Heute: Slavoj Žižek, kontrast-mittel.org und Wiglaf Droste über das Problem der Linken in Kriegszeiten im Allgemeinen und die Zeitschrift 'Konkret' im Speziellen.
"Ein Linker, der »Verständnis« für Russland zeigt, ist mit jenen Linken vergleichbar, die vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion die deutsche »antiimperialistische« Rhetorik gegen Großbritannien ernst nahmen und sich für Neutralität im Krieg Deutschlands gegen Frankreich und Großbritannien einsetzten. Wenn die Linke hier versagt, ist das Spiel für sie aus." (Der Freitag, 1. Juli 2022)
"Die Vorstellung, dass der Feind meines Feindes ein Freund sein muss, hat Konkret in der Vergangenheit stets zuverlässig kritisiert. Nur wenn es um Russland geht, will man partout nicht von der fixen Idee lassen, es handele sich irgendwie immer noch um einen Hort des Widerstands. [...] Bezeichnend ist, was alles ausgeblendet werden muss, damit die Linie stimmt. Über die Verfasstheit der russischen Gesellschaft, ihre Herrschaftsverhältnisse und inneren Widersprüche als mögliche Ursachen der Aggressionspolitik findet sich kaum etwas im Heft, ebenso wenig über die ideologische und materielle Zuarbeit der Machthaber im Kreml für die rassistische und faschistische Rechte weltweit, von Orbán und Le Pen bis Trump und Modi.
Auch die Zurückweisung jeder Relativierung und Instrumentalisierung der Shoah war einmal das Markenzeichen von Konkret. Als aber Putin die Invasion damit begründete, die Ukraine, die von einem jüdischen, russischsprachigen Präsidenten regiert wird, »entnazifizieren« zu wollen, war dies der Zeitschrift zunächst keine Silbe wert – bis zur Juni-Ausgabe, in der ausgerechnet Rolf Surmann diese Verhöhnung der Opfer als »Zuspitzung« verteidigte. Und während man unverdrossen die Osteuropapläne des deutschen Kapitals geißelt, kommen die Bewohnerinnen und Bewohner der Region höchstens einmal als Nazis oder als Marionetten des Westens vor, nie aber als Menschen mit eigenen, wie widersprüchlich auch immer konstituierten Interessen – zu denen es nicht zuletzt gehört, womöglich nicht unbedingt unter russischer Besatzungsherrschaft leben zu wollen.
Bei Konkret hingegen muss man sich [...] unbedingt als Staatsfeind inszenieren. Als solcher aber verfügt man über jenes unverbesserlich gute Gewissen, das Täterkinder und -enkel dazu ermächtigt, den Bewohnerinnen und Bewohnern eines Landstrichs, in dem die Wehrmacht gewütet hat wie kaum irgendwo sonst, Lehren über die »berechtigten russischen Sicherheitsinteressen« zu erteilen – oder sie gar, wie Kay Sokolowsky es fertigbrachte, aufzufordern, sie möchten doch bitteschön den staatlich approbierten Schlächtern »gewaltfrei begegnen«. Wer »gegen den Westen« zum einzigen Entscheidungskriterium macht, kann sich jede Unverschämtheit herausnehmen und jede Barbarei zum Widerstandsakt verklären." (kontrast-mittel.org, 30. Juni 2022)
Anmerkung: Zu den beiden hartnäckigsten Irrtümern, die unter Linken sich halten, gehören: Erstens jedes Mal in eine Art kleinkindhafte Bockigkeit zu verfallen, wenn die Welt sich par tout nicht so drehen will, wie man sich das in klugen Theorie-Readern und Debattierrunden ausbaldowert hat. Zweitens der unerschütterliche Glaube, die korrekte, moralisch gebotene Gesinnung Gassi zu führen, berechtige einen bereits zu irgendwas (zum Beispiel Menschen in Ländern wie Israel und neuerdings auch der Ukraine über Gewaltlosigkeit zu belehren) und entbinde einen fürderhin von lästigen Pflichten wie Argumentieren und auch sonst von so einigem.
Einst verdarben sich mehrere Studentengenerationen den Magen an quasi ungenießbarem Nicaragua-Solidaritätskaffee. Klar, was sind schon bürgerlich-elitäre Konzepte wie Trinkbarkeit oder gar Qualität, wenn es der Revolution dient? Sicher entspringt es auch edler Gesinnung, dass die 'junge Welt' dem immer noch inhaftierten Mumia Abu Jamal eine Kolumne spendiert. Nur gibt es da ein Problem: Der Mann hat, bei allem Respekt vor seinem Leidensweg, leider absolut kein Talent. Was er schreibt, ist unstrukturiert und liest sich dröge wie ein Schulaufsatz. Warum ihm das Honorar nicht einfach so als Spende überweisen? Sollte er je aus dem Gefängnis kommen, dürfte er es als Journalist jedenfalls sehr schwer haben.
