Sonntag, 29. November 2020

Große Erwartungen

 
Die ARD-Serie 'Tatort' wird heute 50 Jahre alt.
 
Und, ein Sektchen kaltgestellt? Paar Schnittchen vorbereitet? Das Fernsehzimmer ein wenig dekoriert für den festlichen Anlass? Heute wird der 'Tatort', gern und oft eines der letzten öffentlich-rechtlichen televisionären Lagerfeuer genannt, fünfzig Jahre alt. Am 29. November 1970 nahm Walter Richter alias Kommisser Trimmel im Taxi nach Leipzig Platz. Heute wird die 1.146. Folge ausgestrahlt. Natürlich gibt es nicht nur Gratulation, sondern auch Kritik. Mit am weitesten geht Anne Haeming in der taz, die der Serie jegliche gesellschaftliche Relevanz ab-, die ARD-Intendant Tom Burow ihr zusprechen will. Statt aktueller Themen bloß piefige Vorhersehbarkeit.

Samstag, 28. November 2020

Die andere Seite

 
Propaganda ist immer leicht erkennbar am Druck, der auf Tränendrüsen ausgeübt wird. Die übelsten Ausbeuter, denen Rendite über alles, das Schicksal einsamer Großmütter und allein erziehender Mütter hingegen sonstwo vorbei geht (denn das hat der Markt halt so geregelt und jeder bekommt schon irgendwie das, was er verdient), entdecken schlagartig ihr Herz für einsame Großmütter und allein erziehende Mütter. Wenn etwa die Lokführer wagen zu streiken, dann wird tränenreich gebarmt über das Schicksal im Regen stehender Alleinerziehender und ihrer traumatisierten Kinder, die am Wochenende nicht mehr mit der Bahn zur Omma können.

Dienstag, 24. November 2020

Abgänge (2)

 
Früher war das so, dass ich jeden Tag in der Frittenbude Currywurstpommesmayo hätte essen können (was ich zum Glück nicht getan habe). Die Begeisterung hat sich inzwischen ziemlich gelegt. Hin und wieder mal, aber man bekommt auch im Ruhrpott immer seltener eine wirklich gute Currywurst. Eine sensationelle gibt es bei Döveling an der Bochumer Straße. Die Sauce kommt aus dem Topf, in der die Schaschlicks über Stunden butterweich dünsten. Die andere Spezialität sind Hähnchen. Die entseelten Flattermänner werden vorgegart, kommen kurz vor dem Verkauf noch mal in die Fritteuse ('letzte Ölung' genannt) und werden dann großzügig mit einer selbstgemixten Gewürzmischung eingestäubt.

Sonntag, 22. November 2020

Jenseits der Blogroll - 11/2020

 
Wie immer gegen Ende eines jeden Monats,die Links und Fundstücke, die mir in letzter Zeit so untergekommen sind:

Corona/Covid-19. Onkel Michael über zwei besonders bizarre Beispiele für die unter Querpfeifen, Covidioten und anderem rechtsoffenen Schwurbelpack um sich greifende Mode, sich mit NS-Opfern gleichzusetzen: Jana, die 22jährige Sophie Scholl-Laiendarstellerin aus Kassel, die eine Heulattacke bekam, als jemand Widerspruch wagte, und die arme Elfjährige, die vermutlich von ihren Eltern einsouffliert bekommen hat, sich mit Anne Frank zu vergleichen. Weil sie ja auch immer zu Hause bleiben muss. Benutze Kopf mit Wand. Manchmal fragt man sich ehrlich, wohin einigen Leuten ihre politischen Maßstäbe inzwischen so gerutscht sind. "Hey Jana!", möchte man der ersteren am liebsten zurufen, "Sicher, dass du nicht doch eher Daisy Duck bist? Guck lieber noch mal genau hin!"

Freitag, 20. November 2020

Spanische Nächte


Die Älteren werden sich vielleicht noch erinnern. An damals, 1982. WM in Spanien. Die 'Nacht von Sevilla'. Opa erzählt vom Krieg: jenes legendäre Halbfinalspiel zwischen Deutschland und Frankreich, in dem die Franzosen in der Verlängerung durch Tore von Trésor und Giresse 3:1 vorn lagen. Normalerweise ist so eine Sache damit durch und entschieden. Dann machte erst der fünf Minuten zuvor eingewechselte Karl-Heinz Rummenigge das 2:3 und schließlich glich kurz vor Schluss Klaus Fischer mit einem Jahrhunderttor per Fallrückzieher zum 3:3 aus, bevor im Elfmeterschießen die Entscheidung fiel.

Dienstag, 17. November 2020

O tempora Corona! (7)


Hatten wir ja länger nicht mehr.

