Vorder- und Rückseiten
Eigentlich gibt es einiges, das die Altstadt von Salzburg für mich zu einem höchst unsympathischen Fleckchen Erde machen müsste. Fängt damit an, dass hier zu Festspielzeiten einer der größten Promi- Wichtig- und Adabei-Auftriebe des Planeten herrscht. Geht damit weiter, dass die Weltkulturerbe-Altstadt vielerorts aussieht wie ein auf Hochglanz poliertes Touristen-Disneyland. Und ist mit Phänomenen wie dem, dass um die proppenvolle Getreidegasse herum an gefühlt 80 Prozent der Lokale und anderen vom Fremdenverkehr lebenden Betrieben 'Nepper, Schlepper, Bauernfänger' als unsichtbare Leuchtschrift zu prangen scheint ("Authentic Austrian/Bavarian food!"), noch lange nicht zu Ende. Außer Venedig und Schloss Neuschwanstein gibt es wohl nur wenige andere Orte, an denen sich solche Touristenmassen, vornehmlich aus Fernost, Italien und den USA, so klischeehaft benehmen wie hier.
Seit einiger Zeit haben sie es hier übrigens mit 'The Sound Of Music', der zum Musical verkitschen Geschichte der endemischen Trapp-Familie. Unter zuckrigem Gesinge von herzigen Kindern wird anhand des Einzelschicksals dieser Familie unter anderem vorgeführt, welch unschuldiges Opfer der Nazis Österreich war. Es spricht für den Geschmack der Salzburger, dass sie diese musikalische Marzipantorte lange mit eher spitzen Fingern angefasst haben. Inzwischen aber hat die überwältigende Nachfrage gesiegt, auch hier vor allem aus den USA und aus asiatischen Ländern, und es wird vermarktet wie nur was.
Wie gesagt, eigentlich. Dann aber fährt man, obwohl die Fahrt inzwischen 2,20 Euro kostet, per Aufzug auf den Mönchsberg, dessen schroff behauene Felswände bis in die Stadt hineinragen. Nachdem das einst berühmte Café Winkler schließen musste, haben sie dort oben ein konsequent modernes Museum für zeitgenössische Kunst hingestellt. Vom umwerfenden Panorama des türme- und kuppelgekrönten Häusermeers jedes Mal aufs Neue hin und weg, nimmt man vor dieser Traumkulisse in der nahe gelegenen 'Stadtalm' ein sehr gutes, äußerst bezahlbares Mittagessen ein und ist wieder versöhnt. Bergab geht es über einen engen Treppensteig, von dem aus man Festspielhaus und Felsenreitschule aufs Dach spucken kann, wenn man mag. Touristen verirren sich nur wenige hierher. Die Rückseite des Ganzen, einer der Orte, an denen einem klar wird, dass die Salzburger Altstadt eben nicht bloß Deko ist, sondern tatsächlich eine echte Stadt mit anderen, ziemlich interessanten Seiten.
Nehmen wir die Georg-Trakl-Forschungs- und Gedenkstätte. Die liegt zentral, doch eher versteckt in jener Wohnung am Waagplatz, in dem Trakl 1887 zur Welt gekommen ist. Wie andernorts mit Thomas Bernhard oder Elfriede Jelinek, haben sie sich mit Trakl in dessen Heimat lange schwer getan. Kein marktgängiger Götterliebling wie Mozart (der natürlich anders war als das populäre Bild, was dem Bohei um ihn aber keinen Abbruch tut), kein genialer Physiker mit prominentem Namen wie Christian Doppler, sondern ein seine Vaterstadt hassliebender, depressiver Drogenabhängiger, dem man eine inzestuöse Beziehung zu seiner Schwester nachsagt und der in seinem kurzen Leben neben ein paar Prosastücken vor allem sperrigschöne, dunkle, schwermütige, teils rätselhafte, vieldeutige, am Rande des Wahnsinns balancierende Gedichte zuwege gebracht hat.
Inzwischen sind an mehreren Orten der Stadt Tafeln mit seinen Gedichten montiert, unter anderem am St.-Peters-Friedhof und im Park von Schloss Mirabell. Die seit den Siebzigern bestehende Forschungs- und Gedenkstätte ist dienstags bis freitags von 14 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt vier Euro und nur mit Führung. Ich war einer von vier Besuchern an diesem Tag. Eine Untergrenze gibt es nicht, auch für einen einzigen Besucher wird geöffnet. Die Führung besteht darin, dass die dort angestellte Mitarbeiterin einen Dokumentarfilm zeigt, der 45 Minuten dauert und danach mitteilt, man könne sich jetzt noch ein wenig umsehen. Zwei gründerzeitlich eingerichtete Zimmer mit Vitrinen, in denen viel originales Bild- und Textmaterial ausgestellt ist. Seltsam fremd geworden ist einem so was, wie aus der Zeit gefallen. Still, von seriösem Ernst umweht, ohne jeden Kommerz, abgesehen vom Film auch ohne jegliches Entertainment, Geräuschkulisse und anderes 'sinnlich erfahrbares' Rambazamba.
