Nicht immer Kritisches über Politik, Gesellschaft, Medien, Kultur, Essen und manchmal auch Sport
Donnerstag, 7. März 2019
Bullerei und Elfenstaub
Den Erinnerungen Vincent Klinks zufolge, musste ein Koch, der es zum Küchenchef bringen wollte, früher vor allem über drei Dinge verfügen: Trinkfestigkeit, die Fähigkeit, endlos über Fußball zu reden sowie einen unerschöpflichen Vorrat an Weibergeschichten. Wobei es bei letzteren egal gewesen sei, ob sie sich wirklich zugetragen hatten. Dazu in jedem Fall eine infernalisch laute Kasernenhofstimme. Halbwegs kochen zu können, so Klink, rangierte damals an vierter Stelle. Höchstens.
Der gelernte Koch Tim Mälzer betreibt neben seiner Medienpräsenz das Hamburger Restaurant 'Bullerei'. Der Name ist Programm. Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass er sich jeden Morgen zwei Paar Socken in die Hose stopft. In den Schritt. Für Optik und Gang. Gut möglich, dass eine Küche, in der Mälzer tätig war, danach gründlich gelüftet werden muss, um den ganzen ranzigen Testosteronmief wieder aus den Ecken zu bekommen. Unter wenigem leidet er nämlich mehr als darunter, von seinen besternten und behaubten Kollegen nicht recht ernst genommen und eher für einen ambitionierten Schnitzelbräter gehalten zu werden. Obwohl er doch von früher her mit Jamie Oliver befreundet ist und andauernd im Fernsehen.
Die von ihm aus diesem Minderwertigkeitskomplex heraus erdachte Sendung 'Kitchen Impossible' ist also durchaus als höchstpersönlicher Rachefeldzug eines Mannes zu betrachten, der gewaltig was zu beweisen hat. Das Prinzip: Zwei Köche schicken sich gegenseitig zu jeweils zwei von ihnen ausgewählten Zielen. Dort bekommen sie etwas zum Essen vorgesetzt, das sie auf Zutaten und Zubereitung hin analysieren und dann ohne Rezept oder andere Hilfen nachkochen müssen. Das Ergebnis wird dann von einer Jury vor Ort bewertet. Dabei zeigt sich oft, dass Mälzer seinen Gegnern mehr als nur das Wasser reichen kann. Das alles kann man so finden oder so, ist meistens aber so unterhaltsam, dass man die ganzen zweieinhalb Stunden über dranbleibt.
Denn nur um Unterhaltung geht es, keine Illusionen. Mit Hebung der Esskultur oder ähnlichem Schnickschnack hat das mal gar nichts zu tun. Kochsendungen sind, wie das allermeiste im Fernseh, zuvörderst Entertainment. Um die Massen von ihrem Sklavendasein abzulenken und so die eigentlich fällige Revolution möglichst auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Trotz allen Starrummels, Spitzenköche waren ursrpünglich Domestiken der Mächtigen und sie sind es oftmals auch heute noch. Die Klugen unter ihnen kapieren das früher oder später.
"You need to be strong to admit your weaknesses." (George Monbiot)
Trotzdem gucke ich die Mälzerei gelegentlich gern. Weil ich vieles, was mit Essen zu tun hat, einfach spannend finde. Wie ich auch Hochküche, sobald sie nicht bloß Luxusfutter für abgrenzungsbedürftige Möchtegerns zu sein begehrt, keineswegs dekadent finde, sondern höchst faszinierend (und in Deutschland, nebenbei, auch keineswegs überteuert). Und ich bin ein kleines bisschen verliebt. Seit Sonntag. Na ja, nicht wirklich, es ist mehr eine Schwärmerei. Trotzdem, ich bin berührt. Da war nämlich Tanja Grandits zu Gast beim selbsternannten Straßenköter Mälzer. Grandits ist Küchenchefin im Baseler Restaurant 'Stucki' und sie ist - anders.
