Ist ihm nicht zu wünschen, aber es könnten für meinen alten Kumpel A. bald schwere Zeiten anbrechen. Der Mann bewegt sich seit uber 25 Jahren im Taxigewerbe. Erst Nebenjob als Funker in der Zentrale. Ein paar Jahre später bekam er einen Bandscheibenvorfall und konnte nicht mehr als Rettungsassistent arbeiten. So machte er seine Ortskenntnisprüfung und wechselte auf den Fahrersitz. Wollte er eigentlich nur für den Übergang machen, bis sich ein anderes fand, so der Plan. Jetzt karriolt er seit gut 20 Jahren durch die Gegend. Immer die Nachtschicht, zwölf Stunden, von 18 Uhr bis sechs in der Früh. Muss man für geboren sein.
Was aussah wie eine Notlösung, war gar keine. Er hatte einfach sein Ding gefunden. Man hatte den Eindruck, von dem Moment an, als er in Kontakt mit der Branche gekommen war, wollte er nichts anderes mehr machen, war für andere Jobs verloren. Die Zunft der Mietkutscher, die Nächte im Taxi, das ist seine Welt. Er beklagt sich auch nicht, dass seine Gesundheit unter den ungesunden Arbeitszeiten inzwischen sichtlich gelitten hat. Den Taxi-Teller als bevorzugten Mitternachtshappen hat er sich weitgehend abgewöhnt.
Ursprünglich war er angestellt beim örtlichen Platzhirschen. Der betrieb selbst eine Flotte an Wagen, vermittelte aber auch Fahrten an Kleinkutscher. Einzelunternehmer mit eigener Karre oder Familienbetriebe mit einem Wagen, der von Vater und Sohn oder Tochter im 12-Stunden-Wechsel gefahren wurde, derweil Muttern die Buchhaltung erledigte. Gibt es alle nicht mehr, die kleinen Lohnkutscher. Schon seit Anfang des Jahrtausends nicht mehr. Damals rollte ein Newcomer mit Mietwagen ohne Taxischild den Markt hier auf. Die durften keine Anhalter aufgabeln, aber man konnte sich telefonisch verabreden. Und waren 20 Prozent günstiger. Da gaben fast alle auf, der Platzhirsch inklusive. Ein Konkurrent ist noch übrig.
A. hat es noch gut getroffen. Hat lange genug durchgehalten, bis das Mietwagenunternehmen selbst reguläre Taxen betrieb und dann da angeheuert. So ist es bis heute. Jetzt hat der Bundestag am 5.3.2021 die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes beschlossen, mit der die Ortskenntnisprüfung auch für Taxifahrer abgeschafft wird, nachdem sie 2017 bereits für Mietwagenfahrer abgeschafft worden war. Statt dessen sollen Taxi- und Mietwagenfahrer in Zukunft eine Sachkundeprüfung ablegen, und statt Ortskenntnistest soll es eine Verpflichtung geben, ein aktuelles Navi im Wagen installiert zu haben.
Keine Ahnung, was das im Effekt bedeutet und ob Uber jetzt hier alles plattmachen wird oder nicht. Im Gegensatz zu vielen anderen hatte ich als Gelegenheitsnutzer nur selten was zu meckern am Taxigewerbe. Wenn ich mir für den Rückweg von einer Feierlichkeit mit ein paar Leuten ein Taxi geteilt habe, kam ich mir nie geneppt vor. Wenn meine Eltern verreisen, bestellen sie für die Fahrt bis zum Bahnhof ein Taxi. Das kommt nicht teurer als zwei Busfahrkarten. Auch bin ich noch nie an einen komplett ortsunkundigen "Du sagen, ich fahren"-Chauffeur geraten. In der Provinz zu leben, hat ja auch Vorteile. So konnte ich nicht umhin, dem alten Weggefährten die Daumen zu drücken für die nächsten Jahre.
Sollte aber die Novelle das Ende des Taxigewerbes as we know it einläuten, dann wird damit auch das beliebte Klischee vom nickelbebrillten studierten Philologen oder Soziologen verschwinden, der mangels anderer Jobperspektive als Taxler seinen Lebensunterhalt bestreitet. Wird es fehlen, dies Klischee? Kann ich nicht sagen, ich bin noch nie so einem leibhaftig begegnet. Doch, einem, in Münster, Ende der Achtziger. Aber der war Medizinstudent im 25. Semester.
Flüssig geschriebener Artikel, lebensnahe Beschreibung es Kumpels, ohne aufdringliche Moral. Angenehm zu lesen.
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