Samstag, 29. April 2023

Jenseits der Blogroll - 04/2023

 
Politik. Hey, Linke! Wollt ihr wissen, wie ihr wieder relevant werden könnt? Schaut mal nach Österreich. Macht eine Fortbildung bei Elke Kahr (KPÖ), der Bürgermeisterin von Graz. Fun fact: Die Frau schafft es ein ganzes Interview lang ohne gendersensible Sprache und den Hinweis darauf, wie überlebenswichtig gendergerechte Toiletten sind. Auch im Land Salzburg ist die KPÖ aus dem Stand auf 11 Prozent gekommen. Das Geheimrezept? Zu den Menschen gehen, zuhören, sich kümmern, konkrete Hilfen anbieten. Anstrengend? Ja. Anstrengender als endlose marxistische Theoriedebatten oder welche über Mikroaggressionen und gendergerechte Klos. Aber erfolgreich, wie es scheint.

(Es wäre übrigens ein echter Treppenwitz, wenn ein Wiedererstarken sozialistischer Parteien ausgerechnet in Österreich geschähe, wo einst mit Jörg Haider der Aufstieg des modernen Rechtspopulismus begann.)

Markus Keupp über die Schwäche Russlands und westlichen Defätismus.

"Es gibt im westlichen Politikbetrieb immer noch zu viel Defätismus. Russland redet ständig von roten Linien, welche Drohungen wurden bislang aber Realität? Keine. Man könne Russland nicht besiegen, Putin lässt sich nicht an den Verhandlungstisch zwingen, heißt es immer wieder im Westen. Man kann Putin aber sehr wohl besiegen - wenn man sich nicht mehr von ihm täuschen lässt. Und erkennt, was Russland zurzeit wirklich ist: ein brutales Imperium, das auf Expansion aus ist. Das zumindest sollte mittlerweile jeder begriffen haben." (Keupp, a.a.O.)

Man sollte allerdings keine großen Hoffnungen in ein Ableben Putins setzen. Sich vor russischer Waffentechnik zu fürchten, ist aber wohl ebenso fehl am Platze.

Yanis Varoufakis fordert, das Bankensystem zu sprengen. Okay, "langhaariger Bombenleger" wäre hier jetzt nicht so das Wort der Wahl...

Johannes Franzen über zynischen Nonkonformismus a'la Botho Strauß.

"Es gibt in der Spätmoderne einen leeren, zynischen Nonkonformismus, der sein Denken nicht an der Tiefe eines Gedankens ausrichtet, sondern an seinem Reizwert. [...] Dieses kostenlose Gerede vom Widerstand, das sich in großen Medien für den eigenen Mut loben darf, ist mit den Jahren zu einem Signum erfolgreicher Medienkarrieren geworden. Wenn die Fans, von denen man immer behauptet hat, sie nicht zu haben, plötzlich im Netz über andere Menschen herfallen, dann wird es langsam unplausibel, sich als einsame Stimme in einer Menge konformer linksliberaler Meinungsführer zu inszenieren." (Franzen, a.a.O.)

Einige Gedanken zum 'Fachkräftemangel' (via).


Kultur/Gesellschaft/Gedöns. Nostalgie, yeah!

Apropos endlose Debatten: Jürgen Roth über den grassierenden "inquisitorischen Wahn". Darin zitiert er auch Robert Gernhardt.

"Der schwarze Kannibale ist doch lediglich ein schlichter Witztopos, vergleichbar dem geizigen Schotten, der Frau mit dem Nudelholz oder dem Fakir auf dem Nagelbrett. Zu glauben, daß die Zeichner solcher Witze mit solchen Witzen diffamierende Absichten verbänden, heißt, diese Zeichner erheblich überschätzen: Die stricken diese uralten Witzmuster weiter, da das sehr viel einfacher ist, als sich etwas Neues einfallen zu lassen. Ja, in lichten Momenten sind sie sogar fähig, die Ausgelaugtheit des Witzklischees zum Thema des Witzes zu machen." (Gernhardt)

Habe ich hier eigentlich schon mal den versautesten Mittelalter-/Fantasycomic der Welt vorgestellt? Ok, dann tue ichs hiermit (doch Obacht!)

Musik. Was Klassissches. Was macht eigentlich diesen Wolfgang Amadeus Mozart so groß? Ein Beispiel von vielen ist die Coda des Finales seiner letzten Symphonie Nr. 41 (C-Dur KV 551, genannt 'Jupiter'). Wie der da fünf ziemlich disparate Themen nicht zur irgendwie zusammenbringt, sondern das auch noch klingen lässt, als sei das Easy listening und überhaupt das Allerselbstverständlichste von der Welt - unerreicht!