Keine Ahnung, ob und inwieweit das repräsentativ ist, kann sein, dass das auf Hochburgen wie Wien und Salzburg beschränkt ist, aber es beschleicht einen das Gefühl, dass Kultur in Österreich noch einen höheren Stellenwert hat als bei uns. Eine Einrichtung wie die Trakl-Gedenkstätte in alleiniger staatlicher Trägerschaft wäre in Deutschland jedenfalls nur schwer vorstellbar. Zu teuer im Unterhalt, rechnet sich nicht, kein Publikum. Soll halt ein privater Verein machen, wenn's denn so wichtig ist, es werden sich schon Ehrenamtliche finden. Hier leistet man sich so was, so wie man sich in Wien eines der letzten Opernhäuser weltweit mit Repertoiresystem leistet, also eines, in dem jeden Tag die Bühne umgebaut werden muss, weil jeden Abend ein anderes Stück gegeben wird.
Auch die Festspiele sind nicht ausschließlich eine so exklusive Veranstaltung wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Klar, die großen Opernaufführungen, dieses Jahr etwa 'Nozze di Figaro', prominent besetzt und inszeniert, sind eher was für den tieferen Geldbeutel. Da schreiben sie einem für die besten Plätze ohne rot zu werden knapp 450 Euronen auf den Bon, für die billigsten, die als erste ausverkauft sind, immer noch knapp 100. Wobei es natürlich beim Eintrittsgeld nicht bleibt. Wer auf sich hält, nächtigt selbstredend in einem der besseren Häuser am Platze, diniert entsprechend, lässt sich vom Limousinenservice herumchauffieren und sorgt zuvor in einem einschlägigen Fachbetrieb dafür, dass der Frau Gemahlin die Schande erspart bleibt, im Festtagsdirndl vom letzten Jahr auflaufen zu müssen. Ein jeder möge sich ausrechnen, was für einen standesgemäßen Festspielbesuch zu zweit so fällig werden kann.
Das ist die eine Seite. Übrigens durchaus gewollt. Max Reinhardt, Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss, die Gründerväter der Festspiele, die zudem die ersten waren, die Theater, Oper und Konzerte an andere Orte brachten und damit nebenbei das moderne Kulturevent erfunden haben, sie wussten schon damals, dass man vor allem an das Geld der Reichen, Schönen und Neureichen musste, wollte man eine Chance haben, "von allem das Höchste", so ihr Motto, auf die Bühne zu bringen. Die andere Seite ist, dass man durchaus auch für 30 Euro Konzertkarten bekommt. Oder dass, wenn man weiß, wo, wann und wie, für gerade einmal fünf Euro Stehplatzkarten für 'Jedermann' zu haben sind, live und in Farbe auf dem Domplatz.
Zahlungskräftiges Publikum bekommt vorgeführt, dass Geld nicht alles ist |
Flügel verleihen und die Folgen
Dass der Hangar 7 auf dem Gelände des Salzburger Flughafens, pardon, des Salzburg Airport W.A. Mozart, nicht ganz leicht zu finden ist, liegt daran, dass man es hier in Salzburg nicht so zu haben scheint mit Beschilderung und Verkehrsführung. (Vielleicht will man auch nur verhindern, dass die heillos verstopften Straßen noch voller werden, indem man auf diese Weise navilose Auswärtige in den Wahnsinn treibt, wer weiß.) Anhand dieses Bauwerks lässt sich sehr schön studieren, zu welch groteskem Reichtum es einer in kurzer Zeit bringen kann, der eine angeblich Flügel verleihende, vor allem aber fragwürdig schmeckende und penetrant müffelnde Limonade unters feierwütige, durchhaltewillige Jungvolk bringt, sofern er nur die richtigen Marketingleute unter Vertrag hat.
Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz ist nicht nur von hier, sondern bekanntlich auch ein überaus umtriebiger Sponsor, Mäzen und Aufkäufer von Fußballvereinen. Vor allem mit der Fliegerei hat er's. Der Hangar 7 ist natürlich nicht wirklich ein Hangar, sondern ein topmoderner, topschicker Kuppelbau aus Glas und Stahl, in dem sich auch bei genauerem Hinsehen kein einziges Teil erkennen lässt, das nicht eigens auf Maß gefertigt worden wäre. Es werden immer wechselnde Teile der Sammlung historischer Flugzeuge und des Bestandes von Rennwagen ausgestellt. Zudem beherbergt der Hangar ein Café, eine Bar und das Restaurant 'Ikarus', in dem regelmäßig internationale Spitzenköche als Gäste herumrühren. Ansonsten wird der luftige Raum noch gelegentlich als Studio für den hauseigenen Fernsehsender 'Servus TV' genutzt.
Lohnt sich's? Geschmackssache. Viel Brmm-brmm, viel Höherschnellerweiter. Flugzeuge, Hubschrauber, Rennautos. Alles mit Logo und in grellen Farben. Kann man sich mal ansehen, bekommt man nicht alle Tage so aus der Nähe zu Gesicht. Außerdem ist der Eintritt frei, der keineswegs überteuerte Cappuccino im Café exzellent und die Bedienung trotz des edlen Amibentes äußerst herzlich. Trotzdem, es bleibt ein leichter Zwiespalt. Hobbypsychologen würden sich anhand der Exponate vermutlich schon ihre Gedanken über eine gewisse phallische Fixierung des Limonadenvertickers machen. Ist's bloß schmutzige Phantasie? Ich fragte mich im Hinausgehen, ob ich wirklich der einzige war, der das Gefühl hatte, da drin gewaltig angepimmelt worden zu sein von all den schlanken Rümpfen der Flugzeuge und den Nasen der Rennwagen.
(Kommt noch was.)
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