Sonntag, 26. Januar 2014

Alle Jahre wieder


Die belagerte Hofburg

Es gibt Dinge, für die mir jegliches Verständnis abgeht. Karneval zum Beispiel. Oder die Wiener Ballsaison. Mag daran liegen, dass ich eh ein ausgemachter Tanzmuffel bin, aber öffentlich inszenierte, prunkvolle Bälle, auf denen man bis in den frühen Morgen steife Kleidung tragen und noch steifere Etikette einhalten muss, sind nicht meine Welt. Auch werde ich den Eindruck nicht los, dass viele dergestalt Feiernde ihr Gewalze nicht etwa diskret im Stillen zelebrieren (was ja noch ginge), sondern sich an so einem Abend für was ganz Besonderes zu halten scheinen und daher Bewunderung und Bestauntwerden für sich reklamieren von den nicht eingeladenen Zaungästen. Wenn das so sein sollte, liegt das vermutlich an der höfischen Tradition solcher Veranstaltungen. Ich will das natürlich nicht verbieten oder so was, Blödsinn. Nur fehlt mir eben jeglicher Sinn dafür. Kann sein, dass ich ein kompletter Ignorant bin. Oder es liegt daran, dass ich kein Wiener bin.

Auch das Studentenverbindungsgewese war bekanntlich nie so meins, und mit Teilen der schlagenden Hackfressen habe ich erst recht ein Problem. Zwar hänge ich nicht dem Vorurteil an, dass Farben tragende Studiosi per se rechtes Gedankengut pflegen. Mir ist sehr wohl bewusst, dass es durchaus liberale und weltoffene Verbindungen gibt, die so was nicht tolerieren. Aber die ganze Vereinsmeierei und das anachronistische Gekungel waren mir immer suspekt. Bei denjenigen aber, die vorgestern an dem von der FPÖ veranstalteten Akademikerball in der Wiener Hofburg ("Ein schmissiges Fest", titelte der Standard unnachahmlich) teilgenommen haben, liegt man sicher nicht ganz falsch, wenn man ihnen mehrheitlich, höflich ausgedrückt, einen Hang zu eher unappetitlichem Denken unterstellt. Daher haben all jene, die gewaltfrei dagegen demonstriert haben, meine volle Sympathie. Möglich, dass ich auch dabei gewesen wäre, wenn Wien nicht eine gute Tagesreise von meiner Heimat entfernt läge. Aber ich betone: Möglich. Sicher bin ich mir nicht.

Man gerät da nämlich leicht in ein Dilemma. So verständlich und richtig es ist, bei so einem Anlass Flagge zu zeigen, spielen die Demos, so wie sie ablaufen, letztlich den Ballgästen und der FPÖ in die Hände. Die profitiert von jeher davon, sich bei auch zivil vorgetragener Kritik als arme Opfer linksextremer Hetzkampagnen zu inszenieren und sich sofort in ihrer Meinungsfreiheit beschnitten zu sehen. Es gibt einfach zu viele in der schweigenden Mehrheit, die da stillschweigend zustimmen. Zudem es bei solchen Massendemonstrationen wohl kaum ohne ein wenig Randale hier und da abzugehen scheint. Auch das wird von rechten Recken gern zum Anlass für Fingerzeigen genutzt: Seht sie euch an, diese Chaoten, diese Demokratiefeinde, wir haben es ja immer gesagt. Die Masche mit der verfolgten Unschuld ist natürlich Quatsch. Dass angeblich eine abgewandelte Fassung des Horst-Wessel-Liedes auf dem Musikprogramm stand und die maßlosen Draufhauphantasien, die sich in der Sympathisantenszene artikulieren und dank Internet auch öffentlich werden, sprechen da eine deutliche Sprache.

Für den in jeder Hinsicht außen stehender Betrachter nimmt die ganze Sache mehr und mehr Züge eines alljährlich geradezu lustvoll zelebrierten Rituals an. Man wird das Gefühl nicht los, dass auf beiden Seiten nicht wenige sind, die sich auf den ganzen Trubel insgeheim sogar freuen. Den Gefallen sollte man ihnen eigentlich nicht tun. Andererseits, einfach nichts machen und zu Hause bleiben geht auch nicht, denn das signalisierte Zustimmung. Also, was tun? Das Beste wäre vielleicht so eine Art eisige Mauer des Schweigens um die Hofburg zu errichten. Hingehen, nichts sagen, nicht hauen, nicht trillern, nicht rumbrüllen. Und wenn die zum Ball schreitenden Herren Chargierten nebst Damen vorbeidefiliert kommen, sich umdrehen und ihnen einfach schweigend den Rücken zudrehen. Das wäre mal was.



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