Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Donnerstag, 24. Januar 2019
Jenseits der Blogroll - 01/2019
Politik. Für mich der Blogbeitrag des Monats in Sachen Politik ist Stefan Sasses Serie über die Gründe, aus denen Hillary Clinton 2016 gegen Donald Trump unterlegen ist. Gewohnt detailliert, kenntnisreich und in der Tiefe schürfend. Wer verstehen will, ist gut beraten, sich das in Ruhe anzutun. Nur so viel: Die meisten journalistischen Analysen im deutschsprachigen Raum haben bislang zu kurz gegriffen und/oder waren reichlich oberflächlich.
Teil 1: Einführung - Teil 2: Was 2016 geschah - Teil 3: Warum sie nicht verlor - Teil 4: Faktoren innerhalb ihrer Kontrolle - Teil 5: Faktoren außerhalb ihrer Kontrolle - Teil 6: Ein Desaster ohne Moral
(Vielleicht bin ich auch nur neidisch, weil es da in den Kommentaren meist so hoch her geht.)
Leo Fischer über den Schreck seines Lebens. Bei der Springerschen wird mit Rassismus gearbeitet. Ja Schockschwerenot!
Hannes Stein frei nach George Orwell: Drei Listen mit wissenschaftlichen Theorien, die von Linken, Rechten und von beiden politischen Lagern geleugnet zu werden pflegen.
Fabio Ghelli mit einem deprimierenden Stimmungsbild aus dem gegenwärtigen Italien.
"Vielleicht wissen das viele nicht: Kinder und alles, was daran hängt, entstehen beim Sex! Wenn man mit Männern schläft, die dazu die falsche Einstellung haben, hat man danach halt auch das falsche Leben. Nur durch Sex mit den falschen Männern kann einem das passieren, dass man am Ende alleine zuhause Kinder großzieht." (Charlotte Roche)
Mit Feminismus habe ich es bekanntlich nicht durchgängig so. Kluger, selbstkritischer Feminismus, der neue Einsichten öffnet, ist hingegen so willkommen wie alles Kluge und Geistreiche. Wie jüngst von Viv Albertine und, siehe oben, Charlotte Roche.
Wirtschaft. David Graeber hat kürzlich ein Buch über sinnlose Bullshit Jobs verfasst. Aus seiner Sicht ist zirka ein Drittel aller Jobs komplett überflüssig.
Kultur. Georg Seeßlen über die neue 'Das Boot'-Serie. Für ihn "ein Werbeclip für die Armee der Ära von der Leyen".
Sich auch als notorischer Morgenmuffel mitten in der Nacht aus dem Bett zu quälen ('Miracle Morning') und, noch wichtiger, erleuchtet grinsend, platzend vor Energie und mit dem missionarischem Eifer des frisch Bekehrten allen penetrant damit auf den Docht zu gehen, wie viel mehr man jetzt gewuppt bekäme, scheint das aktuelle hotte Dingen zu sein bei der Generation Achtsam & Leistungsfixiert. Am Arsche! Hendrik Oerding mit einem Hoch auf die Snooze-Taste. Es ist weit gediehen mit dem Kapitalismus, wenn es schon als Akt des Widerstands durchgeht, morgens noch zehn Minütchen liegen zu bleiben.
Für Micky Beisenherz ist Dubai ein Ort zum Vergessen. Zum möglichst schnellen.
Preisfrage: Wann fand das erste Wiener Neujahrskonzert statt, jener walzerselige Jahresauftakt, zu dem gefühlt halb Mitteleuropa (und Japan) sich musikalisch den Silvesterkater aus der Murmel duselt? 19. Jahrhundert? Falsch! 1918 oder 1919, als bittersüße Erinnerung an selige Tempi passati? Auch falsch. Zum ersten Mal wurde 1939 gewalzt (damals allerdings noch an Silvester), maßgeblich auf Betreiben von Joseph Goebbels. Der Erlös kam der Organisation 'Kraft durch Freude' zugute. Dirigiert wurde das von Clemens Krauss. Ob der ein NS-Parteigänger war oder einfach nur ein Opportunist, ist umstritten. Zumal die Philharmoniker dringend neue Zielgruppen auftun mussten, weil die antisemitischen Säuberungsmaßnahmen (1938 wurden alle Juden aus dem Orchester der Wiener Staatsoper entlassen) die Kartenverkäufe hatten einbrechen lassen. 2019, nicht so ganz zum Jubiläum, aber fast, schwang Christian Thielemann den Stab.
