Sonntag, 17. August 2014

Reiseimpressionen (1)


Salzburg

Markartsteg, Fußgängerbrücke über die Salzach. Beim Bau haben sie damals einen Riesenfehler gemacht und für das Geländer eine Art Maschendrahtzaun verwendet. Nun konnten die Planer damals auch nicht ahnen, dass die Kombination Brücke plus gemeinhin als romantisch geltendes Ambiente von verliebten jungen Menschen irgendwann dafür genutzt werden würde, ihrer Liebe Ausdruck zu verleihen, indem sie namentlich gravierte oder bemalte Vorhängeschlösser an Brückengeländer hängen und den Schlüssel in den Fluss werfen. In Paris ächzen viele Brücken mittlerweile derart unter dem tonnenschweren Ballast, dass die eine oder andere einzustürzen droht und die Stadtverwaltung an die Vernunft des über alle Ohren verliebten Jungvolks appelliert. Man kann nur viel Erfolg wünschen.

Ächz.
Jetzt haben sie auch in Salzburg damit angefangen. So um 2013, wie sich flüchtigen Blickes den Aufschriften auf den meisten Schlössern entnehmen lässt. Nun gut, früher haben sie halt Herzchen in Baumstämme geritzt oder Kulturdenkmäler vollgeschmiert. Ich kann und will nicht beurteilen, ob das so viel besser war als Brücken dergestalt mit Metall zu beschweren, dass sie irgendwann aus Gründen der Statik gesperrt werden müssen. Nur stellt sich mir immer eine Frage, wenn ich so was sehe: Glauben diese Leute am Ende wirklich, sie täten etwas wahnsinnig Originelles, Individuelles?

Café Fürst am Alten Markt. Hier und nirgendwo anders wurde vor über hundert Jahren die Mozartkugel erfunden. Leider hat der Erfinder es damals versäumt, sich den Namen schützen zu lassen und so sind jede Menge Imitate auf dem Markt, die alle damit werben, die Echten zu sein. Salzburg und Mozart, das verkauft sich nun mal wie geschnitten Brot. Das Kleine Festspielhaus heißt jetzt 'Haus für Mozart' und sogar der Flughafen trägt den Namen des früh verstorbenen und lange ignorierten fürstbischöflichen Hof-Compositeurs.


Natürlich verkaufen sie bei Fürst die einzig Wahren noch heute und die Dinger sind wirklich köstlich. Süß, natürlich, aber gerade eben so, dass die Aromen der feinen Zutaten noch gut durchkommen. Nichts wird mit aufdringlichem Vanillingeschmack zugedeckt. Die leicht verderbliche Leckerei wird nach wie vor von Hand hergestellt und nur an zwei Orten in der Altstadt verkauft. Ich bin nicht gerade ein Süßmaul, aber wenn es jemals jemand schaffen könnte, mich zu einem zu bekehren, dann die Österreicher mit ihren Konditoreierzeugnissen, die in einer eigenen Liga spielen.

Kaffee ist hier selbstverständlich keine säuerliche Filterplörre, sondern kommt in vielen Zubereitungsarten daher. Alles traditionelle Spezialitäten nach Wiener Manier. Mokka, Verlängerter, großer bzw. kleiner Brauner, Melange, Einspänner und so weiter. Wer so etwas noch nicht probiert hat, weiß nicht, wie hervorragend Kaffee sein kann. Wie es sich für ein Kaffeehaus gehört, das seinen Namen verdient, wird beinahe jede Variante in eigenen, speziell geformten Tassen des edlen Hausporzellans serviert.

Wer unbedingt will, bekommt auch Cappuccino und Latte Macchiato. Muss ja heutzutage. Vor ein paar Jahren noch sah man bei Fürst nur wenige so etwas ordern und wer es tat, dem konnte es passieren, dass man ihm das Gewünschte in hässlichen Dekortassen aus dem Supermarkt vorsetzte. Seit einiger Zeit haben sie auch hier kapituliert vor dem vollglobalisierten, Schaumgetränke süffelnden Easyjetset und eigene Cappuccinotassen angeschafft. Drei Viertel der Gäste haben so eine vor sich oder ein Glas aufgeschäumter Milch mit einem Schuss Kaffee. Die meisten bestellen, ohne die Karte zuvor auch nur eines Blickes zu würdigen.

