Sonntag, 31. März 2019

Vorbilder, klimatisch


In dem Krankenhaus, in dem ich einst Zivildienst machte, arbeitete eine schon ältere Ambulanzschwester, die ihr Leben an dieses Haus geknüpft zu haben schien. Meist war sie für sich, kaum jemand redete mit ihr. Nicht weil sie geschnitten wurde, sie war einfach nicht besonders gesellig. Zudem wusste wohl keiner so recht, worüber man reden sollte mit ihr außer über das Krankenhaus oder über die Arbeit. Jeden Morgen kam sie um kurz vor sieben auf ihrem Fahrrad angeradelt. Es hieß, sie lebte allein in einem kleinen Einzimmerapartment in der Nähe. Ihr einziger Luxus seien ein Fernseher und ein kleiner Kühlschrank. Gefrühstückt und zu Mittag gegessen hat sie immer in der Kantine, abends aß sie mit den Ordensschwestern im Konvent. Vor der Arbeit habe sie zu Hause immer nur einen Keks zum Kaffee gegessen, sagten Kollegen, die mal mit ihr geredet hatten.

Freitag, 29. März 2019

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (17)


Da stiefelst du, nichts Böses ahnend, mir nichts, dir nichts in den Getränkemarkt deines Vertrauens, um eine Kiste Wasser zu erstehen. Und dann, am Ausgang, du warst so weit mit allem durch und deuchtetest dich schon beinahe in Sicherheit, das:

Dienstag, 26. März 2019

Schönes bleibt (3)


"History does not repeat itself - but it rhymes." (Mark Twain)

Gibt so Dinge, die scheinen sich wirklich nicht zu ändern im Leben. Gibt viele, die das beruhigend finden. Ich kann mich da meist nicht so recht entscheiden. So wurde ja bald nach der 1:1-Gala der DFB-Elf am letzten Mittwoch gegen Serbien in Wolfsburg bekannt, dass Leroy Sané und İlkay Gündoğan von der Tribüne rassistisch beleidigt wurden. Was immer das im Einzelnen ist, neu ist das jedenfalls nicht.

Die Älteren werden sich erinnern, dass Leroy Sanés Vater Souleymane Sané einst bei Nürnberg spielte und ab 1990 beim Bundesliga-Aufsteiger SG Wattenscheid 09 zur Legende wurde. Mit Tony Baffoe, Jay Jay Okocha und Anthony Yeboah gehörte er Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger zu den ersten schwarzen Spielern in der Bundesliga und wurde mit Bananen beworfen, musste sich Affenlaute anhören oder Fangesänge wie "Husch, husch, husch - Neger in den Busch!".

Sonntag, 24. März 2019

Man vs. Food - Ruhrpott Edition


Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht aus einer der sexy pulsierenden super-duper angesagten Metropolen wie Berlin/London/Nüjork/München/Düsseldorf/Schweppenhausen stamme bzw. mich dort nicht bewege, sondern bloß am Rande jener verranzten Ex-Boomregion namens Ruhrpott. Vielleicht habe ich mir aber auch über die Jahre eine gewisse Kindlichkeit und damit die Fähigkeit zum Staunen bewahrt. Hermann van Veen und die Folgen? Nicht auszudenken. Trotzdem: Dieses Brunch-Buffett, zu dem ich heute geladen ward, war das mit Abstand gewaltigste, das sich mir bisher in den Weg gestellt hat. Stilecht in einer verranzten Zeche, wie das hier seit den Neunzigern Sitte ist. Hat mich überfordert. Reizüberflutung. Vornehmlich Tex-Mex. Alles, was fett und ungesund ist. Tacos, Wraps, Fajitas, Chili, Hot Dogs sowie alles, was sich irgendwie mit Käse überbacken lässt. Der unangebrachteste Satz hier lautet: "Du, ich muss auf meinen Cholesterinwert/meinen Blutzucker achten."

