Donnerstag, 29. April 2021

Frag' ja nur

 
(1) Golden Girl

Wenn Sie mal Interesse haben, den Preis als 'Goldene Blogger*in' einzuheimsen, machen Sie es einfach wie die diesjährige Preisträgerin Teresa Bücker. Stoppeln Sie eine Wordpress-Seite zusammen, auf die Sie sechs dünnliche Essays stellen und beweihräuchern Sie sich ansonsten vor allem mal selbst. Ehrlich, ich verstehe das nicht. Klar, Quantität ist nicht gleich Qualität, aber in jedem Chiamsamen-Tofuschnitzel-Veganecupcakes-Muttiblog steckt mehr Arbeit, Hingabe, Talent, Geist und Inhalt als darin. Vielleicht ist da auch was durcheinander geraten und Frau Bücker sollte eigentlich den Preis als 'Beste(r) Blogger*in ohne Blog' bekommen. Aber den haben bereits 'Joko und Klaas für ihre "15 Minuten" bei 'ProSieben' gekriegt.

Überhaupt, was machen die als Nächstes? Einen Literaturpreis für Autoren, die noch nie ein Buch geschrieben haben? Wie muss ich das verstehen, dass es zwar eine eigene Kategorie 'Bestes Instagram-Account' gibt und dann der Preisträger als 'Bestes Politik-Blog' ebenfalls ein Instagram-Account ist?

Frag ja nur. Man wird wohl alt.


(2) Diverse Karten

Gute Nachrichten für alle, die schon immer unter klassischen toxischen Spielkarten voller Weißer Männer gelitten haben. Drei junge Gründerinnen haben jetzt ein gendergerechtes Kartenspiel entwickelt, das auch nichtweiße Figuren enthält. Okay. Habe ich kein Problem mit. Kulturpessimistisches Gebramme a'la "Jetzt nehmen sie uns nicht nur die Zigeunersohse, sondern auch noch unsere Skatkarten!!!1!", sagt eh bloß was über die Urheber aus. Es gibt alle möglichen Kartenspiele, auch die für den gepflegten schwiemligen Herrenabend. Warum soll es demnach nicht auch gegenderte geben? Nur mit der Motivation habe ich meine Probleme.

Hätten die Damen angegeben, sie seien der Meinung gewesen, die Zeit sei einfach reif für so ein Produkt, wäre ja alles gut gewesen. Doch nein, sie als passionierte Kartenspielerinnen hätten es doof gefunden, dass die höchste Karte männlich sei, gab eine der Jungunternehmerinnen zu Protokoll. Duh?

Ich will wirklich nicht klugschwätzen, geschweige denn mansplainen, aber bei den Kartenspielen, die ich kenne, ist der Kreuz-Bauer/-Bube nur beim Skat der höchste Trumpf. Sofern nicht Null gespielt wird. Dann sind die Asse die höchsten Karten, gefolgt von den Zehnen. Beim Doppelkopf sind beim Standardspiel die beiden Herz-Zehnen (Femininum), genannt 'Dullen', die höchsten Trümpfe, danach kommen die Damen (!) in der Reihenfolge Kreuz-Pik-Herz-Karo. Wer zusammenspielt, entscheidet normalerweise die Verteilung der beiden Kreuz-Damen (!). Könige sind fehl, bis auf den Karo-König, der der niedrigste Trumpf ist. Wird ein 'Fleischloser' gespielt, sind die Asse die punkt- und ranghöchsten Karten.

Rommé beherrsche ich auch noch halbwegs. Da gibt es gar keine Trümpfe. Die punkthöchsten Karten sind die Asse (Neutrum) mit elf Punkten (wenn sie nicht in der Konstellation As-Zwei-Drei… ausgelegt werden, dann zählt ein As nur einen Punkt). Es folgen die Zehnen und die Figurenkarten mit ebenfalls jeweils zehn Punkten. Eine Sonderrolle nehmen die Joker (Maskulinum - buuuh!) ein. Die zählen entweder den Wert, den sie beim Auslegen ersetzen oder bringen einem, wenn man die Partie verliert und einen Joker auf der Hand hat, zwanzig Miese ein. Also nicht nur Vorteile. Beim Canasta ist es meiner Kenntnis nach ähnlich, bei Brigde und Poker ebenfalls, aber da kenne ich mich nicht aus.