Talent ist bei der altehrwürdigen 'Konkret' nicht das Problem, im Gegenteil. Daran mangelt es nicht. Das Problem liegt woanders. Über den von ihm als 'Commandante Redundante' bezeichneten Herrmann L. Gremliza schrieb Wiglaf Droste schon 1997 zum 40jährigen Bestehen gültiges:
"Was Gremliza über die unfähigen, korrupten und kopfmäßig erledigten Gestalten schreibt, die als Journaille das Land mit sich vollmachen, ist zu ca. 97,3 Prozent zutreffend. Es ist nützlich und angenehm, wenn jemand regelmäßig den Müll runterträgt -- danke für den Service. Vor der eigenen Tonne aber wird des Hausmeisters Blick trübe: Fortwährend preist Gremliza sich und seinen Laden als die eine große Ausnahme im Lande. [...] Wie hat man sich geärgert als gelegentlicher Konkret-Autor über Gratisgesinnung, über moralisches Gekäse, über die Leier von »Ich hab's schon immer gewußt«, über die Jagd auf Linienabweichler oder auf tatsächliche oder vermeintliche »rechte Leute von links« [...]. Wiederholung schwächt bzw. der ärmste Hund im ganzen Land / ist dann doch der Redundant: Das starrsinnige Wiederholen immergleicher Attacken zermürbt die immergleichen Feinde eben nicht, sondern immunisiert sie im Gegenteil gegen die einfallslos immergleiche Kritik. Wenn bei Gremliza und seiner Konkret-Mannschaft die Lichter ganz ausgehen, erfolgt vollautomatisch der Rückgriff auf die Null- und Notvokabel »Gesindel«.“ (taz, 29. August 1997)
Wie richtig er damit lag und immer noch liegt, zeigt die patzig-dämliche, von keinem Gedanken beschwerte, dafür von Corona-Meisenkaiser Sokolowksy umso heftiger behändchenpatschte Reaktion der Postille auf die oben auszugsweise zitierte Kritik. Hüben die Wahren, Schönen und Guten, drüben Gesindel und Schmierlappen. Zu einem nicht-Argument immerhin lassen sich die Moralleuchtturmwärter herab: Sie unterstellen den Kritikern eine Logik "der zufolge ein Nazi ist, wer sich gegen Hartz IV stellt, weil schließlich auch die NPD eine Anti-Hartz-IV-Kampagne gestartet hatte", und verfügen ansonsten, dergleichen impertinentes Geschreibsel verdiene sowieso keine Antwort. Respekt, so viel Borniertheit und Denkfaulheit in so wenige Worte zu quetschen und sich dann noch einzureden, irre souverän und abgeklärt zu sein, das muss man erst einmal hinkriegen. Aber wer braucht schon lästiges Argumentieren und Streiten, wenn er moralisch auf der richtigen Seite steht, gell?
Sokolowskys Abstieg, erst zum Querdenker, dann zum Putinisten, ist eine Tragödie. Aber das haben wir in Kleinbloggersdorf in den letzten Jahren ja schon häufiger erlebt.
AntwortenLöschensollte unter Sokolowskys namen nicht das folgende verlinkt sein?
AntwortenLöschenkaysokolowsky.de/von-den-schmierlappen/
ich weiss noch, wie er mich gesperrt hat, weil er so gut im kritik einstecken ist. aber matthias oben meint ja auch, daß sowas wie ich besser bei flatter aufgehoben bin, wo ich ebenfalls gesperrt bin, genauso wie bei den "rebellen" des neulands, weil ich "nerve".
ich werde wohl zu schnell zu persönlich. sorry das geheule. bin ja auch nur narzisst. und vollopfer. nur zum blog hats nicht gereicht. soweit reichta dann nich, der narzissmus. gell, bonetti? wenigstens bin ich offen verbittert und saufs mir nich schön.
ups.
Besten Dank. Ja, sollte es. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, gilt hier: Wer nicht beleidigt, beschimpft, etwas postet, das mich mit dem StGB in Kontakt bringen würde oder meint, hier on a daily basis 15-20 Kommentare pro Tag reinhauen zu müssen, wird auch nicht gesperrt.
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