Samstag, 23. März 2019

Jenseits der Blogroll - 03/2019


Das letzte Wochenende des Monats ist schon wieder erreicht und damit ist es Zeit für den Lesestoff des Monats. Musik/Literatur/Kunst ist dieses Mal weniger, dafür umso mehr über Essen. Muss mit der momentan grassierenden Fastenzeit zusammenhängen. Obwohl ich mir außer einem mehrwöchigen, nicht religiös motivierten Alkoholverzicht gar keinen Zwang anzutun pflege, diesbezügliche Phantomschmerzen also ausscheiden. Außerdem bin ich katholisch sozialisiert, daher sind mir alle Hintertürchen bestens vertraut (Flüssiges bricht das Fasten nicht, auch Tiere, die ertränkt wurden, gehen als Fische durch etc.). Seltsam.

Dienstag, 19. März 2019

$tudio$i


Jetzt haben die doch tatsächlich herausbekommen, was niemand für möglich halten konnte: Dass Reiche und Prominente ihre eher durchschnittlich begabten Sprösslinge mittels großzügiger Spenden an US-Privatunis quasi auf der Überholspur dort hinein und da durch bugsiert haben sollen nämlich. Das hat mein Weltbild schon ein wenig ins Wanken gebracht. Ich meine, wir leben doch in einer Leistungsgesellschaft, oder? Ist es etwa nicht so, dass Reiche aus purer Menschenliebe heraus spenden ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten? Und wer würde schon auf die absurde Idee verfallen, private Universitäten seien irgendwie empfänglich für finanzielle Zuwendungen?

Samstag, 16. März 2019

Schmähkritik des Tages (26)


Heute: Magnus Klaue über Bernhard Schlinks 'Der Vorleser'

"1995, acht Jahre nach seinem Krimidebüt und sechs Jahre nach dem Mauerfall, sah Schlink die Zeit für seinen genozidalen Pageturner gekommen, dessen Protagonistin nach Beteiligung an Holocaust und Wiederaufbau noch über genügend Restlibido verfügt, um den weitaus jüngeren Ich-Erzähler, dessen erste Liebhaberin sie ist, nach der wöchentlichen Kernseifenwaschung erschöpfend und moralisch einwandfrei zu befriedigen. Sadistische Gutmütigkeit, sentimentale Herzenskälte, viehischer Anstand und bodenständige Sexualhygiene des Romans wie seiner Heldin sicherten diesem einen Spitzenplatz auf den Leselisten von Oberstufenklassen, VHS-Kursen und DaF-Seminaren. Effizient bei der Beihilfe zum Massenmord, aber im Einzelfall kulant, lebenslustig anpackend bei der Juden- wie der Trümmerbeseitigung und mit einem Herz für Unterprivilegierte, avancierte Schlinks […] Selbst-ist-die-Frau, die sich vom Goebbels- zum Primo-Levi-Fan mausert, zum Idol einer Generation aufarbeitungsgeschädigter Sozialkundelehrer, die Schlink fast noch mutiger fanden als Gudrun Pausewang.

Donnerstag, 14. März 2019

Re: FCB vs. LFC


Natürlich ist der FC Bayern München nicht an allem schuld. Aber an vielem. An dem Bild nämlich, das die Bundesliga und der hiesige Fußball zur Zeit abgeben, lässt sich schön studieren, was passiert, wenn man Wettbewerb so gar nicht reguliert: Der Teufel scheißt auf den dicksten Haufen. Die letzten Jahre über hat der FC Bayern seine dominierende Stellung in der Liga genutzt, Wettbewerb systematisch zu behindern und Konkurrenz um den abonnierten Titel nach Möglichkeit gar nicht erst aufkommen zu lassen (und ist damit zum Karrieregrab für zahlreiche junge Talente geworden). Jegliche Kritik daran wurde damit abgebügelt, man sei halt erfolgreich, habe gut gewirtschaftet und das dürfe ja wohl nicht bestraft werden.