Aaaber darum ging es ja nicht allein. Auch dass auf den Spielkarten nur weiße Menschen abgebildet seien, sei voll obsolet, da "kein Spiegel der Gesellschaft mehr". So die Miterfinderin Samantha Schwickert. Soso, aha. Mal eine Frage: Wann waren Spielkarten denn jemals ein „Spiegel der Gesellschaft“? Beim französischen und englisch-amerikanischen Blatt zeigen die Figurenkarten ('Hofkarten') entweder Könige, Göttinnen bzw. Königinnen (Damen) oder Ritter bzw. Paladine (Bauern/Buben). Fürwahr, ein repräsentativer Querschnitt!

Vor allem, wenn man bedenkt, dass in Europa bis zur Industrialisierung über 90 Prozent der Bevölkerung nicht als König, Göttin bzw. Königin oder Ritter bzw. Paladin tätig waren, sondern sich in der Landwirtschaft als überwiegend Unfreie den Buckel krummschufteten.

Kartenspiele - eine rassistischere, patriarchalere Maskuscheißhölle kannste dir echt nicht ausdenken! Ach so: Darf man bei den neuen Karten auch richtig draufkloppen, oder wäre das dann Gewalt gegen Frauen und Minderheiten? Frag ja nur.





12 Kommentare :

  1. Ich bin Frau Bückers größter Fan, seit sie - ungeheuer mutig, wie immer - auf Twitter Janoschs überbordenden Sexismus in Form eines der Tigerente gegenüber übergriffig werdenden Froschs thematisierte: https://twitter.com/teresabuecker/status/1370025830219358210 Eine solche Meinungs- und Haltungsstärke verdient jeden Preis, egal für was.

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  2. Das RND lässt die Fake News auch ganz lokcer durch:
    "Samantha Schwickert: Die Idee kam mir im Urlaub beim Doppelkopf spielen mit männlichen Freunden. Vorher hatte ich mich schon länger mit Bildsprache in den Medien beschäftigt. Auf den Karten sind jedoch nur weiße Menschen und die höchste Karte ist männlich. Das ist kein Spiegel unserer Gesellschaft mehr."
    Du hast ja zu DoKo schon was geschrieben. Entweder lügt die Dame oder sie hat keine Ahnung. Beides sollte das Medium doch irgendwie mal hinterfragen?

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  3. Ich hab selbst gute Erinnerungen an die Kinderbücher von Janosch. Aber mir ist beim Vorlesen wirklich anders geworden, mit der Sensibilität, die ich heute habe.

    Zitat von Frau Bücker aus dem o. g. Beitrag vom geschätzten Kollegen Kurbjuhn.
    Meiner Meinung nach, sollte man ab einem gewissen Alter als weißer, linker, alter Mann besser Abstand zu woken Frauen halten. Da ist zu viel vermintes Gelände für die verbalen Äußerungen, an welche man - a - feste glaubt und diese auch lebt und - b -über die sich der Bekanntenkreis seit Jahrzehnten nicht aufregte. Oupps — da isses plötzlich das reaktionäre, gefühlslinke, männliche, frauenunterdrückende — wahrscheinlich — Nazi — Arschloch. (keinen Zentimeter von Don Alphonso entfernt — also gefühlsmässig so ...)

    Gruß
    Jens

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  4. Siewurdengelesen30. April 2021 um 10:34

    Mir wäre von den Nominierten dieser Blog lieber gewesen. Aber auch vor diesen macht der Zeitgeist keinen Halt und vielleicht ist es für manche zu sehr Provinz.

