Man sagt, das Auto sei der Deutschen liebstes Kind. Das mag sein, stimmt aber, wenn überhaupt, nur zum Teil. Zumindest ein paar Monate im Jahr ist der Deutschen liebstes Kind ein saisonal angebautes Liliengewächs. Bis zum Johannistag ist das Land verrückt nach Spargel. Nur nach dem milden Weißen, versteht sich. Mit dem ungleich interessanter schmeckenden und vielseitigeren Grünen kann man hierzulande eher wenig anfangen. Und so pilgern jetzt wieder Freunde des müffelnden Urins und andere Spargeltarzane in Kohortenstärke auf Wochenmärkte und in Hofläden, wobei sie glasig umwölkten Auges ekstatisch stammeln: „Frischer Spargel! Endlich!“ Ich weiß, wovon ich rede, denn hier ganz in der Nähe ist ein Anbaugebiet. Apropos liebstes Kind: Existiert eigentlich irgendwo eine Statistik, die belegt, dass die Zahl der Autozulassungen während der Spargelsaison merklich zurückgeht? Wundern würde es mich nicht. Die Tatsache, dass die Anbaufläche sich binnen zehn Jahren fast verdoppelt hat, spricht jedenfalls dafür.
Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Dienstag, 16. April 2013
Samstag, 13. April 2013
Blockwartmentalität
"Reißt die Fenster auf –! Es mufft."
(Kurt Tucholsky)
In meiner Heimatstadt trieb zu meinen
jüngeren Jahren ein Polizist sein Wesen, den man wohl
verdonnert hatte, lebenslänglich Streife in der Fußgängerzone
zu gehen. Vielleicht ist er auch gar nicht dazu verdonnert worden,
sondern hat diesen eher beschaulichen Dienst einfach gern getan,
keine Ahnung. Ist eh egal jetzt, denn diese Zierde deutschen
Berufsbeamtentums dürfte mittlerweile längst pensioniert sein.
Besonders Fahrradfahrer hatte er auf dem Kieker. Er ließ keine
Gelegenheit aus, unbotmäßige Radler zu jeder Tageszeit vom
Drahtesel zu brüllen, ihnen eine Vorlesung über die StVO zu halten
und das fällige Verwarnungsgeld "anzubieten", wie er es
ausdrückte. Jeder jüngere Mensch, der damals gelegentlich per Rad
unterwegs war, kannte ihn. Man munkelte, dass wenn hinter ihm
eine Horde gesuchter Terroristen vorbeigelaufen, links neben ihm eine
Schlägerei stattgefunden und vor ihm eine alte Dame mit
vorgehaltener Waffe ausgeraubt worden wäre, er sich zuerst noch
einen Radfahrer zur Brust genommen hätte.
Dienstag, 9. April 2013
Margaret Thatcher (1925-2013)
Wie gelinde gesagt es ist, Margaret Thatcher habe polarisiert, wird deutlich, wenn man sich einige Reaktionen auf ihren Tod in Großbritannien ansieht: Im Londoner Stadtteil Brixton stieg gestern eine spontane Straßenparty unter dem Motto 'Ding, dong, die Hex' ist tot!', ein ehemaliger Gewerkschaftsfunktionär aus dem Norden soll zur Feier des Tages angestoßen haben, der Sänger Morrissey attestierte ihr gar, niemals auch nur ein Atom an Menschlichkeit besessen zu haben. Man mag so was geschmacklos finden, pietätlos gar, doch zeigt es, wie umstritten die Verstorbene nach wie vor ist. Sicher ist, dass sie auch weiterhin als einer der einflussreichsten politischen Köpfe des 20. Jahrhunderts gelten wird. 1979 zur ersten weiblichen Premierministerin gewählt, baute sie Großbritannien grundlegender und nachhaltiger um als irgendjemand anders in der Nachkriegszeit. Nicht nur Großbritannien. Als sie ins Amt kam, dürfte sie mit ihrer Position, den europäischen Sozialstaat der Nachkriegszeit nicht für eine Errungenschaft, sondern für einen historischen Irrtum zu halten, ziemlich allein dagestanden haben. Am Ende waren ihre Positionen weitgehend salonfähig.
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