Donnerstag, 19. Oktober 2023

Vermischtes und Zeugs (LXIV)


Die AfD gibt gerade eine allererste Kostprobe ihrer Regierungskunst: Hannes Loth, Bürgermeister von Sonneberg und erster AfD-Bürgermeister überhaupt, hatte im Wahlkampf kostenlose Kitas versprochen. Jetzt wurde ruchbar, dass die Kita-Gebühren in Sonneberg um 60 Prozent steigen werden. Auch weitere groß angekündigte Investitionen wie Sanierung von Feuerwehrhäusern und großzügige finanzielle Unterstützung von Vereinen fallen aus. Loths Begründung: "Rein finanziell sind wir pleite".

Aha. Abgesehen davon, dass mir jetzt nicht einfällt, wie man anders als finanziell pleite sein kann, hat das auch wirklich niemand ahnen können, echt nicht. Vor allem wenn man bedenkt, dass Loth schon vorher im Stadtrat vertreten war.

Mal eine Frage: Wird die AfD nicht gern mal von Leuten gewählt, die sich gern mal über unfähige, verlogene und korrupte Politiker und über Wahlbetrug mokieren? Zwei bis drei dieser Hürden hat Loth zu Beginn seiner Amtszeit bereits souverän genommen. Verlogenheit und Doppelmoral wird den etablierten Parteien von AfD und ihren Sympathisanten auch gern mal vorgehalten. Fun fact: Hannes Loth organisierte Demos gegen die Corona-Maßnahmen und verdiente gleichzeitig Geld mit Corona-Testzentren. Wo bleibt der empörte Aufschrei?

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"Der Bürger kann euphorisch werden, wenn Grenzen plötzlich verschwinden, wie es etwa beim Fall der Berliner Mauer war, überhaupt beim Fall des Eisernen Vorhangs, aber er will die Grenze wieder zurück, wenn Menschen von »drüben« womöglich herüberwollen, auf seinen Arbeitsmarkt. Er selbst fährt »hinüber«, wenn er drüben billiger konsumieren kann, aber er versteht nicht, dass Menschen »herüber« wollen, um hier besser zu verdienen. Der besorgte Bürger kann, wenn es um seine Menschenrechte geht, fehlerfrei zitieren, dass sie »universal« seien, gegenüber anderen aber will er sie als bloßes nationales Recht verteidigen." (Ulrike Guérot/Robert Menasse)

Ja, die Ulrike Guérot. Der Text ist allerdings von 2016.

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Es ist heute kaum mehr zu glauben, jüngeren Menschen quasi nicht mehr vermittelbar, aber das Internet war tatsächlich mal unkompliziert und cool. Also die Sache selber, das Reinkommen nicht so. Hatte man aber erstmal ein paar technische Hürden überwunden (Treiber und TCP/IP-Protokoll installieren, Modem einrichten, kryptische IP-Adressen eingeben, Proxys konfigurieren), dann war alles free und easy. Na gut, außer der Telefonrechnung. Aber das Netz selber: Große Freiheit, alles möglich. Surfen auf der Datenautobahn, hieß das mal. Yeah!

Und jetzt, da ungefähr die halbe Menschheit online ist und viele Alltagsverrichtungen nur noch online zu machen sind, Tendenz steigend, ziehen sie die Schlinge langsam zu. Kochen den Frosch. Inzwischen klickt man den Cookie-Hinweis weg, lehnt Push-Benachrichtigungen ab, klickt ein Newsletter-Abo-Banner weg, stoppt automatische Video-News, lehnt den obligatorischen Website-Unterstützungs-Aufruf ab, um festzustellen, dass der Scheißartikel, den man lesen wollte, hinter einer bekackten Bezahlschranke ist.

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Wem als erste Reaktion auf des Massaker der Hamas an Israelis bloß "Free Palestine!" einfällt (um danach eventuell noch blöde verlogen hinterherzuschieben: "Ich entschuldige mich bei allen, die ich damit eventuell verletzt haben könnte.") oder der Verweis auf die israelische Siedlungspolitik, sollte (a) seinen moralischen Kompass auf Verkommenheit checken und (b) überlegen, ob es vielleicht Situationen gibt, in denen vorübergehende Fressehalten die beste Entscheidung ist. Vor allem, wenn man ansonsten andauernd von "Respekt!" faselt.

Und nein, die Freiheit des Wortes ist da nicht bedroht. Die ist damit so wenig bedroht wie wenn man sich verbittet, auf einer Beerdigung dem Verstorbenen Schmähungen ins Grab hinterherzurotzen. Was viele Freiheitsfanatiker und die Richard David Prechts dieser Welt offenbar nicht sehen oder nicht wahrhaben wollen: Die Kehrseite jeder Freiheit ist immer Verantwortung. Und wer mit Freiheiten nicht verantwortlich umgeht bzw. umgehen kann, bekommt mitunter eben ein Problem.

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Apropos: Hat schon irgendwo ein launiger Preßbengel Titelschutz angemeldet für das Wortspiel 'Pertolt Precht'? Kann nicht mehr lange dauern.

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Der Pizzaburger mag weg sein. Aber sein nicht minder böser Bruder, der Pizzadonut, ist noch da.

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Es freut mich sehr, dass der Kollege von apokolokynthose seine OP gut überstanden hat und Bonetti Media auch wieder funkt. Gentlemen, Sie wurden vermisst und werden gebraucht. Dringend!












4 Kommentare:

  1. Danke, Kollege! Bin jetzt bis März 24 im Hunsrück und regelmäßig am Start. Tippe jeden Tag mit zwei Fingern Notizbuchzeug aus dem Berliner Monat ab (pain in the ass!) und in den nächsten Tagen geht es buchstäblich um Tod und Teufel.

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  2. Danke schön!
    Ich fühle mich sehr aufgebaut. :-)

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  3. Dann melde ich mich halt auch mal aus C19-Quarantamo:

    Also, $Hausherr versteht nicht, „wie man anders als finanziell pleite sein kann" – naja, so halt: °Hannes Loth organisierte Demos gegen die Corona-Maßnahmen und verdiente gleichzeitig Geld mit Corona-Testzentren.“ Das nennt man dann moralisch pleite sein. Oder ethisch. Oder überhaupt.

    Ich geh mal noch ne Runde abhusten und dann ins Bett. Nacht!

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  4. Auch wieder wahr. Wenn auch im übertragenen Sinne. #besserweiß
    @MinasMarbul: Gern doch, wünsche weiterhin gute Genesung.

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