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    1. - mir auch, weil berichte mitten aus dem leben, spannend, lakonisch, abwechslungsreich, mit vielen ideen.

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  5. Ich habe Heute diesen Artikel und auch den tweet von Chris Kurbjuhn, an einem alten Freund (seit den 80ern) weitergeleitet.
    Der schrieb mir etwas wirklich nachdenkenswertes zurück.
    Er meinte das dies bei Leuten passiert, die gründlich durchpädagogisiert wurden, die trauen danach keinem anderen Menschen mehr.

    Der tweet von Teresa Bücker leugnet alle Formen der Empathie und eigentlich die gesamte Gefühlsebene. So etwas endet in einer Einverständniserklärung wenn man das nächstemal zur Vorgerücktenstunde in der Kneipe gemeinsam bock auf einen one night stand hat (siehe Schweden).

    Fred

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    1. ich kann nur für mich reden, aber ich konnte immer klar vertreten was ich wollte. und ich liebte auch flirten und geplänkel ohne gleich sexismus zu unterstellen. das ewige spiel von anziehung und experimentieren, ohne in die o.g. situation(schweden) zu kommen. ich fühlte mich noch nie als opfer, ich freute mich über pfiffe der bauarbeiter vom gerüst. da lachte ich, winkte und ging weiter. was passiert da gerade? alle freiheiten der 70er-jahre werden aufgegeben. dafür gibt es umso mehr in werbung üblen sexismus- sex zur gewinnmaximierung statt zur selbstbestimmten freude? gendergerechte kartenspiele, alte kinderbücher, die nach neuem denken "bereinigt" werden müssen(rassismus)- wer schreibt das vor? wer zwingt mich, das zu tun? niemand! reden müssen alle miteinander, meine enkel wissen, dass ich nicht rassistisch bin und alte frauen nicht als hexe bezeichne.

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  6. "durchpädagogisiert" ...
    ist dass das was ich mit "woke" umschreibe?

    Gruß
    Jens

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  7. roswita: Die letzten 50 Jahre Frauenbewegung verpasst? Zu viele Frauen drücken schon viel zu lange ein Auge zu, am Ende aber nur noch, um zu "schießen"! (Satire aus.)

    Buchtipp: "Der Mann auf der Strasse" von Chyril Benard und Edit Schlaffer. Oder auch: "Körperstrategien. Geschlecht, Macht und nonverbale Kommunikation" von Nancy Henley

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    1. nein, nicht verpasst, sondern gelesen und diskuttiert über viele stunden und jahre. mein fazit ist klar: meine enkelinnen schickte ich in einen selbstbehauptungskurs und ermunterte sie immer, zu ihren gefühlen zu stehen. mit "dappichen" männern habe ich nie zu tun, gegen gewalt bin ich schon im ansatz sehr stark, anzügl. witze bekämpfe ich mit welchen, in denen die männer blöd aussehen. aber ich erwarte auch von frauen stringentes handeln, nicht zwiespältiges. es ist nicht einfach, es ist auch nicht so, das ein geschlecht böse und das andere gut ist.

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  8. Kartenspiele mit Damen sind schon gegendert. In der echten (!) Wirklichkeit ist das ein Ober! Der Bube ein Unter.

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  9. Ein Glück dass die drei oberhalb des Weißwurstäquators wohnen. Garnicht auszudenken, wie toxisch dann erst Schafkopf sein muss:
    Keine weiblichen Karten, die höchste Karte ist die Sau (unvegan, antimuslimisch!), gefolgt vom Eichel-Ober, oder auch der Alte (...weißer Mann!!!), eine phallische Anspielung und die Dame von ihrem Platz geputscht! Aber das ist noch nicht alles:
    Bekommt man vier Ober und vier Unter auf die Hand, so hat man einen Sie! Das ist nicht Femizid, das ist Femicaust! Wer keinen Stich macht ist schwarz, kein Wunder, wird Schafkopf doch auch noch mit dem deutschen Blatt gespielt. Voll Nazi, ey!

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