Donnerstag, 25. Februar 2016

Irgendwie beruhigend


Es gibt so Dinge, die eine zutiefst beruhigende Wirkung auszuüben vermögen. Die aufgespritzten Lippen einer D-Prominenten etwa, deren Name mir entfallen ist, aber nichts zur Sache tut. Vor Jahren, es war ein paar Wochen nach Jenem 11. September, Nach Dem Nichts Mehr So Sein Würde Wie Zuvor, schlenderte ich durchs Städel und kam an einem Zeitschriftenkiosk vorbei. Deutschlands Meistverkaufte machte mit der prominent auf Seite eins platzierten Dachzeile auf, die eingangs erwähnte schlauchbootlippige Dame habe ein Geständnis abgelegt. Sie habe gelogen, schlagzeilte es mir ins Gesicht. Der Querschnitt ihrer Lippen sei mitnichten einer verschwenderischen Laune von Mutter Natur geschuldet, sondern künstlichem Tuning. Ja Potzdonner! Konnte es die Möglichkeit sein?

Nachdem der erste Schreck ob dieser Erschütterung meines Weltbildes sich gelegt hatte, dachte ich: Sieh an, offenbar ist heute also nichts wirklich Schlimmes auf der Welt passiert. Wie schön! Ein wenig leichteren Herzens ging ich da meiner Wege. Ein anderes Mal wurde ich ohne erkennbaren Grund am späteren Abend von einer Polizeistreife angehalten. Ich befand mich mit dem Auto auf dem Heimweg von einer abendlichen Veranstaltung, seit sechs in der Früh war ich auf den Beinen gewesen, es regnete, es war stockdunkel, ich war hundemüde und wollte nur noch in die Falle. Weswegen ich vermutlich auch ein wenig zerknittert aus der Wäsche geguckt habe. Der männliche der beiden noch sehr jungen Ordnungshüter fragte, ob ich Alkohol konsumiert habe, was ich verneinte, und ob ich mit einem Alkoholtest einverstanden sei.

Ich war stocknüchtern und hatte meines Wissens keine einzige Verkehrsregel auch nur ansatzweise verletzt, und wenn doch, hätten wir jederzeit gern reden können. Er meinte, es handele sich um eine reine Routinekontrolle, ich hätte nichts zu befürchten, worauf ich zurückgrummelte, ich wüsste auch nicht, was. Vielleicht dämmerte ihm, dass er aus Übereifer handelte und er versuchte mich ein wenig zu beschwichtigen. Der Alkotest ergab die erwarteten 0,0 Promille und man wünschte mir noch gute Fahrt. Hornberger Schießen. Von meinen Steuergeldern!

Tags darauf beim Morgenkaffee aber dachte ich: Hey, ist es nicht irgendwie auch ein Stück weit beruhigend, wenn die Staatsgewalt sich offenbar dermaßen langweilt, dass sie sich auf Nachtschicht die Zeit damit vertreiben muss, in jeder Hinsicht unauffällige Verkehrsteilnehmer aufs Geratewohl anzuhalten und  komplett sinnfreien Kontrollen zu unterziehen? So schlimm wie die ganzen Schwarzseher immer unken, kann es demnach um die Welt nicht bestellt sein.

Vor ein paar Tagen war aus dem schönen Wien zu hören, dass der Barkeeper Edin Mehic sich nach dem Konsum eines Döner mit viel Zwiebeln mittels eines hörbaren Rülpsers erleichtert haben soll. Dummerweise hatte er das wohl in Hörweite eines Polizisten getan, der darin eine Verletzung des öffentlichen Anstands sah, wie das in der Nachbarrepublik genannt wird. Der Beamte drückte dem röhrenden Zwölfender eine Strafverfügung rein und verdonnerte ihn zu einer Zahlung von 70 Euro. Er darf das übrigens, das Wiener Landessicherheitsgesetz gibt das her. Man hätte es aber auch wirklich wissen können. Schon 2009 wurde in Graz ein 20jähriger zu 50 Euro verurteilt, weil er neben einem Polizisten einen hatte fahren lassen. Gut, vielleicht lag in dem Fall ein Verstoß gegen Artikel 23 der Haager Landkriegsordnung vor, wer weiß.

Ich muss gestehen, da ein wenig zwiespältig zu sein. Einerseits gehören Menschen jenseits des Pubertätsalters, die rülpsen und furzen nicht nur für akzeptable Mittel der Kommunikation, sondern auch für irre lustig halten, für mich nicht unbedingt zu den Glanzleistungen der Evolution. Andererseits öffnet eine solche Gesetzeslage natürlich der Willkür Tür und Tor und verlangt denen, die sie anzuwenden haben, ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl ab. Es gibt schließlich auch Menschen, die ihre Körperfunktionen aus Gründen hohen Alters oder wegen Krankheit nicht immer im Griff haben. Keine Ahnung, wie das in Österreich so ist, aber für einige der hiesigen Freunde und Helfer, denen ich im Laufe meines Lebens so begegnet bin, mag ich meine Hand da nicht ins Feuer legen.