"Seit jeher betätigt sich Thielemann gern als Rechtsausleger mit preußischer Konnotation - ein Bild Friedrichs des Großen hängt in jedem seiner Dienstzimmer über dem Schreibtisch. Bei einem Nürnberger Silvesterkonzert wollte er 1992 Hitlers Parademarsch »Badenweiler« aufführen, beim Silvesterkonzert 2017 in der Dresdner Semperoper ließ er Propagandaschlager der UFA spielen, und bei einer Probe soll er 2000 in Berlin von der »Juderei« im hauptstädtischen Musikleben gepoltert haben (was auch in einem Prozess nicht restlos geklärt werden konnte). Thielemann sagt von sich selbst: »Ich bediene die deutsche Schublade besonders schön.« So ist das wohl, und vielleicht ist Thielemann, der erste Deutsche, der das Wiener Neujahrskonzert dirigieren darf, gerade deshalb der ideale Dirigent dieser Veranstaltung." (Berthold Seliger)
Sieglinde Geisel: Relotius gibt es nicht. Starkes Statement!
Sportteil. Gunter A. Pilz über den aktuellen Zustand der DFB-Elf. Besonders gefielen übrigens die Bezeichnungen "Operettenpublikum" und "Krabbenbrötchenbrigade".
Essen und Kulinarik. Als ich vor Jahren mal auf Kurzbesuch in Wien weilte, hatte ich ein Erlebnis, wie ich es gar nicht mehr kannte: Ich hätte mir beinahe an einem Schaufenster die Nase plattgedrückt. Dazu muss man wissen, dass ich normalerweise nicht so steil auf Kuchen, Torten und Süßes gehe sowie ferner, dass ich Schaufenster angucken tendenziell langweilig finde. Aber das hier war eine andere Liga. Nie zuvor hatte ich so akkurat gefertigte und geschnittene Tortenstücke gesehen, die zudem auch noch einzeln in edles Seidenpapier eingeschlagen waren. Dem Biskuit war die Wolkigkeit durch das Glas anzusehen. Dazu das dunkelhölzerne biedermeierliche Ambiente. Ich staunte wie einst als Kind, wenn in einem Schaufenster eine Modellbahn aufgebaut war. Es handelte sich um die Auslage des ehem. k.u.k. Hofzuckerbäckers Demel am Kohlmarkt. Ein Anblick, bei dem sogar mir als Confiserie-Banausen das Herz aufging.
Gern wäre ich eingekehrt, und wenn es nur für einen Verlängerten und ein Stück der berühmten Sachertorte gewesen wäre, doch die Zeit ward knapp, die Begleitung drängte zur nahe gelegenen Hofburg. Damit wir es nicht mehr tun müssen, hat Severin Corti sich durch das Angebot beim Demel probiert. Und war eher unterwältigt. Zwar gibt es die züchtig in schwarz gekleideten, 'Demelinerinnen' genannten Servierdamen noch und sie reden auch noch dieses altmodische, höfisch gefärbte Demel-Deutsch ("Wünschen zu speisen?", "Haben schon gewählt?", "Brot, wenn möchten."), doch rekrutieren sie sich längst nicht mehr aus einem frommen Damenstift. Und das, was sie so servieren, ist offensichtlich das, was dabei herauskommt, wenn 'Investoren' und 'Caterer' das Ruder übernehmen. Beim Demel schwingt längst die Firma Do & Co federführend den Löffel. Die steht im Ruf, es als einstiger Zulieferer der Lauda Air geschafft zu haben, Flugzeugessen halbwegs genießbar gemacht zu haben. Immerhin.
(Severin Corti zeichnet übrigens auch für meinen Restaurantverriss des Jahres 2018 verantwortlich, in dem er sich die 'Gräfin vom Naschmarkt' in Wien vornahm.)
Zurück nach Deutschland. Mag wegen AfD und Social Media hierzulande der Diskurs verrohen - durch Kürbissuppe verroht die deutsche Esskultur. Weiß Hannes Schrader. Aha. Dies eitle Geschwurbel kann immerhin noch als warnendes Beispiel dienen, dass Jugend nicht vor Dünkel schützt.
Das Rezept des Monats stammt dieses Mal von Jamie Oliver. Weil hier häufig Fleischiges präsentiert wird, könnte der Eindruck entstehen, man könnte mich mit Vegetarischem jagen. Stimmt aber nicht. So sprang mich letztens dieses fleischfreie, wenn auch nicht vegane Rezept für Cannelloni mit Brokkoli-Blumenkohlfüllung an. Ich habe es noch nicht ausprobiert, kann mir aber sehr gut vorstellen, dass mir beim Verzehr jegliche Impulskontrolle flöten ginge.
4 Kommentare :
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Kommentare zum Post
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Who is Hillary Clinton??
AntwortenLöschenMuss es im vorletzten Absatz im Kontext nicht Dinkel statt Dünkel heißen? ;-)
AntwortenLöschenJa, das ginge auch.
Löschen@jakebaby: Keine Ahnung. Irgend sone Provinzpolitikerin, glaube ich.
Genau! Desdawegen redet ausser Trump&Co keiner mehr drueber.
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