Eine sanfte, leise, sensible und grazile Elfe. Wenn irgendwo ein Messer herunterfällt, scheint sie schon ganz leicht zusammenzuschrecken. In ihrer Küche muss es zugehen wie in einem Zen-Kloster, nur freundlicher. Der komplette Gegenentwurf zum rumbrüllenden und Pfannen durch die Gegend pfeffernden Küchenbullen, dem das speckige Wams überm Ranzen spannt. Andauernd möchte man sie in den Arm nehmen und beschützen vor der bösen Welt, aber man täusche sich nicht. 19 von 20 Gault Millau-Punkten und dauerhaft zwei Michelin-Sterne kriegst du nicht als Buschwindröschen, das man umpusten kann, sondern dafür, dass du was kannst. Und eine Lehre in der Taube Tonbach überstehst du auch nicht mit Blümchen binden und Namen tanzen.
Großes Kino, wie Mälzers Pöbeleien ("Fickscheiße!"), Provokationen ("Ich bin eine Maschine, uga uga!") und Sticheleien ("Kulturelse", "Yogatante"), sein Ressentiment, sie sei eine Chichi-Köchin, die nichts Richtiges kochen könne, an ihr und ihrer Freundlichkeit einfach abprallten. Wie sie sein Alphatier-Gehabe ins Leere laufen ließ, seine Zumutungen bei den Aufgaben (Enten ausnehmen, Fische fangen) annahm und der Pötteproll am Ende ganz handzahm war, obwohl er wieder einmal knapp gewonnen hatte. Dazu die so völlig unabgeklärte Offenheit, in der sie sich von neuen Erfahrungen einnehmen ließ. Nichts mit "Kenn ich doch!" oder "War ich schon, da habe ich mal..." Und ihre Bescheidenheit, der Freimut, mit dem sie dazu steht, Dinge nicht zu können und das auch gar nicht müsse, da sie so "wundervolle Menschen" in ihrem Team habe.
Selten geworden, so was. Berührend. Ich wiederhole mich.
An diesem Abend schien einmal etwas dran zu sein an dem feministischen Dauerbrenner, dass Frauen die Welt in einen besseren Ort verwandeln können. Doch wie gesagt, man täusche sich nicht, die Lady ist nicht ohne: So gab sie Mälzer die Aufgabe, in einem Gericht frittierte Karpfenmilch zu erkennen. Dabei handelt es sich um nichts anderes als die noch Sperma enthaltenen Samenstränge vom Karpfen. Einem wie Mälzer Karpfenklöten zum Essen vorsetzen und ihn daran scheitern lassen - ob nun beabsichtigt oder nicht, das hat schon Hintersinn.
Ziele zu haben im Leben ist ja nichts prinzipiell Schlechtes oder Verwerfliches. So lange man nicht in doofes Selbstoptimieren verfällt und sich das Leben darüber zur Hölle macht. Kommt außerdem immer ein wenig auf die Ziele an. So habe ich mir mal vorgenommen, bei Vincent Klink in der Wielandshöhe in Stuttgart-Degerloch einzukehren, sobald ich mir ein Essen in einem Sternelokal plus die Übernachtung leisten kann. Seit kurzem steht auch ein Besuch in Basel im 'Stucki' auf der Liste. Das ist zwar aufwändiger und auch teurer, aber vielleicht bekomme ich ja etwas Elfenstaub ab.
Kitchen Impossible vom 3.3.2019: Tim Mälzer vs. Tanja Grandits
3 Kommentare :
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Eine echte Fleißarbeit - Respekt! Es mag angesichts meines obigen Geschreibsels überraschen, aber das meiste davon kenne ich, wenn überhaupt, nur vom Hörensagen.
LöschenStefan: Vor einiger Zeit einmal quer durchs Wochenprogramm der TV 14 und das wars.
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