines Systems, das auf Ausbeutung beruht. In dem sehr viele Menschen auf der Welt unter furchtbaren Bedingungen das herstellen müssen, was wir hier völlig selbstverständlich Tag für Tag konsumieren. Ich hasse es, Gefahr zu laufen, Schwache gegen noch Schwächere auszuspielen, aber ist es vor diesem Hintergrund tatsächlich so ein Riesenskandal, wenn ein Schwimmbad nur drei verschiedene Umkleiden (Männer, Frauen, Behinderte) vorhält? Oder die Kita es wagt, den Thronfolgern was anderes als veganen/laktose- und glutenfreien/makrobiotischen Demeter-Fraß zu verabfolgen?

Ich mag einfach nicht dem gleichen politischen Lager angehören wie Leute, die sich verbal lautstark für Flüchtlinge einsetzen und immer genau wissen, wo der Nazi sitzt, ihr eigenes Wohnumfeld aber, womöglich dank geerbter Kohle, zur komplett national (und sozial) befreiten Zone gentrifiziert haben, und zwar gründlicher als alle Nazis das je vermochten. "Du, versteh uns jetzt nicht falsch, wir haben absolut nichts gegen Migranten, aber wir wollen nur, dass unser Kind..." - "Ich meine, so viel Wohlstand, das sind diese armen Menschen doch gar nicht gewöhnt, da, wo sie herkommen. Das überfordert die doch. Außerdem können die sich die Preise in unseren superexklusiven, rechtsdrehenden Bio-Öko-Hofläden gar nicht leisten. Es ist doch nur zu deren besten." Kotz! Zurück ins Schwimmbad, und zwar in meins.

In dem Bad, in dem ich meist verkehre, herrscht zwei Mal in der Woche für jeweils zwei Stunden Frauenschwimmen. Einmal in der Woche später am Abend und einmal am Sonntagmittag. Es kommen fast ausschließlich Muslimas und ein paar stark übergewichtige Frauen. Das hat sich seit Jahren eingespielt, niemand nimmt Anstoß daran, alle respektieren das. Abgesehen von ein, zwei gnatternden alten Säcken, die ihr bisschen Leben bedroht sehen, und meinen, die Frontlinie zwischen christlichem Abend- und muselmanischem Morgenland verliefe quer durchs Becken. So nutzen sie die Zeit immer demonstrativ bis auf die letzte Sekunde aus. Aber wenn der Bademeister rüffelt, stehen auch sie stramm und parieren brav. Gelernt ist gelernt.

Man sollte weiterhin erwähnen, dass keinerlei Forderungen bekannt sind, dieses Angebot irgendwie auszudehnen, weder zeitlich noch räumlich auf andere Bäder. Es kommt auch vor, dass ich aus der Dusche komme und auf dem Gang bereits in Badekleidung befindlichen Kundinnen begegne. War bislang noch nie ein Problem, im Gegenteil. Keine Ahnung, warum ich das so erlebe. Kann es sein, dass man in der Provinz die Dinge einfach etwas entspannter und pragmatischer angeht als im zur Hysterie neigenden Berlin? Weil Berlin vielleicht nicht nur die Hauptstadt Deutschlands ist, sondern momentan auch die der Drama Queens?

Andernorts scheint die Lage sich ja entspannt zu haben. Das rassistische, in jedem Fall aber nicht minder hysterische Gewedel über Stadtteile, in die man sich nicht mehr hineintrauen könnte als Deutscher bzw. in die noch nicht einmal die Polizei sich mehr hineintraue, ist deutlich weniger geworden, wenn es sich nicht gleich als ausgemachter Quatsch entpuppt hat. Sogar die FAZ gibt, man liest es mit Erstaunen, in puncto Berlin-Neukölln inzwischen Entwarnung. Eigentlich ganz prima da. Hätte ich denen längst sagen können, auch wenn ich selten in Rixdorf bin. In Duisburg-Marxloh lässt sich's schließlich auch aushalten. Und im verschlafenen Bergkamen sowieso. Also bitte, Bergkamen als Metropole des Verbrechens. Bergkamen! Bei der Dortmunder Nordstadt bin ich mir dagegen nicht so sicher.

Von den Horden hormonell aufgeladener Flüchtlingsjünglinge, die geifernd und wie von Sinnen ob des ungewohnten freizügigen Ambientes die Schwimmbäder der Republik in No-go-Areas verwandeln, hört man auch nicht mehr allzuviel in letzter Zeit. Wieso? Liegt das vielleicht daran, es von vornherein halb so wild war? Oder dass, sapperment, auch Flüchtlinge ohne deutsches Genom mehrheitlich lernfähig sind?


P.S.: Ja, Tante, hab's gesehen. Tach auch!


2 Kommentare:

  1. http://www.nw.de/lokal/kreis_paderborn/delbrueck/delbrueck/20754711_14-Jaehriger-wird-im-Delbruecker-Hallenbad-sexuell-missbraucht.html

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  2. Bei der TAZ und der ZEIT arbeiten scheinbar hauptsächlich vermeintlich linksliberale Linksgrüne, für die die Themen Feminismus, Gender, Fahrarradfahren, vegane Ernährung, Bio-Lebensmittel und erneuerbare Energien die Welt bedeuten. Das merkt/liest man immer wieder. Dabei sind das echte Luxusprobleme dekadenter Wichtigtuer. Die haben echt noch nicht den Knall gehört. Steuern werden milliardenfach hinterzogen (gerade aktuell: "Panama Papers", vor einigen Jahren: #luxleaks), Syrien wird in die Steinzeit gebombt, im Jemen gibt es täglich Massaker durch Saudi-Arabien, millionenfache Kinder- und Altersarmut in Deutschland, in Afrika (Kongo) gibt es Kriege, dann haben wir weltweite Überwachung (NSA/BND Skandal) und und und. Die Liste ist schier endlos. All das ist natürlich nicht sooo wichtig, wie die Umkleide-Problematik eines Transgenders.

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