Dienstag, 28. Februar 2017

Handlungsbedarf, sofortiger


Es ist ja längst nicht nur der deutsche Jungmann, der ein quasi erotisches Verhältnis zum Auto pflegt. Zu Zeiten, in denen ich, lang ist’s her, in der Jugendarbeit aktiv war, da fiel zum Beispiel eine Clique polnischstämmiger Aussiedlerjungs durch einen gesteigerten Autofetisch auf. Ab der Pubertät trieb sie nur noch ein Thema um: Was für ein Auto kaufen, wenn man 18 ist? Für sie war die Sache in Marmor gemeißelt und sonnenklar. Etwas aus Stuttgart mit einem Stern auf der Haube, was anderes kam nicht infrage. Darauf lebten sie hin. Wer ihnen gegenüber aber meinte: Pfff, keine Ahnung, um ein Auto mache ich mir keinen Kopf, ich sehe erst mal zu, dass ich die Schule hinbekomme, den bedachten sie mit einem Blick, als hätte man ihnen soeben offenbart, man genieße nichts so sehr wie zu Klängen von Ernst Moschs Oberkrainern in Muttis getragene Schlüpfer zu onanieren.

Freitag, 24. Februar 2017

Primmidiwwe Schprachn


Eskimos, vulgo: Inuit, wird nachgesagt, in ihrem Wortschatz circa 20 verschiedene Wörter für Schnee zu führen. Diese Legende wurde Anfang des 20. Jahrhunderts vom Anthropologen Franz Boas in Umlauf gebracht, wohl um die Komplexität auch vermeintlich 'primitiver' Sprachen herauszustellen. Später dann wurde das gern nachgeplappert, um die Naturverbundenheit des Polarvölkchens hervorzuheben. Richtiger wird’s dadurch aber nicht. Zumal 20 Wörter für Schnee nicht wirklich viel sind. Menschen, die von jeher alpine Regionen bewohnen, dürften auch locker auf 20 Bezeichnungen für Schnee kommen. Wenn die Anzahl der verschiedenen Wörter für eine Sache ein Anzeichen für deren Stellenwert ist, dann finde ich es zum Beispiel weit auffälliger, wie viele Wörter der gemeine Brite für den Zustand des Alkoholisiertseins im Repertoire hat. Michael Streck hat  auf die Schnelle folgende kleine Auswahl zusammengetragen:

Mittwoch, 22. Februar 2017

Schmähkritik des Tages (5)


Heute, aus aktuellem Anlass: Deniz Yücel über das sich abschaffende Deutschland

"Endlich! Super! Wunderbar! Was im vergangenen Jahr noch als Gerücht die Runde machte, ist nun wissenschaftlich (so mit Zahlen und Daten) und amtlich (so mit Stempel und Siegel) erwiesen: Deutschland schafft sich ab! […]

Noch erfreulicher: Die Ossis schaffen sich als Erste ab. Während im Westen die Zahl der Minderjährigen in den vergangenen zehn Jahren um 10 Prozent gesunken ist, ging sie im Osten um 29 Prozent zurück. Die Sandys, Mandys und Jacquelines pfeifen auf das neue deutsche Mutterkreuz ("Elterngeld") und tragen nach Kräften dazu bei, dass den ostdeutschen Volkssportarten Jammern, Opfersein und Ausländerklatschen in absehbarer Zeit der Nachwuchs ausgehen wird.

Montag, 20. Februar 2017

Hengasch ist überall


Über das Leben in der Provinz nebst einer (viel zu späten) Huldigung an die Serie 'Mord mit Aussicht'

Eine Mode, meinte Jens Jessen einst, sei dann zu Ende, wenn sie bei den Bankangestellten angekommen sei. Anders gesagt, spätestens wenn ein Karl-Theodor zu Guttenberg öffentlich im AC/DC-Shirt herumgeistert, dann kann's mit der rebellischen Attitüde, die härterer Rockmusik irgendwann einmal eigen war, nicht mehr allzu weit her sein. In der Provinz, wo angeblich Deutschlands Herz schlägt, dauert das mit den Moden ja gern etwas länger. Ich weiß das, ich lebe dort. Da die Stammkneipe eine geschlossene Gesellschaft beherbergte, saß ich die Tage nach langer Zeit mal wieder in einem systemgastronomischen Filialbetrieb, der auf Kneipe macht. Dort haben sie jetzt eine eigene Gin-Karte. Richtig mit Sommelier-Lyrik und Empfehlung für das passende Tonic Water. Wer etwa seinen Tanqueray, den bei weitem billigsten Schabau auf der Karte, mit Schweppes süffelt anstatt mit Fentiman's, macht das Licht noch mit dem Hammer aus und kann gleich duschen gehen, so die unterschwellige Botschaft.

