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Dienstag, 4. Dezember 2018
Untote
"Merz will Parteivorsitzender anstelle der Parteivorsitzenden werden, vermutlich dann auch Kanzler anstelle der Kanzlerin. Nach allem, was man bisher weiß, hat er sich zu diesem Zweck vorgenommen, erst die Partei, dann das Land in die Vergangenheit zu führen. Denn was er etwa über das Asylrecht sagt - und gar nicht so gemeint haben will -, hat er ganz genau so schon im Dezember 2000 gesagt, und dabei alles, was sich seitdem verändert hat, offenbar nicht mitbekommen. Das sollte man ihm nicht vorwerfen, denn er war damit beschäftigt, als Banker Millionen zu verdienen, was wiederum nichts Verwerfliches ist." (Jakob Augstein)
Was ist der Unterschied zwischen Friedrich Merz und dem völlig zu Unrecht verstorbenen Manfred Krug? Antwort: Manne Krug, der olle Crooner, hat’s irgendwann begriffen. Dass dem Volk massenhaft Aktien aufzuschwatzen nicht zu allgemeinem Wohlstand führt, sondern vielmehr dazu, dass ein paar wenige gewinnen und ziemlich viele mehr oder minder viel verlieren. Wie sollte es auch anders im herrschenden Wirtschaftssystem? Leider kann er nicht mehr widersprechen, aber Krugs Lernfähigkeit könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass er während seiner Jugend, die er in der DDR verbrachte, mehr über Kapitalismus gelernt hatte als viele im Westen, wenn auch aus anderer Perspektive.
Wer im weitesten Sinne in autoritären Zusammenhängen groß geworden ist, was auch bedeuten kann, die Idee eingetrichtert bekommen zu haben, 'die da oben' säßen irgendwie mit Gründen 'da oben', etwa, weil sie über tiefere Einsichten und höheres Wissen verfügen als Dieter Durchschnitt und der doofe Rest, kennt das vielleicht: Man glaubt zunächst mal, dass Menschen, die irgendwas zu sagen haben, irgendwie klüger sind als man selbst. Wenn man selbst nicht aus akademischem Hintergrund kommt, konnte es etwa sein, dass die Eltern einem einschärften, bei der Anrede einer betreffenden Person nie-, niemals das 'Herr' bzw. 'Frau Doktor' zu vergessen, denn das ginge gar nicht. Das sei mindestens so schlimm wie im Hochamt während der Wandlung zu rülpsen.
"Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen." (Mark Twain)
(Bei mir bekam dies Weltbild übrigens Risse, als ich präpubertär eine angehende Gymnasiallehrerin auf einer privaten Feier erlebte. Die Dame kam mir schon damals mitnichten besonders klug vor, sondern eher oberflächlich und, nun ja, sogar ein wenig deppert. Ich ward verwirrt. Man möge sich erst meine Überraschung vorstellen, als ich später dann feststellte, dass die überwiegende Mehrheit meiner Hochschullehrer/innen es eher lästig fand, mit Frau/Herr Doktor/Professor angeredet zu werden. Und die Welt nicht unterging.)
Zurück zu Mittelschicht-Merz. Der schmeißt ja, scheint’s, nix weg. Klar, im Sauerland lernst du, dass Erbsensuppe immer besser wird, je öfter man sie aufwärmt. Recycelt nicht nur seine Ideen zu Thema Asyl aus dem Jahr 2000, sondern auch die zum Thema Rente. Wer zu wenig staatliche Rente bekäme, solle doch einfach Aktien kaufen. Wichtig sei dabei nur, dass man schon in jungen Jahren begönne mit dem Aktienkauf. Vier bis fünf Euro pro Tag würden schon genügen, also etwa 140 bis 150 Euro pro Monat. Berufsanfänger und Mindestlöhner können sich das nicht leisten? Also bitte! Der Mann kennt sich aus mit Kapitalanlagen, der arbeitet da! Kann das aber hervorragend trennen. Da ist er Vollprofi. Und regt daher gleich mal an, Aktienkäufe steuerlich zu begünstigen. Honi soit qui mal y pense.
Was ist das hier? The Walking Dead in echt? Was hilft da? Geweihte Silberkugeln? Pflock ins Herz? Verdammt, ich hätte meine 'John Sinclair'-Sammlung damals nicht auf dem Flohmarkt... Spaß beiseite: Wer mich kennt, weiß, dass ich mit vorschnellen Querverbindungen weiß Gott zurückhaltend bin. Aber in diesem Zusammenhang macht es deutlich mehr Arbeit, Merzens Job bei Blackrock zu ignorieren als umgekehrt.
Nun ja, man könnte schon fragen, wieso man nicht einfach die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nebst vielleicht auch der Beitragsbemessungsgrenzen moderat und progressiv anhebt, anstatt einfach weitere Milliarden aus den Taschen der Bevölkerung in die Kapitalmärkte zu transferieren und dabei noch auf Steuereinnahmen zu verzichten. Voodoo economics, anyone? Ich meine, wenn eh feststünde, dass ich mehr für meine Rente aufwenden müsste und hätte ich die Wahl, mein Geld entweder in die Sozialversicherung einzuzahlen oder als Laie zur Börse zu tragen, ich wüsste wohl, wie ich entschiede.
Hans-Werner Sinn bezeichnete Merz' Vorschlag übrigens als "richtige und wichtige Idee". Noch so ein Untoter. Saß 15 Jahre unentwegt in so jeder Talkshow und hat dort im Prinzip immer dasselbe erzählt: Die Löhne sind zu hoch, ein Mindestlohn würde Die Deutsche WirtschaftTM auf der Stelle abwürgen. Müsste der nicht jedes einzelne seiner Worte aufessen? Ich meine, auch wenn bei den Jubelmeldungen vom Arbeitsmarkt Skepsis geboten ist: Der Mindestlohn ist da, der Untergang Der Deutschen WirtschaftTM nicht.
Das Dumme ist nun: Ich sehe absolut keinen Grund für irgendwelchen Optimismus, dass Millionario-Merz sich als CDU-Chef irgendwie von selbst demontieren wird. Wenn nämlich der deutsche Michel immer noch eines goutiert, dann Leute, die Entschlossenheit und Kompetenz vorschützen können und ihnen gespannten Kinnes reindrücken, jetzt sei aber mal Schluss mit Faulenzerei und Hochlohnland, nun müsse der Gürtel sowas von enger geschnallt werden, nun sei Sense mit Wohltaten und anstrengungslosem Wohlstand. Dann applaudiert er frenetisch, weil er mal wieder glaubt, ihn träfe es schon nicht, sondern nur die Faulenzer/Ungebildeten/Querulanten/Ausländer etc..
Es wird ja viel über Hartz IV diskutiert zur Zeit, und das völlig zu recht. Flugzeug-Fritze meinte vor Jahren bereits, 132 Euro Hartz IV-Regelsatz seien völlig ausreichend. Sind sie auch schon so gespannt, wann er Hartz IV-Beziehern vorschlägt, im Winter die Heizung einfach Heizung sein zu lassen und lieber einen dicken Pullover anzuziehen? Ach, das hat schon jemand gesagt? Okay.
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