Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
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Samstag, 22. Juni 2019
Schnittmengen
"Hier ruht die Bundesrepublik Deutschland. Sie ging zugrunde an der unfassbaren Dämlichkeit, Geschichtsvergessenheit und Selbstüberschätzung ihrer bürgerlichen Eliten."
-- So oder so ähnlich stelle ich mir den Spruch vor, der den Grabstein dieses herrschenden Staatswesens dereinst zieren wird, wenn wir uns im Faschismus 2.0 wiederfinden sollten.
Man dürfe die Rechten nicht unnötig stark machen, heißt es seit Jahren immer wieder. Dumm nur, dass Teile des bürgerlichen Lagers daran nicht wirklich interessiert zu sein scheinen. Auf die Idee könnte man ja fast verfallen. Wenn man wissen will, wie man die Rechten stark macht, dann braucht man sich nämlich nur anzusehen, was die CDU spätestens seit 2015 so veranstaltet. Hierzu sollte man sich vergegenwärtigen, dass Rechte, allen voran große Teile der AfD, sich vor allem von folgenden beiden Narrativen nähren, die zum Kern ihres Selbstverständnisses gehören:
Erstens das, als einzige den wahren Willen bzw. die Interessen 'des Volkes' zu vertreten, was im Parlament nicht stattfindet ("Würden wir nicht seit 2015 so einen Druck machen, dann hätten wir immer noch sperrangelweit offene Grenzen und das Land wäre unter der Flüchtlingswelle längst kollabiert."). Zweitens das, eine von 'Altparteien', 'Lügenpresse' und 'link(sgrünversifft)em Mainstream' unterdrückte und geknebelte Minderheit zu sein ("Wir werden mundtot gemacht wie einst die Juden, schluchzbuhu! Sobald man eine abweichende Meinung äußert, bekommt man gleich eins mit der Nazikeule. Da sieht man, wo die wahren Nazis sitzen!"). Beide Narrative werden von der Union auf das beste bedient.
Das erstere, indem seit 2015 fast alle Forderungen der AfD in Sachen Flüchtlingspolitik brav in vorauseilenden Gehorsam in die Tat umgesetzt wurden. Um das Thema nicht den Rechten zu überlassen. Schon klar. Was das zweite angeht, kam die Tage Peter Tauber (CDU) des Weges und dachte unter dem Eindruck der Tötung von Walter Lübcke (zu der, daran sei erinnert, die Behörden bislang noch nicht einmal einen Täter haben, sondern lediglich einen Tatverdächtigen) allen Ernstes darüber nach, gewissen Leuten das Grundrecht der Meinungsfreiheit zu entziehen. Echt jetzt? Ich habe zwei Tage lang recherchiert, ob das eventuell ein Scherz gewesen sein soll. War es wohl nicht.
Davon abgesehen: Wie soll das genau funktionieren und was soll das bringen? Meinungsfreiheit bedeutet bekanntlich, dass ausnahmslos jeder absolut jeden Scheiß meinen und ihn auch äußern darf, eventuell aber mit Konsequenzen rechnen muss, wenn er gewisse Grenzen überschreitet (Beleidigung, Volksverhetzung u.ä.), worüber im Einzelfall Gerichte entscheiden. Man sollte meinen, das genügt vollauf. Und ja, es gelten bereits jetzt nicht alle Grundrechte immer und überall uneingeschränkt. So kann etwa das Demonstrationsrecht zeitweilig beschnitten werden, wenn ein Gericht die öffentliche Ordnung in Gefahr sieht. Aber es wird deswegen noch lange nicht abgeschafft bzw. einzelnen Personen komplett entzogen.
Vor allem zeigt Taubers Vorstoß, wie nahe bürgerliche und extremere Rechte aller Ausschlussbekundungen und Merkelschen Kampfansagen sich in Teilen längst sind: Wie schon Annegret Kramp-Karrenbauer im Falle Rezo, offenbart auch Peter Tauber, einst von Angela Merkel als juveniler Hoffnungsträger ins Amt des Generalsekretärs installiert, dass ihm, wenn es ernst wird, zuvörderst Repression und Beschneidung von Grundrechten einfallen, anstatt die Frage, wie man das geltende Recht, das locker ausreicht, wenn nicht eh schon sehr weit geht, sinnvoll anwendet. In ihrer Neigung zu obrigkeitlich-autoritärem Staatsverständnis trennt CDU und AfD, scheint's, gar nicht so viel. Deren honorige Geldgeber vermutlich auch nicht.
"Kein vollsinniger Mensch finanziert eine Partei, deren einzige politische Agenda die »Kritik« an Flüchtlingen ist, seien die nun »massenhaft« oder »illegal«. Die politische Agenda, die im Fall der AfD finanziert werden soll, ist eine andere, nämlich die Abkehr von jeder zivilisatorischen Übereinkunft der europäischen Nachkriegszeit. Die Abkehr von Demokratie, Gleichheit, Menschenrechten und ökologisch sinnvollem Handeln." (Pantouflé)
(Ableitung: Die Massen sollen noch mehr ausgebeutet, entrechtet und unterdrückt werden, aber damit sie sich nicht ganz so scheiße fühlen und nicht merken, wie sie sich zu nützlichen Idioten machen lassen, sollen sie sich zum Ausgleich halt auf ihr Deutschsein einen runterholen.)
Zu den sichersten Anzeichen für ausgemachte politische Dummheit gehört es, sich in dem Gefühl zu wiegen, repressive Maßnahmen wie der Entzug von Grundrechten gölten im Zweifel immer nur für die anderen und würden schon nicht gegen einen selbst zur Anwendung kommen. Weil man ja auf der richtigen Seite steht. Zu politischen Katastrophen wie Weltkriegen und Faschismus ist es aber nicht wegen ein paar übermotivierten Militärs und irrer Usurpatoren gekommen, sondern wegen einer politischen Klasse, in der Mittelmaß, Inkompetenz und exakt die eben erwähnte Ignoranz überwogen.
In den Zirkeln, in denen man Pläne macht, das "Nationale wieder mit dem Sozialen zu versöhnen", überlegt man vermutlich auch schon, wie man die AfD an die Wand drücken kann, dass sie quietscht. Oder sie mit einer Querfront parlamentarisch einrahmen kann. Und wenn hinterher wieder alles in Trümmern liegt und Millionen tot sind, dann werden sie wieder dastehen und blöd glotzen aus ihren völkischen Kuhaugen. Hat doch niemand ahnen können! Wer konnte denn schon wissen, welch Unheil da ohne Vorwarnung über Deutschland hereinbrechen würde! Doch, konnte man.
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