Samstag, 18. Februar 2017

Jeckes Treiben


Dass die FAZ nicht unbedingt das Zentralorgan der Arbeitnehmerseite ist, kann als bekannt vorausgesetzt werden. Aber das Interview, das Sven Astheimer mit dem ehemaligen Opel-Personalmanager Manfred Becker geführt hat, ist sogar innerhalb dieses Krämerseeelenkosmos eine Nummer für sich. Eigentlich geht es bei dem Geplauder um die verheerenden Auswirkungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes (AGG), mit dem, folgt man Beckers Ausführungen, quasi der Sozialismus in deutschen Chefetagen Einzug gehalten hat. (Ich frage mich ja immer, wie derartige Katastrophenmeldungen zusammengehen mit den Jubelarien über Beschäftigungs- und Exportrekorde. Vermutlich nach derselben Formel wie die vom Fachkräftemangel mit denen über die Industrie 4.0, die uns allen die Arbeit wegnehmen wird. Aber egal.) Nebenbei geht es aber auch um den Mindestlohn:

Dienstag, 14. Februar 2017

Happy Valentine!


Zum Standardrepertoire des sich gern unangepasst und unkonventionell Gebenden gehört das alljährliche Mosern gegen vergleichsweise junge Importbräuche wie Halloween und, ganz aktuell, den Valentinstag. Wird Halloween inzwischen vielerorts zähneknirschend geduldet wegen des Spaßes, den die Kinder daran haben, hört beim Valentinstag der Spaß auf. Der sei ja vor allem, so erklären’s uns die Durchblicker, nichts weiter als eine Verschwörung der Schnittblumenmafia und des Pralinenkartells in Zusammenarbeit mit der Klunker-Camorra sowie der Gastronomen-Al-Quaida. Und garantiert hat irgendwie auch Goldman Sachs die Hand im Spiel. (Das andere darf man ja nicht mehr sagen.) Und überhaupt, jetzt, da der Trump deutsche Autos teurer machen will, boykottieren wir halt den Amischeiß. Ätsch. Hatter jetzt davon, der Ungut!

Montag, 13. Februar 2017

Ronny des Monats - Februar 2017


Aufmerksamen Lesern mag auffallen, dass in diesem Monat einen Schwerpunkt im sächsischen Dresden zu geben scheint. Das ist nicht nur scharf beobachtet, sondern auch nicht ganz falsch und liegt daran, dass in dieser Stadt momentan zwei Faktoren zusammenkommen: Zum einen jährt sich immer im Februar die Nacht des hinterhältigsten und heimtückischten Luftangriffs aller Zeiten auf die unschuldigste und schönste Stadt der Welt. Und bei der Bombennacht von Dresden ist der selbstmitleidige Opferdeutsche ganz bei sich. Zum anderen ist Dresden immer noch Hort und Epizentrum einer Schmerzfreienvereinigung namens Pegida, die immer noch wacker auf die Straße geht und ihre unterkomplexe Weltsicht zum besten gibt.

Apropos unterkomplex: Natürlich ist dies hier eine höchst eklektische Veranstaltung. Ist in diesem Rahmen auch nicht anders zu machen. Wer sich ein einigermaßen vollständiges Bild machen möchte, sei auf die allwöchentliche Presseschau auf netz-gegen-nazis.de verwiesen. Aber Vorsicht! Die Lektüre kann einem nachhaltig den Tag vermiesen. Sie wurden gewarnt.

Aber zurück zum Thema. Die Preisträger:

Freitag, 10. Februar 2017

Zeugnis für J.G.