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Man kann natürlich auch Metallica hören. Doch Vorsicht! Das neue Album ist wieder mal nicht die neue 'Master Of Puppets' (und 50 Minuten hätten es auch getan).

Essen/Trinken/gut leben. Michael Brake über den aktuellen Trend, die Bezeichnungen auf Speisekarten radikal zu reduzieren. Spaghetti mit Tomatensauce werde da zu "Grieß | Zwiebel | Sardelle | Tomate". Wer’s cool findet.

Frank Jöricke über aktuelle Eisdielentrends.

"In Zeiten, in denen Bundesbürger Muckefuck noch für Kaffee hielten und gefrorene Fürst-Pückler-Blöcke für Eiskrem, brachten Italiener [...] ein Stück Genusskultur nach Deutschland. Es war eine neue, ungewohnte Welt, die sich hier auftat. Selbst jene, denen das Geld für einen Urlaub an der Riviera fehlte, konnten hier einen Becher lang ein Stück Italien erleben. [...] Während der italienische Gelataio keinen Hehl daraus macht, dass seine köstlichen Kugeln Zucker-Sahne-Bomben sind, versuchen die neudeutschen Eisleute ihre Version des Gefrorenen als kerngesunde Vollwertkost zu vermarkten. So sieht »bewusster Genuss« im neudeutschen Eisladen des 21. Jahrhunderts aus - man möchte sich die Kugel geben." (Jöricke, a.a.O.)

Vincent Klink ist genervt von dem Firlefanz mit den eckigen Tellern. Ich finde die Dinger auch hochgradig unpraktisch, zumal viele Restauranttische zu klein dafür sind. Außerdem zahlt der Gast derartigen Plunder, wozu auch irre lustige Mini-Frittierkörbchen für Pommes und gar witzige Puppenstubentöpfchen fürs Gemüse gehören, über den Preis mit. Mir ist es lieber, im Restaurant für gute Zutaten und ordentliche Löhne fürs Personal zu bezahlen als für verspielten Tüdelkram.

Das Rezept. Die Welt ist voller Bolognese-Rezepte. Alles, was irgendwie aus Hackfleisch und Tomaten ist und über Nudeln gekippt wird, bekommt das Etikett 'Bolognese'. Wer sich ein bisschen für Kochen interessiert, weiß, dass das im Mutterland der Pasta 'Ragù' heißt. Und dass das Ragù alla Bolognese zwar das Berühmteste, aber eben nur eines von unzähligen ist. Weniger bekannt sind helle tomaten- und rotweinlose Ragùs, die mit Kalb-, Schweine- oder Geflügelfleisch gemacht werden und mehr an ein Blankett erinnern.

Herrn Westerhausens Rezept für Ragù bianco di pollo zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass das nicht über 24 Stunden rechts herum gerührt vor sich hin simmern muss, sondern vergleichsweise schnell gemacht ist (wenn man für das Soffritto die Abkürzung per Küchenmaschine nimmt). Und es braucht Hähnchenhack. Wenn man einen Fleischwolf hat, kann man das selbst machen. Oder man muss einen Metzger finden, der einem was vom entseelten Flattermann durchlässt (türkische sind meist auf so was vorbereitet). Ich habe das auch schon hier und da in SB-Regalen gesehen. Aber ist definitiv mal was anderes.








5 Kommentare :

  1. "Anstrengend? Ja. Anstrengender als endlose marxistische Theoriedebatten oder welche über Mikroaggressionen und gendergerechte Klos."
    Leider hat dies auch mich vom "Kreuzchen an dieser Stelle" entfremdet ...

    Gruß
    Jens

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  2. Witzklischees gibt es nicht nur im internationalen Bereich, sondern auch im nationalen Bereich. Früher galten die Ostfriesen als doof, heute wird dem Saarländer Inzest angedichtet. Oder die Berufe: die faulen Lehrer und Beamte, der Metzger mit dem Daumen auf der Waage, dessen Frikadellen nur aus altem Brot bestehen, die strunzdumme Friseuse usw.

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  3. Schöne Links wieder mal, danke. Vincent Klink, bester Mann. Und ich wusste nicht, dass Russland nur einen Flugzeugträger hat. Na ja, nen halben vielleicht. Der Link „Hoffnung auf Putins Ableben“ funktioniert (bei mir) nicht.

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  4. „Hoffnung auf Putins Ableben“
    Dave — ein Film aus dem Jahr 1993 — da wird alles beschrieben.
    Nur so, für die Aluhut-Träger.

    Gruß
    Jens

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