Wie dem auch sei, für die von so was Betroffenen ist das allemal ärgerlich. Andererseits dachte ich dann wieder: Wow, was für ein quasi verbrechensfreies Arkadien muss dieses Wien doch sein! (Das immerhin eine ausgewachsene Millionenstadt ist.) Welch geradezu bukolischer Friede muss da herrschen! Hört man doch allenthalben, wie die Ordnungskräfte des Transitlandes Österreich unter den vom Balkan her einströmenden Migrantenmassen schier kollabieren mögen. Wenn die aber trotz allem immer noch Zeit und Gelegenheit haben, sich mit derart schweren Vergehen wie öffentlichem Rülpsen zu befassen, kann es so schlimm wohl nicht sein. Auch das wieder beruhigend, irgendwie.



5 Kommentare :

  1. Die Rülpsergeschichte trug sich aber mitnichten im idyllischen Wiener Prater zu, wie in dem verlinkten Tagesspiegel-Artikel falsch dargestellt, sondern am Praterstern, einem stark frequentierten Wiener Hotspot der Drogen- & Herumtreiberkriminalität, wo es ständig zu Anstandsverletzungen, Ausschreitungen, Belästigungen von Passanten usw. kommt und permanente Polizeipräsenz daher dort obligat ist, um die öffentliche Ordnung halbwegs aufrechtzuerhalten. Wenn in solcher konfliktträchtiger Situation dann einer daherkommt und es für witzig hält, sich neben einem Polizisten aufzustellen und diesen laut anzurülpsen: was würden Sie erwarten, wie der darauf reagieren soll. Soll der das etwa ebenfalls komisch finden? Für wie originell sich dieser Kretin mit seiner Rülpsgeschichte offenbar selber hält, dass er meint damit an die Öffentlichkeit gehen & diese daran teilhaben lassen zu müssen, anstatt sich dafür zu genieren, sieht man ja.

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  2. kann mich da nur anschließen.Wenn der kerl es sooo lustig fand,dann soll er es auch lustig finden,dass er dafür zahlen darf^^Bei einigen muss man halt mit schmerzhaften Mitteln die lückenhafte Erziehung nachholen.In dem Lokal,wo der ausschenkt,möchte ich auf jeden Fall nur reingehen,um mir das Schweinchen mal anzusehen.

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    1. was die Autokontrolle anging...da habe ich auch mal so eine Story erlebt.2 Uhr morgens wurde ich angehalten...mitten in der Pampa.Begründung:Ich hatte mich zu korrekt verhalten.Ich hatte nämlich jede abbiegende Vorfahrt korrekt geblinkt^^Das kam denen bei der Uhrzeit extrem verdächtig vor.Sie vermuteten einen Betrunkenen^^Was in unseer Gegend auch eher zu vermuten war.

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  3. Egal was man macht, man macht es dem Büttel nicht recht. Egal was der Büttel macht, er macht es uns meist nicht recht.
    Aber Veränderung herbeizuführen schaffen "wir" der Nicht-Büttel, auch nicht. Im Gegenteil, 80% der zu Wahlen Gehenden, bleiben stur bei ihrer Zustimmung zu neoliberal, der Anteil für wirklich faschistoide Haltungen steigt dabei auch noch an.
    Ich wünsche mir eine ganz geringe Obergrenze! Für Blödheit, für Nazis, für AfD-Brüller, für Neoliberalismus, für Leitkultur und für "westliche, christliche Werte", für Stammtisch- und Bierzeltstrategen. Für Sachsens MP, für Talkshows, für die FAZ, BILD, Spiegel.
    Und eine Untergrenze für Humanismus und Intelligenz.

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  4. Ich finde das keineswegs beruhigend - ganz im Gegenteil. Je größer die drohende Gefahr ist, desto größer ist auch der boulevardeske Bullshit, der durch die Gazetten und andere Medien rauscht: Die Weimarer Zeit (deren Zeitungen und Zeitschriften heute ja zu einem großen Teil frei im Netz zugänglich sind) illustriert das in beängstigender Weise.

    Als besonders gruseliges Beispiel empfehle ich die Lektüre diverser Druckerzeugnisse aus dem Februar und März 1933 - wer sich das durchliest, versteht auf Anhieb, wie ich das meine.

    (EIn Beispiel von vielen: Der "Simplicissimus", Jahrgang 1932 vom 03.04.32 bis zum 26.03.33.)

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