Jetzt, da am Sonntag ein neuer Frühstücksdirektor in einem Akt gelebter Demokratie alternativlos auf den Schild gehoben wird, ist es vielleicht eine gute Gelegenheit, dem scheidenden Präsi noch schnell ein Arbeitszeugnis auszustellen. Es ist hierzu nicht ganz unwichtig, sich klarzumachen, dass ein Bundespräsident zwar formell die Funktion hat, das Land nach innen und nach außen zu repräsentieren, ansonsten aber vor allem gewählt wird, damit alles beim Alten bleibt und die Geschäfte ungestört weiter laufen können. Will heißen, sich um Himmels Willen nicht mit denen anzulegen, die es wirklich zu sagen haben und erst recht nicht die herrschenden (Besitz-) Verhältnisse infrage zu stellen. Allzuviel an Kontroverse im Sinne konträrer Gesellschaftsentwürfe ist hierzulande eh nicht allzu beliebt.

Dienstag, 7. Februar 2017

Schwarzgelbes Urvieh


Fans des Fußballclubs Borussia Dortmund sind am Wochenende negativ aufgefallen. Das geht mich an. Man sollte daran erinnern, dass man beim BVB, wie’s der der Relativierung, diverser Schandtaten, erst recht deren rechter, vollständig unverdächtige Klaus Bittermann schon sagte, zwar versuchen kann, Rechte aus dem Stadion zu halten, aber eben nichts dafür kann, dass selbige sich Dortmund als Hochburg ausgesucht haben. Zu 28 Anzeigen wegen Körperverletzung ist es rund um das Spiel gegen RB Leipzig gekommen, vier Polizeibeamte wurden verletzt. Das ist sicher nicht schön, es ist ohne Wenn und Aber abzulehnen und ich will gewiss auch nichts verharmlosen, aber ein wahres Massaker, wie es von einigen ganz besonders eilfertigen Opfern kolportiert wurde, scheint mir immer noch etwas anderes.

Sonntag, 5. Februar 2017

Grenzerfahrungen in der Konsumgesellschaft (13)


Der Titel ist eigentlich irreführend. So grenzwertig waren die Erfahrungen dieses Mal gar nicht. Zumindest nicht die beim Konsumieren selbst. Was war geschehen? Nun, ich hatte kurzerhand entschieden, dass ein neuer PC hermusste. Ja, richtig gelesen. PC. Desktop. Tower unten, Monitor oben. Mit Tastatur und Maus. Jenseits der Hardcore-Gamerszene ein Apparillo aus dem computertechnischen Mesolithikum in diesen Zeiten von Tablets, All-in-One-PCs und was weiß ich. Ein Gerät mithin, dem ein bis zweimal im Jahr das baldige Ende prophezeit wird. Interessiert mich nicht. Ich brauche so was immer noch als Unterhaltungsmaschine für alles, was Kollege Laptop nicht mitmacht. Nur wollte das alte Teil nicht mehr recht. Der Controller hatte von Beginn an Probleme mit dem Linux-Bootloader (ich betrieb darauf  Linux Mint und Windows 7 per Dual Boot bzw. ich versuchte es), am Ende musste irgendwas am Mainboard in den Binsen gewesen sein, denn die Kiste ließ sich kaum noch hochfahren.

Freitag, 3. Februar 2017

Toni Erdmann Fieber


"Stolz sein auf Deutschland […]? Sich auf Dinge etwas einzubilden, zu denen man nichts beigetragen hat, geht nie gut aus." (Ambros Waibel)

Vermutlich liegt es daran, dass deutsche Kinoproduktionen jenseits von Expertenkreisen so selten internationale Beachtung finden. Die bisherigen Oscars für deutsche Produktionen lassen sich, sollte einem so was wichtig sein, bequem an einer Hand abzählen. Das heißt natürlich nicht, dass nicht auch Originelles und Innovatives aus hiesigen Gefilden käme, aber die Erlebnisse einer Dorfpolizistin in der Eifel oder eines Tatortreinigers scheinen international halt immer noch schwer vermittelbar. Alle paar Jahre erregt halt mal was ein gewisses Aufsehen und das war's dann. Maren Ades Film 'Toni Erdmann' soll auch in diese Kategorie fallen, wie allgemein zu hören ist.