Ich will auch da nicht vorschnell urteilen, aber ich dachte immer, das Schöne am Reisen sei eigentlich, Neues zu entdecken und es sei eine gern belächelte, vornehmlich amerikanische Unsitte, überall nur auf dem zu bestehen, was man von zu Hause gewohnt ist. Und noch etwas, werter Landsmann am Nebentisch, für den ich mich heftigst fremdschämen musste: Ich will hier weiß Gott nicht die moralinsaure Leier drehen, von wegen, man sei im Ausland irgendwie auch Botschafter seines Landes. Aber wer sich, gleich wo auf der Welt, in ein Café setzt und der Bedienung im Befehlston "Kaffee!" ins Gesicht bellt, sollte sich hinterher nie, niemals fragen, warum man ihn ein wenig distanziert behandelt oder gar meinen, da und dort sei man aber sehr unfreundlich gewesen. Haben wir uns?


Berchtesgaden

Externe Beobachter der dortigen Landespolitik könnten zuweilen auf die Idee kommen, in Bayern, vor allem in Oberbayern, sei man ein wenig rückständig, aber das ist ein Irrtum. Vielleicht brauchen einige Dinge hier unten länger, um sich durchzusetzen, aber wenn, dann wird das konsequent durchgezogen. Inzwischen gibt es hier mehr Solaranlagen als an der Nordsee Windräder. Oder nehmen wir das neue 'Haus der Berge' in Berchtesgaden. Schick, gediegen modern. Rohes Holz, Glas, rostiger Stahl, klare Formen, keine Schnörkel. Die Ausstellung widmet sich Flora und Fauna des Nationalparks Berchtesgadener Land und ist auf neuestem Stand. Alles multimedial, begehbar und zum anfassen. Ganzheitlich, sinnlich erfahrbar. Mit dezenter (!) Geräuschkulisse, Projektionen und elektronisch kontrollierter Besucherzahl, damit es nicht zu voll wird.


Überhaupt scheint Kitschvermeidung seit einiger Zeit das Motto der Wahl zu sein, wenn sie im malerisch am Fuße des Watzmanns gelegenen Ort neue Bauprojekte in Angriff nehmen. Die mächtige Alpenkulisse ist eindrucksvoll genug und wer alpin Folkloristisches will, soll halt in den Ortskern, so er einen Parkplatz findet. Auch am Obersalzberg haben sie das nach dem Abzug der amerikanischen Streitkräfte vor ein paar Jahren so gehandhabt. In der einstigen Sommerfrische des GröFaZ und seiner Hofschranzen, danach dem Wallfahrtsort von Revisionisten und Nostalgikern auf der Suche nach wohligen Schauern sind alle Spuren abgetragen worden. Ein seriöses Dokumentationszentrum wurde errichtet und ein topmodernes Luxushotel mit besterntem Restaurant, bei dem nichts mehr an die Vergangenheit erinnert.

In der Ausstellung im Haus der Berge könnte den kritischen Betrachter übrigens der Verdacht beschleichen, auch hier ginge es letztlich nur darum, Schönheit und Vielfalt der bayerischen Heimat zu feiern. Mag sein, aber das sollte einen nicht irritieren. Darum geht es in Bayern fast immer ein bisschen.

(Fortsetzung folgt.)


2 Kommentare :

  1. Vielen Dank für Ihre Urlaubsimpressionen. Ich lese Ihren Blog sehe gerne, weil Sie immer sehr menschlich und nie abgehoben schreiben. Jetzt habe ich auch Lust auf eine Kaffeespezialität aus Österreich bekommen :-). Und die Schlösser an den Brücken sind ungefähr so individuell wie ein Facebook-Trend oder ein Selfie ;-)

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    1. Vielen dank, sehr gern doch. Das mit dem Kaffee werden Sie nicht bereuen.

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