Dienstag, 12. März 2019

Gebt ihnen halt Globuli


Warum redet eigentlich alles immer nur über streikende Schüler? Warum reden wir nicht mal darüber, in welchem Maße der Staat, i.e. die Bundesländer Kindern und Jugendlichen ihr Recht auf Beschultwerden vorenthalten? (Zur Erinnerung: Aus der Schulpflicht resultiert umgekehrt ein Recht auf Schule.) Abertausende Stunden fallen aus, weil Lehrerstellen nicht besetzt werden können, nicht einmal mit Fachfremden und Quereinsteigern. Neuester Ausfallgrund: Impfgegner. Kein Witz. In Teilen Niedersachsens haben die Masernfälle derart zugenommen, dass eine Schule in Hildesheim alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, die keine gültige Masernimpfung vorweisen können, zwei Wochen lang vom Schulbetrieb ausgeschlossen hat.

Sonntag, 10. März 2019

Ronny des Monats - März 2019


Seit der letzten Verleihung ist so einiges passiert. Etwa der quasi offizielle Beweis, dass die AfD schlimmer röche als eine Biogasanlage, wenn Eigenlob stinken würde. Oder der 58jährige Münchner, der einem widerborstigen Taxifahrer mal die Meinung geigte. Oder was da aus der Schweiz zu vernehmen war. Die ist ja für nicht wenige Rechtsdrehende so was wie ein Musterland. Direkte Demokratie! Roger Köppel! Braune Kühe! Und jetzt das! Ein Schweizer Pressegrossist hat, so ist zu hören, die Zeitung 'Junge Freiheit' aus dem Sortiment von vier Filialen gelistet - und bei der NZZ reiben sie sich die Augen. Schockschwerenot! Zensur! Säuberungsaktion! Wann brennen die Bücher? Sind die Deutschen am Ende toleranter? Fragen über Fragen. Es sind also wieder einige heiße Kandidaten leer ausgegangen.

Donnerstag, 7. März 2019

Bullerei und Elfenstaub


Den Erinnerungen Vincent Klinks zufolge, musste ein Koch, der es zum Küchenchef bringen wollte, früher vor allem über drei Dinge verfügen: Trinkfestigkeit, die Fähigkeit, endlos über Fußball zu reden sowie einen unerschöpflichen Vorrat an Weibergeschichten. Wobei es bei letzteren egal gewesen sei, ob sie sich wirklich zugetragen hatten. Dazu in jedem Fall eine infernalisch laute Kasernenhofstimme. Halbwegs kochen zu können, so Klink, rangierte damals an vierter Stelle. Höchstens.

Montag, 4. März 2019

Närrisches Rollback


Der größte Vorteil, nicht in einer so genannten Karnevalshochburg zu leben, ist, dass man die Wahl hat. Derweil das närrische Volk sich draußen das Schietwetter schönsäuft, kann man sich kuschelig einigeln, sich ein paar Berliner reinpfeifen und den lieben Gott ansonsten einen guten Mann sein lassen. Man muss auch sonst keinen Aufwand betreiben wie seinerzeit mein Biolehrer. Der war Kölner mit Leib und Seele und liebte seine Heimatstadt von Herzen, gehörte aber zu jener Minderheit, der das närrische Treiben gewaltig auf den Docht ging. Also reisten er und seine Frau alljährlich für fünf Tage in eine humorlosere Gegend und kehrten erst Aschermittwoch wieder zurück.

Samstag, 2. März 2019

Unverhofftes Wiedersehen


Bis vor etwa zehn Jahren gab es in der von mir bewohnten Randständigen Mittelgroßen Ruhrgebietsstadt eine wunderbare Gaststätte, deren Inhaber einige Jahre lang das Kunststück hinbekommen hat, auf dem schmalen Grat zwischen Kneipe und Bar entlangzubalancieren. Vorne eine Kneipe mit einem Publikum, das nicht wirklich meins war. Zu alt, zu viele Goldknöpfe auf den Navyblazern. Hinten aber gab es ein Kaminzimmer. Klimatisiert. Dort saß man in tiefen englischen Ledersofas und ließ sichs gutgehen. Kein Laden, in den man ein Date ausführt, wie die jungen Leute das heute sagen, sondern einer, in dem man im Kreise guter Freunde die Woche Revue passieren lässt und das Weltgeschehen verhandelt. Gratis Salzstangen waren übrigens inbegriffen.