Freitag, 3. Juni 2016

Schmähkritik des Tages


Heute: Maxim Biller über Thomas Mann

"[...] Es geht ja auch gar nicht um Thomas Mann, sondern darum, warum dieser schlechte Schriftsteller, der besser ein Parfumeur geworden wäre, heute in Deutschland so populär ist. Die Leute machen nur den zu ihrem Gott, in diesem Fall zu ihrem literarischen Gott, in dem sie sich wiedererkennen können. Und in wem erkennen sie sich da wieder? In einem karrieristischen Bürger, der vollkommen unehrlich mit seiner sexuellen Orientierung umgeht und heimlich die Juden hasst, sich aber natürlich irgendwann nicht mehr traut, das offen zu schreiben, außer in seinen Tagebüchern, und der eines Tages auch noch beschließt, nicht mehr Monarchist und Extrem-Nationalist zu sein, sondern für die Republik zu sein, der also über Nacht bei seiner politischen Orientierung völlig umschaltet und plötzlich ein Verfassungsdemokrat wird. Das ist ganz einfach die Geschichte von 90 Prozent der Deutschen nach dem Krieg. Deshalb ist er für sie ein Gott." (taz, 31.5.2016)

Anmerkung: Der Begriff 'Schmähkritik' ist in letzter Zeit vor allem durch die Causa Böhmermann vs. Erdogan ins Licht einer breiteren Öffentlichkeit geraten. Ist aber nicht neu. Die taz unterhält in ihrem Blog 'Monarchie und Alltag' seit gefühlten Ewigkeiten eine Rubrik mit diesem Namen. Und was die können, kann ich schon lange. Außerdem gibt es Polemiken, um die es einfach zu schade wäre. Also, von jetzt an, in loser Folge, an dieser Stelle, you get the picture.



4 Kommentare :

  1. Schmäh gibt es seit jeher dort, wo der Hofer es fast zu einem Amt gebracht hätte. Das ist aber geringfügig was anderes als das, was Böhmermann da gemacht hat.

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  2. «Es geht ja auch gar nicht um Thomas Mann, sondern darum, warum dieser schlechte Schriftsteller, der besser ein Parfumeur geworden wäre,…»

    0h nein, bitte nicht – Parfümerie ist eine hohe Kunst!
    Ich möchte nicht wissen, welche Mixturen dann über die unglückliche Menschheit gekommen wären ;-)

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  3. Es gibt zu Thomas Mann in der Tat einiges Kritisches zu sagen bzw. inzwischen längst zu lesen - die literaturwissenschaftliche Forschung dazu füllt längst ganze Regalwände. Was Biller hier aber im Interview von sich gibt, ist schlicht oberflächlicher Mist, der mir jede Lust, seinen neuen Roman zu lesen, erfolgreich raubt.

    Vollends ins Aus katapultiert der Mann sich aber, indem er sagt: "Mein Job [beim 'Literarischen Quartett'] ist, erstens klar zu denken und zweitens mich nicht zu kontrollieren. Ich bin der ZDF-Gladiator, der für Literatur zuständig ist."

    Ich will diese furchtbare, unerträgliche Neuauflage dieser Sendung hier gar nicht thematisieren - eine derartig dämliche Bemerkung hinsichtlich der literarischen [sic!] - und einzig dieser - Aufarbeitung des Holocaust geht nicht einmal mehr als Satire durch.

    Auf den ollen Reich-Ranicki, den ich in vielerlei (literaturwissenschaftlicher) Hinsicht ebenfalls kritisieren könnte, legt Biller dann noch nach und sagt auf die Frage, weshalb Mann für Ranicki ein "Gott" gewesen sei: "Weil Marcel Reich-Ranicki ein typischer Weimarer Jude war, der wahnsinnig gerne ein Deutscher gewesen wäre, es aber nicht sein durfte." Hier endet jegliches Verständnis, das ich nach 20 Flaschen Korn vielleicht noch hätte aufbringen können.

    Der Begriff "Schmähkritik" ist hier meines Erachtens unangebracht - zumal es auch nur am Rande um Thomas Mann, dafür aber ausführlich um Biller und sein mehr als fragwürdiges Verhältnis zum Judentum bzw. das, was er dafür hält, geht. Und das verdient eher eine deftige Bezeichnung wie "grenzdebiler Unsinn" oder "aufmerksamkeitsheischende Dummheit".

    Ich geh' wirklich bald ins Kloster. Das ist ja alles nicht mehr erträglich.

    Liebe Grüße!

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  4. Ich begrüße diese Rubrik sehr. Viele Kritiken sind ebenso verwahrenswert, wie die Werke, die sie sich zum Ziel gemacht haben ;)

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