Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Sonntag, 6. März 2016
Was macht der Irre jetzt?
"Die Idee, Donald Trump könnte Präsident der Vereinigten Staaten werden, ist alt, und sie stammt nicht einmal von ihm selbst. David Letterman und andere Komiker hatten den Witz seit Jahren im Repertoire. Die Idee war so albern, dass sie immer mal wieder für einen Kalauer gut war." (Markus Günther)
Ohne mich zum Experten für US-amerikanische Innenpolitik aufspielen zu wollen, der ich nicht bin, gehe ich wohl nicht völlig fehl in der Annahme, dass es sich bei den Kandidaten-Kandidaten der Republikanischen Partei im wesentlichen um einen Haufen vom Ganzgroßkapital ferngesteuerter, völlig zu Recht aus dem Rennen gefallener Profilneurotiker, Fanatiker, Egomanen und bestenfalls halb zurechnungsfähiger Blitzbirnen handelte. Die hatten wie üblich von ihren Geldgebern den Auftrag erhalten, Politik zum Nutzen der Reichsten als dem Allgemeinwohl dienlich zu verkaufen und sind daran grandios gescheitert. Übrig geblieben ist, wie die Kakerlake nach der Atomexplosion, Trump. The Donald. Und keiner weiß, warum.
Ich weiß es auch nicht wirklich, dazu müsste ich mich intensiver mit dem politischen Geschehen jenseits des Großen Teichs befassen. ("Großer Teich" - möööp! Sie haben Ihren Phrasenvorrat für heute verbraucht. Bemühen Sie sich ab jetzt um originelle Formulierungen!) Schauen wir daher einmal nach bei einem, der sich auskennt. Bei Rainer Sütfeld etwa. Der ist Autor der Kolumne 'Das kulturelle Wort' beim 'Hamburger Abendblatt'. Der muss es also eigentlich wissen. Seine Schreckensvision: Trump wird Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Hillary Clinton, die letzte Hoffnung der Freien Welt, könnte gegen Bernie Sanders scheitern und es liefe am Ende auf ein Rennen zwischen Bernie und Donald hinaus. Amerika hätte dann - wehe, wehe! - nur noch die Wahl zwischen zwei Populisten und Träumern. Von denen einer bereits Sympathien für Vladimir Putin bekundet hat.
Nun bin ich, wie gesagt, kein Experte für US-Politik oder das dortige Wahlsystem. Aber wem als Antwort auf die Frage, warum weder Sanders noch Trump ins Weiße Haus einziehen sollte, nur einfällt, es handele sich um Populisten und Träumer, sollte lieber weiter Kulturelles verzapfen.
(Nebenbei bemerkt: Ich bin weiß Gott kein Fan von Putin. Leute, die Amerika zur alleinigen Wurzel wirklich allen Übels auf der Welt und ihn zur neuen Hoffnung Europas hochstilisieren, haben für mich dermaßen falsch abgebogen, dass ihnen so ziemlich alle Maßstäbe abhanden gekommen sind. Trotzdem halte ich den Westen für gut beraten, es nicht zu übertreiben und lieber die eine oder andere Kröte zu schlucken. Fürs erste zumindest. Muss man in der Weltpolitik manchmal. Ich finde das übrigens aus rein egoistischen Motiven heraus. Ich hänge nämlich ein klein wenig am Leben und habe absolut keinen Bock auf einen Krieg. Erst recht nicht auf einen, in dem Atomwaffen zum Einsatz kommen könnten.)
Zurück zum Thema. Also, Hefte raus, Klassenarbeit! Erkläre: Was ist ein Populist und Träumer?
Legt man als Maßstab an, was Sütfelds Kolumne implizit zu entnehmen ist, dann ist in der Politik ein Populist und Träumer jemand, der es wagt, den so genannten kleinen Leuten Wohltaten in Aussicht zu stellen. Steuersenkungen. Bezahlbare Krankenversicherung. Sozialprogramme. Infrastruktur. Und umstürzlerische Reden schwingt, in denen Reiche eventuell im Verhältnis als ein klitzekleines Bisschen zu wenig besteuert erscheinen. Ein Realist ist demnach im Umkehrschluss, wer dem Volke, den 99 Prozent, tüchtig die Zuchtrute schwingt. Damit es wisse, wo sein Platz ist im Lande Neoliberalalala. Keine Geschenke! Keine anstrengungslosen Wohltaten! Wo kommen wir denn dahin? Gürtel enger schnallen! Steuersenkungen für Reiche! Auf dass ihr gemehrter Reichtum an irgendeinem Sankt Nimmerleinstag einst durchsickere nach unten.
So als Tipp: Könnte es sein, dass in den USA inzwischen sogar bei den Republikanern eine ausreichend große Menge derer, der sich noch nicht aus dem Wahlgeschehen verabschiedet haben, die brutalkapitalistische Ideologie der übrigen Kandidaten, pardon: Pragmatiker und Realisten, offenbar so zum Halse heraus hängt, dass sie angesichts dieses Personals eher bereit waren, einem wie Trump ihre Stimme zu geben? Und angesichts der Parade aus gekauften Sockenpuppen sogar bereit waren, über das Märchen vom Selfmade-Milliardär hinwegzusehen (was Leute wie Sütfeld freilich immer noch brav nachplappern)? Das erfordert übrigens so einiges an Verleugnung. Woran sich auch das ganze Ausmaß an Frustration ermessen lässt, das inzwischen um sich gegriffen hat. Wer nämlich ernsthaft glaubt, Trump habe seinen Reichtum komplett aus eigener Kraft erwirtschaftet, ist auch bereit, George W. Bush für einen Intellektuellen zu halten.
Also, was will Trump? Bzw. was ist er? Vielleicht ist er ein Clown, schubidu. Einer, der sich zum Ziel gesetzt hat, der Welt zu demonstrieren, wie vergleichsweise einfach es ist, der milliardenschweren Wahlkampfindustrie die Luft herauszulassen und ihre ganze Hohlheit bloßzustellen. Schön wär's ja. Zumal ihm Kenner der US-Politik nur wenig Chancen auf das Präsidentenamt einräumen, denn dazu hat er angeblich bereits jetzt zu viele wichtige Wählergruppen irreparabel verprellt. Also, warum macht er das? Nur aus Eitelkeit? Einzig und allein, um der Welt zu zeigen, was für ein Ego er in der Hose hat? Oder ist er am Ende gar ein U-Boot der Familie Clinton? Installiert, um Hillary ins Amt zu helfen, indem er vorab schon mal alle lästigen Gegenkandidaten aus dem Weg räumt. Das Verhältnis zwischen ihm und der Familie Clinton gilt in Insiderkreisen jedenfalls als durchaus herzlich.
Was immer Trump ist, eines ist er gewiss: Ein Symptom für die Legitimationskrise, in die politische Systeme zwangsläufig geraten, wenn sie den Knall par tôut nicht hören wollen. Etwa wenn sie im Jahr sieben nach 2008/09 den Menschen immer noch verkaufen wollen, Politik für die Märkte und die Reichsten sei im Interesse der Allgemeinheit. Und sich dann über Bedeutungsverlust wundern.
Ach so, bevor ich's vergesse: Trump hat mit der aggressiven Frömmelei der Republikaner nichts am Hut, was ihn wohltuend unterscheidet. Noch was: Er tritt für (moderate Steuererhöhungen für Reiche ein.
Im Hamburger Abendblatt gibt es übrigens täglich außer sonntags ein sehr schönes Kreuzworträtsel.
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