Hätten Sie gedacht, dass die weitgehende Maskenpflicht in der Öffentlichkeit auch ihre guten Seiten hat? Ich zum Beispiel neige seit meiner Kindheit dazu, halblaut Selbstgespräche zu führen. Eine Marotte, die ich angeblich mit einigen anderen Introvertierten teile. Gab es früher schon mal peinliche Szenen, habe ich das längst so weit im Griff, dass ich mich draußen normalerweise zusammenreiße. Trotzdem kommt es immer mal vor, dass mich ein Gedanke so packt, dass ich ihn für mich durchdiskutiere, wenn ich mich unbeobachtet fühle.

Sonntag, 15. November 2020

Doktoren-Diebereien

 
Als der große Gary Lineker in einem Interview auf Diego Maradonas Handspiel im Viertelfinale der WM 1986 angesprochen wurde ('Hand Gottes'), meinte er, er selbst wäre als Spieler nie auf die Idee gekommen, so etwas zu tun, käme aber auch nicht auf die Idee, Maradona für seine grobe Unsportlichkeit zu verurteilen. Man müsse bedenken, dass einige argentinische Fußballer in schlimmsten Verhältnissen aufgewachsen seien und alles getan hätten, um zu gewinnen.

"The Diego thing doesn’t bother me. Never has. He got away with it. I would never think of doing it but some Argentinian footballers grew up in the roughest conditions. They were ready to do anything to win." (Lineker)

Donnerstag, 12. November 2020

Ronny des Monats - November 2020


Der Trauer- und Gedenkmonat November wird seit einiger Zeit immer mehr zum Fascho-Monat. Der Grund: Rechts würde man gern das Widerstands-Narrativ vom 9. November 1989 kapern und zudem noch den angenehmen Nebeneffekt mitnehmen, das Gedenken an die Pogromnacht am 9. November 1938 in Puncto Aufmerksamkeit zu verzwergen. Die Behörden des inzwischen notorischen Freistaat Saxen helfen fleißig mit. Natürlich war auch sonst wieder so einiges los. So soll in Hamburg ein Teilnehmer einer AfD-Veranstaltung Gegendemonstrant*innen mit dem Auto angefahren haben. Gezielt, wie Betroffene berichten. Die Polizei sprach von einem Verkehrsunfall. Na, wenn das ein Moslem gewesen wäre...

Dienstag, 10. November 2020

Lest we forget (cont.)


1978 wurde in Westdeutschland aus Anlass des 40. Jahrestages erstmals offiziell der Reichspogromnacht am 9. November gedacht. In diesem Jahr fiel der 9. November auf einen Donnerstag. Und da kam immer die Quizshow 'Dalli Dalli' im ZDF. Davon, dass der bei ihnen so beliebte Showmaster Hans 'Hänschen' Rosenthal (1925-1987) Jude war und die NS-Zeit nur mit unglaublichem Glück und dank der Hilfe nichtjüdischer Nachbarn überlebt hatte, erfuhren die meisten Deutschen erst aus seiner 1980 erschienen Autobiographie und rieben sich verwundert die Augen.

Freitag, 6. November 2020

Alle vier Jahre wieder

 

Warum der Modus, in dem der US-Präsident gewählt wird, besser ist als sein Ruf

US-Präsidentenwahlzeiten sind Antiamerikanerzeiten. Jedes Mal aufs Neue werfen sich Teile der cisatlantischen Bevölkerung und der Journaille in die Brust und lachen sich einen Ast über das ach Gott wie veraltete und unnötig komplizierte System der US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Üblicherweise erfolgt das weitgehend frei von allzuviel Sachkenntnis, bar einfacher Rechenkenntnisse und vor allem streng durch die europäische, von deutlich zentralistischer organisierten Staatsformen geprägte Brille betrachtet. Haha, dieses umständliche Abstimmen nach Einzelstaaten! Höhö, dieses Wahlmännergremium! Zu putzig. Die AmisTM müssten einfach mal..., dann, ja dann wären sie auch so irre smart, effizient und superdemokratisch wie wir.

Mittwoch, 4. November 2020

Schmähkritik des Tages (43)

 
Heute: Marina Hyde über die US-Präsidentschaftswahl 2020

"Da nun Zukunft und demokratische Reputation der Amerikanischen Republik am seidenen Faden hängen, ist das kein geeigneter Moment für Bombast. Eher ist es Zeit, demütig in die Dunkelheit zu schauen, auf der Suche nach geeigneten gemessenen Worten, die der immensen Würde dieses Moments gerecht werden könnten. Kurz: Ich denke, wir alle fühlen die Hand der Geschichte an unseren Muschis. [...]

Sonntag, 1. November 2020

Abgänge


Der für mich beeindruckendste Filmauftritt des verstorbenen Sean Connery war eine winzig kleine Nebenrolle. Anfang der Neunziger hatte ich mich von der Damaligen in den Film 'Robin Hood - König der Diebe' schleifen lassen. Der milde amüsante Film mit dem gewohnt hölzern agierenden Kevin Costner in der Titelrolle war gar nicht mal langweilig, aber deutlich zu lang und triefte nur so vor US-amerikanischem Freiheitspathos. Nicht einmal der großartige Alan Rickman als Sheriff von Nottingham konnte da noch viel retten.